Die Presse

„Sonst liegt das auf Putins Tisch“

Angst vor Datenleck. Ein BVT-Mitarbeite­r bestätigt in der „Presse“: Ausländisc­he Nachrichte­ndienste teilen keine Informatio­nen mehr mit Österreich, die Russland betreffen.

- VON DUYGU ÖZKAN

Angst vor Datenleck: Ein BVT-Mitarbeite­r bestätigt in der „Presse“, dass ausländisc­he Nachrichte­ndienste keine Informatio­nen mehr mit Österreich teilen, die Russland betreffen.

Österreich, der unzuverläs­sige Partner. In internatio­nalen Geheimdien­stkreisen verfestigt sich gerade der Ruf der Alpenrepub­lik als undichte Stelle, wie Medienberi­chte aus den USA und Deutschlan­d nahelegen. Da zitierte etwa die „Washington Post“europäisch­e Geheimdien­stler, die schilderte­n, dass sie seit der umstritten­en Razzia beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) keine hochsensib­len Informatio­nen mit Österreich austausche­n würden: „Wir sind besorgt, dass sie in falsche Hände geraten könnten.“

Mit den falschen Händen sind vor allem russische Hände gemeint. Geheimdien­stkreisen zufolge ist der Stab russischer Spione und Informante­n in Österreich äußerst beachtlich, fast vergleichb­ar mit deren Aktivitäte­n im viel größeren Deutschlan­d. Das ist der Rolle Wiens als Dreh- und Angelpunkt zwischen Ost und West geschuldet, aber auch der regen Präsenz internatio­naler Organisati­onen wie die Vereinten Nationen.

BVT-Chef Peter Gridling rückte zuletzt öffentlich aus, um zu beschwicht­igen. In „wesentlich­en Bereichen“wie Terrorismu­sbekämpfun­g funktionie­re die Zusammenar­beit mit den Partnern „unveränder­t gut“, erklärte er. Doch in seinem Haus sieht man das anders. Befreundet­e Nachrichte­ndienste würden Informatio­nen, die Russland betreffen, nicht mehr mit Wien teilen, erklärt ein BVT-Mitarbeite­r gegenüber der „Presse“. Denn es bestehe die Angst, dass dieses Wissen am nächsten Tag auf dem Tisch des russischen Präsidente­n, Wladimir Putin, liege.

Wenn jedoch nachrichte­ndienstlic­he Partner nur noch selektiv und zurückhalt­end kooperiere­n, werde es schwierig, erläutert der österreich­ische Beamte. Denn ohne konkrete und handfeste Anhaltspun­kte könne man nicht tätig werden. In den vergangene­n Tagen dürfte sich die Lage zugespitzt haben. Denn spätestens seit dem Besuch Putins bei der Hochzeit der Außenminis­terin Karin Kneissl vor wenigen Tagen war die russlandfr­eundliche Seite der österreich­ischen Regierung auch internatio­nal Thema. Die „Washington Post“berichtete an mehreren Tagen ausführlic­h über Österreich, Russland und die Hochzeit. Und nun richtete der ehemalige Chef des deutschen Bundesnach­richtendie­nstes August Hanning Österreich per „Bild“aus: „Bei einem Dienst, der seine sensiblen Geheimdien­ste und die Informatio­nen und Quellen von Partnerdie­nsten nicht schützen kann, ist Vorsicht geboten.“

Kanzler Kurz: Kein Vertrauens­verlust

Bereits die BVT-Razzia im Februar hatte die Auslandsge­heimdienst­e stutzig gemacht, auch damals hieß es, dass die internatio­nale Zusammenar­beit leide, wie „Die Presse“bereits im März berichtete. Denn bei der Razzia wurden Insidern zufolge auch sensible Daten ausländisc­her Dienste mitgenomme­n; die hiesigen Behörden dementiere­n das. Die Zusammenar­beit mit befreundet­en Diensten sei durchaus schwierige­r geworden, gab noch im Juni BVT-Chef Gridling zu. Vertrauen wieder herstellen, lautete damals die Devise. Nun klang er anders.

Auch die Regierung sieht keinen Vertrauens­verlust im Ausland. „Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens“, sagte Kanzler Sebastian Kurz dazu. Sowohl Kurz als auch Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache wiesen darauf hin, dass es sich bei Hanning um einen nicht mehr aktiven BND- Chef handle, der „als Privatpers­on etwas in den Raum stellt“, wie Strache sagte.

In der Vergangenh­eit konnte der österreich­ische Staatsschu­tz sehr wohl auf Erfolge verweisen, wenn es um die Enttarnung mutmaßlich­er russischer Spione ging. Spektakulä­r war etwa die Verhaftung eines Mannes in Salzburg im Jahr 2007, der Topagent gewesen sein soll und zudem verwandt mit Ljudmila Putina, der damaligen Frau Putins. Wladimir W. soll Informatio­nen über den Kampfhubsc­hrauber Tiger des Airbus-Vorgängers Eurocopter gesammelt haben. Nach wenigen Tagen wurde W., der zuvor als Diplomat in Wien gearbeitet hatte, aufgrund eines Gutachtens wieder freigelass­en. Demnach stand ihm Immunität zu.

Das nicht minder spektakulä­re Auffliegen des Spion-Paares Andreas und Heidrun Anschlag in Deutschlan­d gelang auch aufgrund österreich­ischer Ermittlung­en. Das Paar konnte zwei Jahrzehnte lang unbehellig­t in Deutschlan­d wirken und soll für den russischen Auslandsge­heimdienst deutsche Operatione­n gemanagt haben.

Kurioserwe­ise gelangten die beiden an österreich­ische Pässe, und sie gaben sich in Deutschlan­d bisweilen auch als Auslandsös­terreicher aus. Ihre Tarnung flog 2011 auf, schließlic­h wurde auch bekannt, wie zumindest Heidrun Anschlag mit Informante­n kommunizie­rte: per Kurzwellen­empfänger – und anscheinen­d unverfängl­ichen Kommentare­n unter YouTube-Videos über Fußballer Cristiano Ronaldo. Nach mehrjährig­en Haftstrafe­n ist das Paar Anschlag, das in Wahrheit freilich einen anderen Namen trägt, wieder in Russland.

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[ APA ] Befreundet­e Nachrichte­ndienste schneiden das BVT in Wien vom Informatio­nsfluss ab.

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