Die seltsame Notenbank-Politik
Personalia. Die neue Spitze der Oesterreichischen Nationalbank steht fest. Die Entscheidung der Regierung ist – aus mehreren Gründen – zumindest ungewöhnlich.
Dienstagnachmittag in der Oesterreichischen Nationalbank. Der Generalrat mit Claus Raidl als Präsident an der Spitze tagt. Plötzlich betritt ein Mitarbeiter den Raum, um einen Zettel zu überreichen. Dort steht schwarz auf weiß, was „Die Presse“gerade online gestellt hat: Harald Mahrer wird per 1. September Notenbank-Präsident, Robert Holzmann soll nächstes Jahr NationalbankGouverneur werden. Die Teilnehmer der Sitzung sind baff. Keiner hat vorher Informationen über die Personalia bekommen. Sie sind für alle Anwesenden höchst überraschend. Und höchst unkonventionell, aus mehreren Gründen.
1 Die ÖVP überlässt den wichtigeren Job des OeNB-Chefs der FPÖ
Damit hat wirklich niemand gerechnet: Die ÖVP begnügt sich mit dem (geldpolitisch unbedeutenden) Posten des OeNB-Präsidenten. Gouverneur wird Robert Holzmann. Ein Experte, keine Frage, aber eben FPÖnahe. Natürlich steckt ein politischer Deal dahinter. Vermutlich haben sich die Türkisen damit den EU-Kommissar sichern wollen.
2 Der Chef der Wirtschaftskammer wird Präsident der Nationalbank
Harald Mahrer also. Das ist merkwürdig, weil die Sozialpartner in den vergangenen Monaten sukzessive aus dem Generalrat gedrängt wurden: Anna-Maria Hochhauser (WKO) musste ebenso gehen wie Werner Muhm (Arbeiterkammer). Auch Dwora Stein (ÖGB) und August Astl (Landwirtschaftskammer) werden ersetzt. Dass nun just ein Spitzenrepräsentant der Sozialpartner den Präsidentenposten bekommt, ist gesetzlich kein Problem der Unvereinbarkeit – aber seltsam ist es doch. Zumal die ÖVP absolut keinen Mangel an Kandidaten hatte.
Banker Stephan Koren etwa, der nun einfaches Mitglied des Generalrats wird. Oder als guter alter Versorgungsposten: ExÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Er erzählt der „Presse“, dass Sebastian Kurz ihm den Job 2017, nach Mitterlehners Abschied von der Politik, zwei Mal angeboten hatte. Nach der Nationalratswahl bekundete Mitterlehner schließlich sein Interesse am Amt des OeNB-Präsidenten. Doch dann, im Mai, teilte der Kanzler Mitterlehner mit, dass die Sache „schwierig“sei, weil die FPÖ keinen Gouverneur-Kandidaten habe und auf den Posten des Präsidenten poche. Mitterlehner nahm es hin. Und Harald Mahrer soll ihm seine Unterstützung zugesichert haben.
Am Dienstagnachmittag erlebte also auch Mitterlehner eine Überraschung: Sebastian Kurz rief ihn an, um ihm mitzuteilen, dass die ÖVP sehr wohl den Präsidenten stellen werde. Das Amt übernehme aber Harald Mahrer. „Eine eigenartige Entscheidungskultur“, findet Mitterlehner, „aber sie passt stimmig zur Gesamtentwicklung.“
3 Barbara Kolm wird Vizepräsidentin der Nationalbank
Kolm ist Präsidentin des Hayek-Instituts und FPÖ-nahe. Vor allem aber: Kolm hat sich zuletzt mit Kritik an der EU und am Euro hervorgetan. 2014 erklärte sie in Interviews, Europa habe die Chance verpasst, die einzige wertgedeckte Währung zu schaffen. Einen Euro mit Goldstandard. Davor hatte sie überhaupt ein Scheitern des Euro prognostiziert. Ihre Fehlprognose quittierte sie mit: „Ich habe die politische Hartnäckigkeit unterschätzt.“Immer wieder bemängelte sie auch die Tendenz der EU, sich zum „Superstaat“zu entwickeln. Ihr Ideal wäre, sagte sie, ein „Europa der Regionen, die im Wettbewerb stehen“. Denn: „Europa war immer am stärksten, wenn es fragmentiert war.“
Nationalökonom Friedrich August von Hayek war seinerzeit übrigens dafür, die Aufgaben der Zentralbanken in private Hände zu geben und zu dezentralisieren.
4 Der Notenbank-Gouverneur per 2019 steht jetzt schon fest
Offiziell ist es noch nicht, aber FPÖ-Minister und Regierungskoordinator Norbert Hofer hat es gestern zumindest indirekt bestätigt: Robert Holzmann wird im nächsten Jahr Ewald Nowotny als Gouverneur der Nationalbank beerben. Hofer sprach jedenfalls von einem Kandidaten, „der bestens geeignet ist“.
Stimmt. Holzmann hat als Fachmann einen exzellenten Ruf, auch international. Trotzdem ist die offensichtliche Einigung der Regierung auf ihn einigermaßen ungewöhnlich. Denn die Gepflogenheiten in Österreich wollen es, dass der Generalrat der Notenbank der Regierung für jeden frei werdenden Posten im Direktorium drei Vorschläge macht. Die Regierung kann, muss sich aber nicht an die Vorschläge halten.
Was nicht heißt, dass die Regierungen in der Vergangenheit personalpolitisch nicht den Ton angegeben hätten. Trotzdem: Die Form wurde stets gewahrt. Dass der Name Robert Holzmann jetzt schon ventiliert wurde, ist in der Nationalbank gestern nicht gerade mit rasender Begeisterung aufgenommen worden.