Die Presse

Warum Karas Kommissar werden soll

Nominierun­g. Der ÖVP-Spitzenver­treter im Europaparl­ament spricht von einem „Gerücht“, aber seine Nennung folgt der machtstrat­egischen Logik des Kanzlers.

- VON THOMAS PRIOR UND WOLFGANG BÖHM [ Fabry ]

Ob diese Personalie nun Teil des Nationalba­nk pakets war oder nicht: Die Nachricht, wonach Othmar Karas Österreich­s nächster EU-Kommissar werden soll, hielt sich auch am Mittwoch hartnäckig. In Teilen der Regierung – vornehmlic­h den türkisen – heißt es ausdrückli­ch, dass es sich nicht bloß um ein Gerücht handle: Die Entscheidu­ng sei bereits gefallen. Karas selbst hatte in einer ersten Reaktion von einem „Gerücht“gesprochen, zeigte sich aber gleichzeit­ig erfreut, als Kommissar gehandelt zu werden. Er sei nicht informiert worden, sondern habe davon aus den Medien erfahren.

Aus der Sebastian-Kurz-Perspektiv­e betrachtet, wäre die Nominierun­g von Karas durchaus sinnvoll. Denn die ÖVP kann weder mit noch ohne ihren langjährig­en Delegation­sleiter im Europaparl­ament. Als Spitzenkan­didat bei der EU-Wahl im Frühjahr 2019 wäre Karas inhaltlich nicht mit der türkis-blauen Regierungs­linie kompatibel, vor allem nicht inder Flüchtling­spolitik, die er mehrfach kritisiert hat. Aber auch beim EU-Budget oder der Frage, ob die EU künftig Kompetenze­n abgeben oder in wichtigen Bereichen neue erhalten soll, waren sich Parteispit­ze und Karas uneins.

Entscheide­t sich die Parteiführ­ung um Kurz jedoch fü reinen anderen Spitzenkan­di daten, trittKaras beider EU-Wahl im Frühjahr womöglich mit einer eigenen Liste oder gar für die Neos an (mit Irmgard Griss, zu der Karas einen guten Draht hat, soll es bereits mehrere Treffen gegeben haben). Das würde die ÖVP Stimmen und möglicherw­eise auch Platz eins kosten – Karas hat die jüngste Europawahl für seine Partei deutlich gewonnen. Und deshalb soll er nun mit dem Posten des EU-Kommissars besänftigt werden.

Offen ist, ob der Koalitions­partner dies erÖVP- Wunschvors­tellung seinen Sanktus erteilt hat. Mit derFPÖbe findet sich OthmarKara­s nämlich in einem Dauerkonfl­ikt. Zuletzt hatte er seine nEU- Parlaments kollegen HaraldVili­msky für dessen Angriffe gegen Kommiss ions präsident Jean-Claude Juncker öffentlich gerügt.

Dementspre­chend zurückhalt­end reagierte Vilimsky am Mittwoch auf die jüngste Nachricht: „Bevor der Wähler am Wort war, kann man meines Erachtens gar nichts sagen.“Auch FPÖ-Regierungs­koor- dinator Norbert Hofer wollte den kolportier­ten Deal – Karas wird EU-Kommissar, dafür geht der Nationalba­nk-Gouverneur an die Freiheitli­chen – nicht bestätigen: „Ich würde keinen Zusammenha­ng herstellen.“Ob Karas prinzipiel­l für den EUKommissa­rsjob geeignet wäre? Er habe dazu keine Meinung, so Hofer.

Trotzdem Spitzenkan­didat?

Karas will sich einstweile­n für die Europawahl noch nicht aus dem Rennen nehmen. „Eine Spitzenkan­didatur und ein Kommissars­posten schließen sich nicht aus“, heißt es aus seinem Büro. Schon in der Vergangenh­eit waren EU-Abgeordnet­e später Kommissare geworden – etwa die derzeitige Digitalkom­missarin, Marya Gabriel.

Seit der vergangene­n Europawahl wird sogar der Posten des Kommission­spräsident­en durch die Europawahl mit entschiede­n. Karas hat stets betont, dass er bei der Wahl im Mai antreten wolle – entweder für die ÖVP oder mit einer eigenen Liste. Dass er eine große Anhängersc­haft hat, bewies er 2009, als ihm bei der EUWahl Ernst Straßer als Spitzenkan­didat der Volksparte­i vorgesetzt wurde. Damals bekam er 113.000 Vorzugssti­mmen, mehr als alle anderen Kandidaten bisher.

Irritation­en hat die Ankündigun­g, dass Karas bereits als nächster EU-Kommissar feststehe, auch beim amtierende­n österreich­ischen Kommissar ausgelöst. Johannes Hahn, der einst als Wiener ÖVP-Parteichef die Karriere von Sebastian Kurz befördert hatte und mit diesem ein gutes Verhältnis pflegt, würde gerne eine weitere Periode in Brüssel bleiben. Offiziell heißt es zwar, er habe sich noch nicht entschiede­n, aber zuletzt ließ er durchkling­en, dass er durchaus mit einer weiteren Amtszeit rechne. Als erfahrener Kommissar hätte Hahn zudem gute Chancen, in der nächsten Kommission zu einem der Vizepräsid­enten aufzusteig­en. Hahn, der sich als Kommissar für Nachbarsch­aftspoliti­k um eine Lösung der Flüchtling­skrise bemüht hatte, könnte aber nun zum Opfer innerparte­ilicher Taktik werden.

Falls denn tatsächlic­h alles so kommt, denn Kurz hat ja schon mehrfach Posten in Aussicht gestellt und dann anders vergeben: Die offizielle Nominierun­g des nächsten Kommissars wird erst nach der Europawahl – etwa in einem Jahr – dem künftigen Kommission­spräsident­en mitgeteilt.

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Othmar Karas, der nächste EU-Kommissar?

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