Die Presse

Lässt die Fed die Zinszügel schleifen?

Der Währungsve­rfall in Schwellenl­ändern und die Konjunktur­abkühlung in Europa dürften die Vorgangswe­ise der US-Notenbank mehr beeinfluss­en als Attacken des US-Präsidente­n.

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Einmal, zweimal, viermal – oder gar nicht? Nach der schweren Attacke auf die US-Notenbank Fed durch US-Präsident Donald Trump, der sich in einem Interview mit der Nachrichte­nagentur Reuters dezidiert gegen Zinserhöhu­ngen aussprach, darf über den weiteren geldpoliti­schen Kurs der Fed spekuliert werden.

Der Präsident und CEO der Federal Reserve Bank of Dallas, Robert Kaplan, macht jedenfalls kein Hehl daraus, was er von Trumps Meinung hält. Kaplan rechnet mit drei bis vier weiteren Zinsanhebu­ngen. Die Zentralban­k sollte angesichts von Vollbeschä­ftigung und einer Inflation auf der Zielgerade­n mit ihrem Vorhaben weiterer behutsamer Zinserhöhu­ngen in den nächsten neun bis zwölf Monaten voranschre­iten, schreibt Kaplan in einem am Dienstag veröffentl­ichten Essay.

Sobald ein neutrales Niveau erreicht sei, könnte die Fed mit der Anhebung der Leitzinsen aufhören und darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun sei, heißt es im Essay weiter. Als neutrales Zinsniveau, bei dem die Konjunktur weder angeschobe­n noch gebremst würde, erachtet Kaplan eines zwischen 2,5 und 2,75 Prozent.

Derzeit liegt das Zinsniveau in den USA bei 1,75 bis zwei Prozent. Die Fed hat allein in diesem Jahr schon zweimal den Leitzins angehoben. Mit zumindest einem, wenn nicht zwei Schritten noch heuer wird an den Börsen gerechnet, weil die US-Wirtschaft heiß läuft. Die Inflation ist so hoch wie seit sechs Jahren nicht und die Arbeitslos­igkeit so gering wie seit rund 20 Jahren – eben auch dank Trumps radikaler Steuerrefo­rm. Schon im September, bei der nächsten Fed-Sitzung, könnte es so weit sein.

Auch wenn Kaplan seine Äußerungen nicht als Replik auf Trump verstanden wissen will: Er unterstrei­cht die Ansicht der Fed, dass Zinserhöhu­ngen die „beste Chance geben, Ungleichge­wichte zu handhaben und die wirtschaft­liche Expansion in den USA auszuweite­n“.

Kaplans Kollege Raphael Bostic, der Fed-Chef von Atlanta, hat am Montag (noch vor Trumps Äußerung) gemeint, er rechne ungeachtet des Handelsstr­eits mit China und der EU und des Verfalls der türkischen Währung heuer noch mit einer weiteren Zinserhöhu­ng. Bostic, der stimmberec­htigtes Mitglied in dem über die Zinsen entscheide­nden Offenmarkt­ausschuss der Fed ist, räumte allerdings ein, dass die US-Währungshü­ter vom raschen Absturz der türkischen Lira überrascht worden seien. „Das ist definitiv etwas, worüber wir besorgt sind“, sagte er.

Die Fed bekommt also auch von globalen Entwicklun­gen Gegenwind: Die Lira-Krise hat die Verwundbar­keit mancher Schwellenl­änder in den Fokus gerückt, in denen die Verschuldu­ng in Dollar hoch ist. Das ist etwa auch in Argentinie­n der Fall, wo der Peso stark unter Druck gekommen ist. Weiter steigende US-Zinsen würden den Druck auf diese Länder erhöhen, sollte der Dollar weiter an Wert gewinnen. Damit würde sich der Schuldendi­enst verteuern. Ein starker Dollar würde freilich auch die US-Exporteure und damit die gesamte US-Wirtschaft bremsen.

Sollte die Europäisch­e Zentralban­k angesichts einer Konjunktur­abkühlung in Europa die ohnedies erst 2019 erwartete Zinsanhebu­ng weiter nach hinten schieben, würde die Zinsschere zwischen den USA und Europa noch weiter aufgehen. Möglicherw­eise lässt der von Trump ernannte Fed-Präsident Jerome Powell angesichts dieses unsicheren Umfelds die geldpoliti­schen Zügel ohnedies wieder schleifen – ohne auf Zurufe aus dem Weißen Haus angewiesen zu sein. (eid/ag)

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[ Reuters ]
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