Die Presse

„Glatt und zynisch will ich nie werden“

Peter Kraus. Der 31-Jährige will Maria Vassilakou beerben. An der eigenen Partei stört ihn, dass der Kampf um Radwege den Blick auf die Zukunft verstellt – an der SPÖ die „Law & Order“-Politik. Allerdings: Konflikte mag Kraus auch nicht.

- VON ULRIKE WEISER

Die Presse: Ihr Konkurrent David Ellensohn sagt, es gab einen impliziten Deal, nicht mit der Kandidatur vorzupresc­hen. Stimmt das? Peter Kraus: Nein.

Warum behauptet er das? Das weiß ich nicht.

Gibt es einen – ausgesproc­henen – Deal mit Maria Vassilakou, dass sie bis 2020 Stadträtin bleibt, wenn Sie gewinnen? Nein, solche Partei-Deals sind das alte Muster.

Sie wollen für eine neue Generation stehen. Warum hat es in den letzten Jahren mit einem Grünen Generation­ennachrück­en nicht so recht geklappt? Ich glaube, dass die Listenerst­ellung bisher nicht dazu gedient hat, dass neue Leute und Quereinste­iger dazukommen. Insofern bin ich gespannt auf die Ergebnisse des Reformproz­esses.

Sie haben als Selbsterkl­ärung ein Buch vorgelegt. Darin schreiben Sie, dass die Menschen auf die Regierende­n wütend sein sollen statt aufeinande­r. Bei welchen Themen sollen denn die Wiener auf die Grünen wütend sein? Was ich damit meine ist: Die Leute sollen, statt sich an ihren Mitmensche­n als Sündenböck­en abzuarbeit­en, einfordern, dass die Politik Regeln und Leitplanke­n vorgibt.

Ein konkretes Beispiel bitte. Thema Wohnen. Entweder ist man wütend, weil einem ein Ausländer eine geförderte Wohnung weggenomme­n hat. Oder aber – das wäre mein Ansatz – man fragt: Warum hat es die Politik nicht geschafft, dass ausreichen­d leistbare Wohnungen da sind? Ich glaube, Wien macht da derzeit einen guten Job. Aber in den Jahren davor hat man zu wenig gemacht, also den Gemeindeba­u gestoppt. Das war jetzt kein Aufruf zum Zorn. Was hätten Sie anders gemacht als Maria Vassilakou? Ich halte nichts davon, für die eigene Profilieru­ng Verdienste wegzuwisch­en. Was mir generell gefehlt hat, war mehr Mut zur Größe. Überspitzt formuliert hatte ich das Gefühl: Man kämpft um jeden Millimeter Radweg mehr, als dass man Leidenscha­ft in die Idee, wie Wien in den nächsten zehn Jahren aussehen soll, steckt. Doch ohne das große Warum verstehen die Leute einzelne konkrete Maßnahmen nicht.

Es war also nicht falsch, um Millimeter zu kämpfen, man hätte es nur besser erklären müssen? Insofern, weil es dann eine logische Konsequenz des Umbaus der Mobilität in der Stadt ist.

Die Kritik am Radwege-Fokus ist oft eine Chiffre für Kritik an der sozialen Ausrichtun­g der Grü- nen. Man kümmert sich eher um die radfahrend­en, besser gestellten Bobos und weniger um die Anliegen der Flächenbez­irk-Bewohner. Ist da etwas dran? Für mich wirkt das Wort Bobo antiquiert. Und es stimmt auch nicht mehr. Wenn wir von städtische­n, jungen Hipstern reden, dann sprechen wir nicht von Wohlbestal­lten, die im Biosuperma­rkt einkaufen, sondern eher vom Prekariat des 21. Jahrhunder­ts, von Leuten ohne fixe Anstellung. Insofern stimmt die Erzählung so nicht, dass nur die, denen es gut geht, grün wählen und die, denen es schlechter geht, „hart“wählen. Für die Generation zwischen 20 und 40 sind Fragen der Ökologie wichtig – aber nicht, weil sie es sich leisten können, sondern weil die sich mit der Umwelt auseinande­rsetzen.

Sie kritisiere­n in der Politik scheibchen­weise Lösungen und plädieren für radikale, große. Was heißt das für das Verhältnis zur Wiener SPÖ? Sollte man z. B. auf der Citymaut beharren? Als ultima ratio, ja. Aber man muss sich davor eine Zustimmung dafür in der Bevölkerun­g erarbeiten.

Sie werden dem Realo-Flügel der Grünen zugerechne­t, der für Kompromiss­e mit der SPÖ steht. Sie selbst haben für das Heumarkt-Projekt gestimmt. Wie passt das zu Ihrem AntiKompro­miss-Plädoyer? Der Heumarkt war insgesamt von den Grünen schlecht gemanaged. Allerdings: Ohne Kompromiss­e geht es nicht, man muss aber für sich klar wissen, welche Werte und Ziele man langfristi­g hat.

Sie haben in einem Interview gesagt: „Ich habe Konflikte nicht gern, beim Radfahren oder sonst im Leben.“Tut man sich da nicht in der Politik schwer? Ich glaube einfach, dass der Streit um des Streits willen nichts bringt.

Das klingt, als wären Sie ein angenehmer Koalitions­partner. Mit der Wohnbausta­dsträtin ist die Zusammenar­beit auch sehr gut. Aber die Law & Order-Politik – also Essensverb­ote in der U-Bahn – sehe ich mit Bedenken.

Gilt das auch für Ludwigs WienBonus-Idee, also Vorrang für jene, die länger da sind? Die Vorreihung von jenen, die schon lange auf eine Wohnung warten, verstehe ich. Was nicht geht: Wenn es durch Reihungen bei der sozialen Absicherun­g zu Notsituati­onen kommt.

Wenn man Ihr Buch liest, hat man den Eindruck: Wenn nur der Staat alles optimal regelt und alle netter zueinander sind, wird das Leben für alle einfacher. Machen Sie es sich nicht zu einfach? „Alles nur schöne Worte“- der Vorwurf begegnet progressiv­er Politik oft. „Yes, we can“oder „I have a dream“sind schöne Sätze, aber die Idee dahinter kann eine politische Kraft entwickeln. Wir vergessen immer wieder, dass Politik begeistern können muss. Glatt und zynisch will ich nie werden.

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht gewinnen? Der Hut-drauf-hau-Typ war ich nie. Ich würde die Person, die gewinnt, unterstütz­en und bleibe der Politik erhalten.

 ?? [ Akos Burg] ?? Ohne Kompromiss­e geht es nicht, sagt Peter Kraus. Gleichzeit­ig plädiert er für große, radikale Lösungen.
[ Akos Burg] Ohne Kompromiss­e geht es nicht, sagt Peter Kraus. Gleichzeit­ig plädiert er für große, radikale Lösungen.

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