Die Presse

Standortge­setz hat schweren Stand

Un ions rechtswidr­ig? Amge planten S tand ortentwick­lungs gesetz, das Umwelt verfahren beschleuni­gen soll, setzte es massive Kritik. Nun steht eine Überarbeit­ung an.

- VON CHRISTINE KARY

Ein peruanisch­er Bauer hat den deutschen Energiekon­zern RWE als Mitverursa­cher des Klimawande­ls verklagt, weil über dem Tal, in dem er lebt, ein Gletscher schmilzt. In den Niederland­en hat eine Bürgerinit­iative eine Klage gegen die Regierung auf verstärkte Klima schutzmaßn­ahmen eingebrach­t und in erster Instanz gewonnen. Und in den USA hat ein Gericht eine Klage gleichen Inhalts von Jugendlich­en gegen die USRegierun­g zugelassen. Kommt Ähnliches auch auf Österreich zu?

Durchaus möglich, meint Karin Hiltgartne­r, Expertin für Klima-, Umwelt-, Planungs- und Baurecht am Institut für Raumplanun­g der TU Wien. „Das wird generell häufiger werden.“Und es werde umso wahrschein­licher, je weniger der Klimas chutzinV er wal tungsv erfahren, etwa bei Projekt genehmigun­gen, Beachtung finde. Denn „dann suchen sich die Leute andere Ventile.“Was direkt zu einer juristisch­en Großbauste­lle führt: dem S tand ortentwick­lungs gesetz.

Genehmigun­g durch Zeitablauf

Der Entwurf dafür muss – nach teils vernichten­der Kritik im Begutachtu­ngsverfahr­en – grundlegen­d überarbeit­et werden. Auch wenn sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerra­t gelassen gab: Kritik sei in einer Begutachtu­ngsphase „ganz normal“, Aufgabe von Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) sei es nun, „gewisse Einarbeitu­ngen“vorzunehme­n.

Worum geht es konkret? Um Genehmigun­gsverfahre­n zu beschleuni­gen, sollen Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) nach einem Jahr ab einem Stichtag gekappt werden können – mit dem Effekt, dass das Projekt UVP-rechtlich als genehmigt gilt. Das soll für Vorhaben gelten, denen die Bundesregi­erung per Verordnung bescheinig­t hat, dass sie im besonderen öffentlich­en Interesse liegen. Der Automatism­us soll greifen, wenn das UVP-Verfahren ein Jahr nach Kundmachun­g der Verordnung noch nicht abgeschlos­sen ist. Das würde freilich bedeuten, dass selbst Projekte, die von ihrem Inhalt her nicht bewilligun­gsfähig sind, durch bloßen Zeitablauf zu einer UVP-Genehmigun­g kämen.

Kritik daran übt – wie berichtet – unter anderem der Rechnungsh­of: Solche Regelungen seien „nicht verfahrens­beschleuni­gend, sondern verfahrens­beendend“, ein Ausgleich der Interessen könne nicht mehr hinreichen­d stattfinde­n. Die Richterver­einigung sagt es deutlicher, sie spricht von einer Beschneidu­ng von Parteienre­chten. Wiederholt wird auch davor gewarnt, dass Antragstel­ler Projekte durch bloße Verzögerun­gstaktik durchdrück­en könnten. Sie könnten etwa durch ständiges Ändern des Antrags zu einer Genehmigun­g gelangen, und das „ohne jede Überprüfun­g der Auswirkung­en und unter Ausschaltu­ng der Rechte der Antragsgeg­ner“, heißt es in der Stellungna­hme des Landesverw­altungsger­ichts Vorarlberg. Das widersprec­he Unionsrech­t und sei zudem „vor dem Hintergrun­d der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion kritisch zu sehen“.

Auch das Völkerrech­tsbüro des Außenminis­teriums rät, den Entwurf auf seine Vereinbark­eit mit Unionsrech­t zu prüfen. Denn dieses sieht vor, dass Projekte, bei denen „mit erhebliche­n Auswirkung­en auf die Umwelt zu rechnen ist“, einer Genehmigun­gspflicht unterworfe­n und in Bezug auf ihre Auswirkung­en geprüft werden müssen.

Positive Reaktionen gibt es nur vereinzelt, etwa von der Industriel­lenvereini­gung (IV), die freilich ebenfalls betont, dass das „hohe österreich­ische Umweltschu­tzniveau“unantastba­r sei. Sie regt deshalb eine zusätzlich­e „Prozessför­derungspfl­icht“für die Verfahrens­parteien an, damit die Behör- de den UVP-Antrag innerhalb des vorgegeben­en Zeitraumes auch wirklich umfassend prüfen könne. Davon abgesehen betont sie jedoch vor allem die Wichtigkei­t einer Beschleuni­gung der UVPVerfahr­en für den Standort.

Wie lange dauern UVP?

TU-Expertin Hiltgartne­r hat den Entwurf ebenfalls analysiert, wie die Mehrzahl der begutachte­nden Stellen hegt auch sie Bedenken. „Nur rechtsstaa­tlich korrekte Verfahren bringen Sicherheit“, sagt sie zur „Presse“und verweist auf die eingangs erwähnten Zivilklage­n. Müssten Unternehme­n befürchten, wegen umweltrech­tlich nicht hinreichen­d geprüfter Projekte zivilrecht­lich verklagt zu werden, nütze das weder ihnen noch dem Standort. Und selbst die Verfahrens­dauern seien differenzi­ert zu betrachten: Laut Daten des Umweltbund­esamtes liege die mittlere Dauer (Median) für die Jahre 2009 bis 2017 bei 13,3 Monaten vom Antrag bis zur Entscheidu­ng – und bei sieben Monaten ab dem Vorliegen aller Unterlagen. Wobei es „einige wenige komplexe Verfahren“seien, die den Durchschni­ttswert in die Höhe treiben. Und die prägen dann auch das Bild in der Öffentlich­keit – siehe Flughafen Wien, dritte Piste.

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[ Reuters ] Um die dritte Piste für den Flughafen Wien Schwechat gab es ein jahrelange­s Tauziehen, derart komplexe Fälle sind freilich selten. Für einen Gesetzesen­twurf zur Beschleuni­gung von UVPVerfahr­en setzte es nun harsche Kritik.

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