Mahlers Neunte, eigenwillig und wenig bewegend
Salzburger Festspiele: Der zweite Abend des London Symphony Orchestra enttäuschte.
Mit dieser Enttäuschung hatte wohl niemand gerechnet. War es der späte Beginn dieses Konzerts, verbunden mit der Hitze des Tages, der bei den Musikern des London Symphony Orchestra zu diesem Leistungsabfall gegenüber ihrem ersten Salzburger Abend führte? Jedenfalls ließen sie in den ersten beiden Sätzen von Mahlers Neunter Symphonie oft die nötige Konzentration und Präzision vermissen, blieben auch klanglich weitgehend unter den Erwartungen.
Offenbar konnte ihnen ihr Musikdirektor Simon Rattle seinen Zugang zu diesem Werk, mit dem er mit verschiedenen Orchestern, darunter den Wiener Philharmonikern, stets Erfolg hatte, nicht deutlich genug vermitteln. Hauptsächlich seine eigenwilligen, oft abrupt wirkenden Tempowechsel stellten die Musiker vor Herausforderungen, die sie nur unterschiedlich bewältigten. Vor allem in der ersten Hälfte wurde man das Gefühl nicht los, dass Dirigent und Orchester von dieser D-Dur-Symphonie unterschiedliche Auffassungen haben.
Totentanz oder Walzerseligkeit?
Überhaupt schien Rattle an diesem Abend nicht zu einem einheitlichen Konzept für Mahlers Neunte zu finden. Wollte er mit seiner sich in Einzelheiten verbeißenden, von hektischer Unruhe angetriebenen Darstellung des Stirnsatzes zeigen, dass sich eine scheinbar unzusammenhängende Vielfalt schließlich doch zu einem schlüssigen Bogen zusammenführen lässt? Dann hätte er mehr die große Linie herausarbeiten, intensiver in die Tiefe dieses Andante comodo gehen müssen. Aufgesetzt wirkte die Ländler-Atmosphäre des zweiten Satzes, unentschieden war die Deutung seiner Walzerepisode. Kokettiert Mahler hier mit einem Totentanz, oder ist es eine Persiflage auf wienerische Walzerseligkeit? Rattle schien sich dafür nicht weiter zu interessieren.
Impulsiv stürzte er sich mit seinen Musikern in den dritten Satz, ein Rondo, das wiederholt neue Atmosphären ansteuert. Doch zügige Tempi und kräftige dynamische Akzente allein genügen nicht, um diese Vielfalt plausibel auszubreiten. Noch dazu, wenn die melodischen Linien und rhythmischen Strukturen zu verwaschen erklingen.
Und das finale, sonst so unmittelbar bewegende Des-Dur-Adagio? Rattle setzte auf ausführliche Tempi, bemühte sich um natürliche wie plastische Zeichnung des melodischen Lineaments, blieb aber emotional distanziert. Die Abschiedswehmut, die diesen Satz auszeichnet, blieb damit nur angedeutet.