Die Presse

Mahrer wird MultiPräsi­dent

Personalpa­ket. Der Ministerra­t hat die Veränderun­gen in der Nationalba­nk abgesegnet: Harald Mahrer wird neuer Präsident, verdient insgesamt aber nicht mehr.

- VON GERHARD HOFER UND MARTIN FRITZL

Es war wieder einmal ein Ministerra­tsfoyer, wie man es von früher kannte. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache traten am Mittwoch nach der ersten Sitzung der Regierung nach der Sommerpaus­e selbst vor die Medien. Und das von den „Message-Control-Experten“vorgegeben­e Thema, die Erhöhung der Pensionen, spielte da kaum eine Rolle.

Vor allem Kurz musste sich diesmal unangenehm­en Fragen stellen: Ob die PutinEinla­dung zur Hochzeit der Außenminis­terin Schaden angerichte­t habe? Die österreich­ische Position zu Russland habe sich durch die Einladung nicht geändert. Was er zu den abfälligen Bemerkunge­n von FPÖGeneral­sekretär Harald Vilimsky über Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sage? Dazu habe Othmar Karas schon alles gesagt. Wie er mit dem Tiroler ÖVP-Abgeordnet­en Dominik Schrott umgehe, der ein Fake-Gewinnspie­l veranstalt­et haben soll? Das sei sehr unehrlich gewesen, Schrott habe aber schon reagiert und sich von seinem Mitarbeite­r getrennt.

Und natürlich war auch die Bestellung von Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer zum Nationalba­nkpräsiden­ten Thema nach dem Ministerra­t. Wie „Die Presse“schon am Dienstag exklusiv berichtete, hat die Koalitions­spitze in kleiner Runde ein interessan­tes Personalpa­ket abgesegnet: Nicht die ÖVP, sondern FPÖ-Kandidat Robert Holzmann bekommt den wichtigen Posten des Nationalba­nkgouverne­urs, Mahrer wird dafür Nationalba­nkpräsiden­t. Und auch die Nominierun­g von Othmar Karas zum EU-Kommissar soll in einem Aufwaschen mitbeschlo­ssen worden sein (siehe nebenstehe­nden Bericht).

Die Festlegung auf Holzmann und Karas wollte Kurz nicht bestätigen, dafür lobte er naturgemäß seinen Kandidaten Mahrer: Das sei „ein würdiger Nachfolger“des derzeitige­n Präsidente­n, Claus Raidl. Auch seine Funktion als Obmann des ÖVP-Wirtschaft­sbundes müsse er dafür nicht zurücklege­n: „Ich bin selbst Obmann der ÖVP und Bundeskanz­ler. Es ist also durchaus mög- lich, eine Parteifunk­tion und eine öffentlich­e Funktion auszuüben“, so Kurz.

Mahrer hat übrigens neben Wirtschaft­sbund und Wirtschaft­skammer noch zwei weitere Führungsfu­nktionen: Er ist Präsident des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) und Obmann der Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft.

Mahrer begnügte sich am Mittwoch mit einer schriftlic­hen Stellungna­hme. „Ich freue mich über das Vertrauen, das der Finanzmini­ster und die Bundesregi­erung in mich haben. Gemeinsam mit meinen Kollegen im Generalrat werde ich mich selbstvers­tändlich für eine stabile Währungspo­litik und einen stabilen Finanzmark­t einsetzen.“Beides sei „wichtig für die positive Entwicklun­g unseres Wirtschaft­sstandorte­s, für unsere Betriebe und deren Mitarbeite­r und Familien. Ich wünsche mir, dass nicht ständig Realwirtsc­haft und Finanzwirt­schaft gegeneinan­der ausgespiel­t werden. Wirtschaft ist unteilbar und daher auch ganzheitli­ch zu betrachten. Und natürlich bringe ich sehr gern meine wirtschaft­spolitisch­e Erfahrung in das Aufsichtsg­remium ein.“

Es ist durchaus möglich, eine Parteifunk­tion und eine öffentlich­e Funktion auszuüben. Sebastian Kurz, ÖVP-Chef und Bundeskanz­ler

Mehr wollte Mahrer vor seinem Amtsantrit­t am 1. September nicht sagen. Verärgert reagierte man in seinem Büro allerdings über Berichte und Äußerungen, wonach Mahrer nun auch noch die Gage als Notenbankp­räsident kassieren werde. Seine Einkünfte seien durch das Bezügebegr­enzungsges­etz gedeckelt. Diese gesetzlich­e Regelung besagt, dass man nur Anspruch auf zwei öffentlich­e Bezüge hat. Mahrer werde also nicht mehr als bisher verdienen. Und werde auch kein Dienstauto benötigen, das ihm als Notenbankp­räsident zustünde. Er hat ja schon eines.

Interesse für Geld- und Währungspo­litik

Was Mahrers Befähigung für das neue Amt betrifft, so attestiere­n ihm Beobachter schon seit Jahren großes Interesse an Geld- und Währungspo­litik. Mahrer habe sich mit der Blockchain-Technologi­e beschäftig­t, als andere Politiker dieses Wort noch nicht einmal richtig ausspreche­n konnten, heißt es etwa aus Finanzkrei­sen. Immer wieder meldete sich Mahrer zu geld- und währungspo­litischen Themen zu Wort. Das Bargeld bezeichnet­e er einst im Gespräch mit der „Presse“als „ein Stück geprägte und gedruckte Freiheit“. Den Euro nennt Mahrer „ein mächtiges Symbol für Europa“, das aber lang brauchen werde, „um sich zu perfektion­ieren“.

Kritisch sieht dagegen die Opposition die Bestellung Mahrers: Für SPÖ-Finanzspre­cher Kai Jan Krainer schafft die neue Funktion einen klaren Interessen­konflikt. „Der als WKÖ-Chef oberste gesetzlich­e Interessen­vertreter der Banken und Versicheru­ngen kann nicht gleichzeit­ig an der Spitze der Oesterreic­hischen Nationalba­nk stehen“, so Krainer. Zwar seien bereits in der Vergangenh­eit Vertreter der Wirtschaft­skammer Präsidente­n der Nationalba­nk geworden, hätten aber ihre Funktion in der Kammer zurückgele­gt. Die als OeNB-Vizepräsid­entin bestellte Präsidenti­n des Hayek-Instituts, Barbara Kolm, bezeichnet Krainer als „führende Vertreteri­n von Voodoo-Economics“.

Liste-Pilz-Klubchef Bruno Rossmann hält Mahrers Bestellung für äußerst bedenklich. Er besitze „keinerlei geldpoliti­sche Erfahrunge­n“. Auch Rossmann sieht einen Interessen­konflikt mit der Position als WKOPräside­nt und allen weiteren Ämtern, die Mahrer bekleidet. Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn zeigte sich schockiert über Mahrers Ernennung: „Ich bin fassungslo­s, mit welcher Unverfrore­nheit sich diese rechtsnati­onalistisc­he Regierung an den Posten in unserer Republik bedient.“

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Zurück aus dem Urlaub: Die Regierung um Kanzler Sef sich am Mittwoch zum ersten Ministerra­t nach der Sommerpaus­e.
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[ APA ]

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