Von Schlager, Dorf und Kirche
Wachau. Seit dem Vorjahr leitet Otto Lechner Kunst in der Kartause. Das Festival führt ihn in seine Heimat – und spiegelt seine musikalische Biografie.
Eigentlich, findet Otto Lechner, könnte man gut ein Fragezeichen hinter den Festivaltitel setzen. Kunst in der Kartause? In der man eigentlich nur schweigen und beten soll? „Darüber könnte man super Diskussionen führen.“Man kann es aber auch einfach als Gegebenheit nehmen, dass Gerhard Gensch, damals hauptberuflich an der Donauuni Krems tätig, 2011 beschloss, das ehemalige Kartäuserkloster zwischen Spitz und Melk einmal im Jahr zu beleben.
Inzwischen ist Gensch in Pension und zurück in seiner Heimat Deutschland, und Otto Lechner hat im Vorjahr seine Nachfolge angetreten. Eine Entscheidung, die sich der renommierte Akkordeonspieler nicht leicht gemacht hat, ist es doch eine Rückkehr in die Heimat. „Mein Vater kommt aus Aggsbach, ich bin in der Gegend aufgewachsen, hatte hier meine ersten Auftritte als Kinderstar. Es ist schon so, dass ich mir schwer damit tu, dass mich die Leute von Kind auf kennen.“
Lechners Eltern hatten in Gansbach ein Transportunternehmen, das der Sohn hätte übernehmen sollen, hätte es seine Augenerkrankung nicht unmöglich gemacht. Als er mit drei ein Kinderakkordeon bekam, begann er, sich das Spielen beizubringen. Mit vier trat er erstmals im Wirtshaus auf. „Musik war für mich natürlich auch ein Mittel, um mich gesellschaftlich zu integrieren. Das funktioniert in so einem Dorf schon: Wenn du ein paar Lieder spielen kannst, wirst du von allen Generationen beachtet.“
Sein Genre war zunächst das Ortsübliche. „Wenn man musikalisch begabt ist, nimmt man, was man vorfindet. In meinem Fall war das nicht viel: Ich habe mich die ersten Jahre im Grunde nur von Schlagermusik ernährt.“Das sei, kokettiert er, „wahrscheinlich der einzige Bereich, wo ich eine gewisse Expertise vorzuweisen habe. Alles andere habe ich mir erst später erhört.“Ohne akademische Ausbildung geblieben, ist er bis heute „Verfechter einer Musik, die zugänglich ist, ohne das es einer großen Bildung bedarf. Da bin ich schon noch immer recht Landmensch.“
Als frommes Kind spielte er bald auch aushilfsweise in der Kirche Orgel, „aber ich habe die Lieder nie gut können und oft Passagen verwechselt“. Eine Dame aus dem Kirchenchor habe ihm daher stets laut ins Ohr gesungen, „das hat geholfen, war aber auch unglaublich anstrengend“. Nichtsdestotrotz habe die Liturgie sein Verständnis von Dramaturgie geprägt. „Zuerst muss man büßen, dann die Predigt anhören, dann wird gefeiert.“
Als künstlerischer Leiter des Kartausen-Festivals findet sich Lechner nunmehr in einer Doppelrolle wieder – beaufsichtigt er als Intendant doch auch sich selbst als Musiker, der bei den meisten Konzerten mitspielt.
wuchs in Gansbach im Dunkelsteinerwald auf. Seit 2017 leitet der Akkordeonspieler das Festival „Kunst in der Kartause“im benachbarten Aggsbach. Es beginnt am 30. August mit einem Eröffnungsritual im Meditationsgarten und spannt bis 2. September einen Bogen von Tanz- und Kirchenmusik „bis zur Öffnung für die weite Welt und verschiedene Genres“. Ziel sei, „mit dem Rahmen, den ich hab, mit Würde und Witz etwas gegen den gesellschaftlichen Klimawandel zu unternehmen“. Wie? Vor allem durch die Persönlichkeiten der Musiker, sagt Lechner. „Im Lauf der Jahre hat sich in meinem Umfeld eine bestimmte Art der Musizierkultur entwickelt, die lebendig und weltoffen ist, die quer durch die Jahrhunderte und Stile geht.“Etwas, das immer mehr unter die Räder komme, „weil sich jeder nur noch das hineinzieht, was ihm gefällt, und nix anderes mehr wahrnimmt“.
Konzept habe er freilich keines. „Ich zeige einfach, wofür ich mich interessiere und was ich alles mach.“Langjährige musikalische Lebensgefährten wirken ebenso mit wie Musiker, die er auf seinen vielen Reisen kennengelernt hat. Wie die niederländische Stepptänzerin Marije Nie, die gemeinsam mit einem Organisten improvisiert, oder die Kalifornierin Pamelia Stickney am Theremin, einem 1920 erfundenen elektronischen Musikinstrument, das berührungslos gespielt wird.
Dazu gibt es etwa eine musikalische Wanderung. Start: Beim neuen Falco-Denkmal in Gansbach (wo Falcos Vater, Alois Hölzel, lebt). Falco, erzählt Lechner, war für ihn insofern prägend, als er ihm aufzeigte, dass Pop nicht sein Weg sein würde. „Ich war 16, als , Der Kommissar‘ herauskam. Mir war klar, dass das eine Revolution ist – und dass ich das nicht kann.“
Zurück zu seinen Wurzeln begibt er sich mit Kunst in der Kartause dennoch. Mit Klaus Trabitsch und Peter Rosmanith als Los Gringos spielt er ein Tanzprogramm mit allem, was man in den Achtzigern „vom ,Schneewalzer‘ über ,La Paloma‘ bis ,Smoke on The Water‘ können musste“.