In Genua sieht man die tödlichen Folgen des Öko-Wahns
Jahrelang blockierten Linkspopulisten den Bau einer Umfahrungsstraße. Deshalb konnte die einsturzgefährdete Brücke nicht durch eine neue ersetzt werden.
Als am frühen Morgen des 1. August 1976, einem Sonntag, die Wiener Reichsbrücke einstürzte, war zuerst von einem Sprengstoffanschlag die Rede. Ähnliche Gerüchte kursierten im Internet nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua am Vormittag des 14. August. In Wirklichkeit war beim Bau der Reichsbrücke minderwertiger Beton verwendet worden, und die Brücke in Genua war eine Fehlkonstruktion – über deren Schwächen man allerdings Bescheid wusste. Politische Verantwortungslosigkeit und Korruption, Überregulierung bei gleichzeitigem Kontrollversagen gegenüber einer privaten Betreibergesellschaft sowie die Blockierung eines neuen Autobahnrings durch linksgrüne Populisten trugen zu der Katastrophe bei, bei der 43 Menschen ums Leben kamen. Die Untersuchungen sind noch im Gange. Als wahrscheinlichste Ursache gilt die in der salzhaltigen Meeresluft unerwartet rasch vorangeschrittene Korrosion eines betonummantelten Stahlträgers an Pfeiler 9.
Riccardo Morandis Schrägseilkonstruktion, die in den Sechzigerjahren mit einer experimentellen Technik errichtet wurde, war die am strengsten überwachte Autobahnbrücke Italiens. Längst waren die Kosten, die der Betreibergesellschaft für Reparaturen und Wartungsarbeiten erwuchsen, höher als die für einen Neubau veranschlagten Baukosten. Die Brücke ist Teil der A10, der wichtigsten Straßenverbindung zwischen Ligurien und der Coteˆ d’Azur.
Genua ist ein Nadelöhr im europäischen Verkehrsnetz. Rund um die Uhr donnerten 25.000 Lastfahrzeuge durch dicht verbautes Gebiet über die überlastete Autobahn. Im größten Containerhafen des Landes werden täglich 5000 Lastwagen und 30 Züge ent- und beladen. Jeder zehnte Arbeitsplatz hängt vom Hafen ab. Die drastische Einschränkung des Verkehrs zwischen dem Hafen und dem Autobahnnetz gefährdet Tausende Jobs im Großraum Genua. Kein Politiker brachte den Mut auf, für einen Neubau der Brücke die A10 monatelang zu sperren.
Zwar wurde 2004 der Plan der Betreibergesellschaft gebilligt, in den Bergen eine 60 Kilometer lange Entlastungsstrecke mit 50 Kilometer unterirdischer Trassenführung und 24 Brücken zu bauen. Aber das Megaprojekt scheiterte bisher am Widerstand linker Lokalpolitiker, von Bürgerinitiativen sowie der Chaostruppe um den Politclown Beppe Grillo (Movimento 5 Stelle), die nun an der Regierung ist. Die Morandi-Brücke sei absolut sicher, schrieb Grillo in seinem Blog, wer das Gegenteil behaupte, wolle nur, dass sich die Betreibergesellschaft weiter bereichere.
Italien leide unter einer „Fortschrittslähmung“, diagnostizierte der konservative „Corriere della Sera“. Seit Jahrzehnten bekämpft ein „Komitee der Neinsager“, das sich der Unterstützung der Medien erfreut, jedes größere öffentliche Bauprojekt. Es wird fast nur noch recht und schlecht erhalten, was vor 50 Jahren gebaut wurde. Die tödlichen Folgen der Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit linkspopulistischer Demagogen kann man in Genua besichtigen.
Anders als der M5S ist die Lega für öffentliche Großprojekte. Um Streit in der Regierung zu vermeiden, geben beide die Schuld an der Tragödie jetzt einerseits dem „Spardiktat“der EU, die damit überhaupt nichts zu tun hat, andererseits der Familie Benetton, zu deren Holding die Betreibergesellschaft gehört. Zweifellos profitierten die Benettons von ihren nicht allzu sauberen Beziehungen zur italienischen Linken; eine Neuverhandlung der Konzession wäre angebracht. Aber noch vor dem Abschluss der Untersuchungen den Entzug der Lizenz und die Verstaatlichung der Autobahnen in die Wege zu leiten, ist völlig absurd. Das private Autobahnnetz ist teuer, aber es funktioniert. Die von der staatlichen Anas betriebene Strecke Salerno–Reggio Calabria ist seit 30 Jahren eine Dauerbaustelle. Als Eigentümer hat der italienische Staat noch immer versagt, zuletzt bei Alitalia.