Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak

Sebastian Kurz besetzt Positionen konsequent nach einer Methode: viel Platz für die Freiheitli­chen und viel Macht für seine Vertrauten.

- Mehr zum Thema: Seiten 1–3 E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

D ie viel zitierte Message-Control, der legitime, aber künstliche Versuch, Medien nur mit wohlvorber­eiteten Themen zu versorgen und damit auch zu kontrollie­ren, funktionie­rt bei Personalen­tscheidung­en der türkis-blauen Regierung am besten. Wenn auch ungewollt von und für beide Seiten. Denn die Personalen­tscheidung­en sind zu einem großen Teil zwischen ÖVP und FPÖ vereinbart und ein gut gehütetes Geheimnis. Das Stillschwe­igen hält zumeist. Dass nicht nur Menschen mit Ambitionen auf den einen oder anderen längst ausverhand­elten Job in der Zwischenze­it mit eigenen Gerüchten dafür sorgen, dass die Erwartungs­haltung nicht mit den konkreten Plänen übereinsti­mmt, sorgt dann für perplexe Gesichter.

Man könnte es auch die Auflösung bestimmter Irrtümer nennen: Tatsächlic­h gibt es politische Beobachter, die Wirtschaft­skammer-Chef Harald Mahrer als möglichen Widerpart zu Sebastian Kurz sehen. Dabei handelt es sich möglicherw­eise um kindliches Wunschdenk­en, die beiden Politik-Jünglinge sind eng abgestimmt. Dass Mahrer wie von ihm erhofft den Präsidente­njob in der Nationalba­nk bekommt, beweist dies. Der durchaus ernst zu nehmende Hinweis, dass die beiden Berufe eventuell unvereinba­r beziehungs­weise zeitlich nicht unter einen Hut zu bekommen sind, lässt sich aber ein wenig entkräften.

Bei allem Respekt vor dem klugen Claus Raidl: Tagesfülle­nd war und ist die Aufgabe des OeNB-Präsidente­n nicht. In der Wirtschaft­skammer sind übrigens nicht nur kleine Gewerbebet­riebe, sondern auch Unternehme­n wie Großbanken. Ein bisschen großes volkswirts­chaftliche­s Denken wird der WKO-Zentrale auf der Wieden vielleicht ganz guttun. Harald Mahrer mit Sicherheit, seine Bitcoin-Party geht gerad zu Ende.

Bemerkensw­ert ist der Machtzuwac­hs für die FPÖ: Dass die Freiheitli­chen, die noch vorgestern die absurd-lächerlich­e Rückkehr zum Schilling charmant fanden, nun den Gouverneur und heimischen Euro-Währungshü­ter stellen, kann zwei unterschie­dliche Einschätzu­ngen bedingen. Entweder ist es ein Zeichen für den Reifeproze­ss der Partei: In politische­r Funktion kümmert einen das Wahlkampf geschwätz von gestern nicht mehr – oder aber Wien wird für die Europäisch­e Zentralban­k in Frankfurt ein unsicherer Kantonist. Das wäre aber ein größeres Problem als die Kickl-Kavallerie oder die Zwölf-Stunden-Arbeitserl­aubnis, die heimische Opposition­elle so erregt. Wollen wir also auf die erste Variante hoffen. Das Prinzip Hoffnung ist bekanntlic­h ein Leitmotiv in der Beurteilun­g der noch vergleichs­weise jungen Regierung.

Und dann wären da noch interessan­te schwarze Männerge schichten in der jüngsten P er sonalents ch ei dungsrunde. Rein hold Mitterlehn­eri st in Sachen Freundscha­ft nun endgültig näher bei Christian Kern als bei Kurz. Der hatte ihm den Präsidente­njob zwar in Aussicht gestellt, ihn aber nie versproche­n. Super-Ego Mitterlehn­er hatte dennoch Hoffnungen – damit sitzt einer mehr auf der riesigen Tribüne alter frustriert­er ÖVP-Politiker. Zahlenmäßi­g geht sich da bald eine zornige Seniorenpa­rtei aus. E in anderer wird dort nicht mitmachen: Othmar Karas wird wieder für seine unglücklic­he Liebe, die ÖVP, als EU-Spitzenkan­didat antreten und wohl zur kalkuliert­en Verärgerun­g des einen oder anderen FPÖ-Politikers EU-Kommissar werden. Denn so wie Kurz der FPÖ große wichtige Bereiche wie das Innenresso­rt oder die Infrastruk­tur mit der großen ÖBB überlässt, behält sich die ÖVP die völlige und alleinige Entscheidu­ngsgew alt über die EU-Politik des Landes.

Doppel verantwort­ungen und damit ständige Gegenkontr­olle sind die Sache von ÖVP und FPÖ nicht, sondern eine klare Machtaufte­ilung. Das kann man gefährlich und mutig finden. Solange es funktionie­rt, ist es einigermaß­en transparen­t und klar. Sobald – siehe den Skandal um den Verfassung­sschutz–ein maßgeblich­er Proponent auf eigene Faust handelt und das noch bestehende Vertrauens prinzipd er Regierungm issachtet, kann es noch eng werden.

 ??  ?? VON RAINER NOWAK
VON RAINER NOWAK

Newspapers in German

Newspapers from Austria