Standortgesetz hat schweren Stand
Un ions rechtswidrig? Amge planten S tand ortentwicklungs gesetz, das Umwelt verfahren beschleunigen soll, setzte es massive Kritik. Nun steht eine Überarbeitung an.
Ein peruanischer Bauer hat den deutschen Energiekonzern RWE als Mitverursacher des Klimawandels verklagt, weil über dem Tal, in dem er lebt, ein Gletscher schmilzt. In den Niederlanden hat eine Bürgerinitiative eine Klage gegen die Regierung auf verstärkte Klima schutzmaßnahmen eingebracht und in erster Instanz gewonnen. Und in den USA hat ein Gericht eine Klage gleichen Inhalts von Jugendlichen gegen die USRegierung zugelassen. Kommt Ähnliches auch auf Österreich zu?
Durchaus möglich, meint Karin Hiltgartner, Expertin für Klima-, Umwelt-, Planungs- und Baurecht am Institut für Raumplanung der TU Wien. „Das wird generell häufiger werden.“Und es werde umso wahrscheinlicher, je weniger der Klimas chutzinV er wal tungsv erfahren, etwa bei Projekt genehmigungen, Beachtung finde. Denn „dann suchen sich die Leute andere Ventile.“Was direkt zu einer juristischen Großbaustelle führt: dem S tand ortentwicklungs gesetz.
Genehmigung durch Zeitablauf
Der Entwurf dafür muss – nach teils vernichtender Kritik im Begutachtungsverfahren – grundlegend überarbeitet werden. Auch wenn sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat gelassen gab: Kritik sei in einer Begutachtungsphase „ganz normal“, Aufgabe von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sei es nun, „gewisse Einarbeitungen“vorzunehmen.
Worum geht es konkret? Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) nach einem Jahr ab einem Stichtag gekappt werden können – mit dem Effekt, dass das Projekt UVP-rechtlich als genehmigt gilt. Das soll für Vorhaben gelten, denen die Bundesregierung per Verordnung bescheinigt hat, dass sie im besonderen öffentlichen Interesse liegen. Der Automatismus soll greifen, wenn das UVP-Verfahren ein Jahr nach Kundmachung der Verordnung noch nicht abgeschlossen ist. Das würde freilich bedeuten, dass selbst Projekte, die von ihrem Inhalt her nicht bewilligungsfähig sind, durch bloßen Zeitablauf zu einer UVP-Genehmigung kämen.
Kritik daran übt – wie berichtet – unter anderem der Rechnungshof: Solche Regelungen seien „nicht verfahrensbeschleunigend, sondern verfahrensbeendend“, ein Ausgleich der Interessen könne nicht mehr hinreichend stattfinden. Die Richtervereinigung sagt es deutlicher, sie spricht von einer Beschneidung von Parteienrechten. Wiederholt wird auch davor gewarnt, dass Antragsteller Projekte durch bloße Verzögerungstaktik durchdrücken könnten. Sie könnten etwa durch ständiges Ändern des Antrags zu einer Genehmigung gelangen, und das „ohne jede Überprüfung der Auswirkungen und unter Ausschaltung der Rechte der Antragsgegner“, heißt es in der Stellungnahme des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg. Das widerspreche Unionsrecht und sei zudem „vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention kritisch zu sehen“.
Auch das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums rät, den Entwurf auf seine Vereinbarkeit mit Unionsrecht zu prüfen. Denn dieses sieht vor, dass Projekte, bei denen „mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist“, einer Genehmigungspflicht unterworfen und in Bezug auf ihre Auswirkungen geprüft werden müssen.
Positive Reaktionen gibt es nur vereinzelt, etwa von der Industriellenvereinigung (IV), die freilich ebenfalls betont, dass das „hohe österreichische Umweltschutzniveau“unantastbar sei. Sie regt deshalb eine zusätzliche „Prozessförderungspflicht“für die Verfahrensparteien an, damit die Behör- de den UVP-Antrag innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes auch wirklich umfassend prüfen könne. Davon abgesehen betont sie jedoch vor allem die Wichtigkeit einer Beschleunigung der UVPVerfahren für den Standort.
Wie lange dauern UVP?
TU-Expertin Hiltgartner hat den Entwurf ebenfalls analysiert, wie die Mehrzahl der begutachtenden Stellen hegt auch sie Bedenken. „Nur rechtsstaatlich korrekte Verfahren bringen Sicherheit“, sagt sie zur „Presse“und verweist auf die eingangs erwähnten Zivilklagen. Müssten Unternehmen befürchten, wegen umweltrechtlich nicht hinreichend geprüfter Projekte zivilrechtlich verklagt zu werden, nütze das weder ihnen noch dem Standort. Und selbst die Verfahrensdauern seien differenziert zu betrachten: Laut Daten des Umweltbundesamtes liege die mittlere Dauer (Median) für die Jahre 2009 bis 2017 bei 13,3 Monaten vom Antrag bis zur Entscheidung – und bei sieben Monaten ab dem Vorliegen aller Unterlagen. Wobei es „einige wenige komplexe Verfahren“seien, die den Durchschnittswert in die Höhe treiben. Und die prägen dann auch das Bild in der Öffentlichkeit – siehe Flughafen Wien, dritte Piste.