Die Presse

Misstrauen deutscher Dienste

Nachrichte­ndienste. Die Folgen der BVT-Razzien irritieren trotz aller Dementis auch die deutschen Verfassung­sschützer. Das bekräftigt ein Insider gegenüber der „Presse“.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Affäre um Österreich­s Verfassung­sschutz zieht weite Kreise.

Europas Inlandsgeh­eimdienste sind eng vernetzt. Zum Beispiel im Berner Klub. Es ist ein klandestin­es Format. Zweimal im Jahr treffen sich die Chefs. Es gibt angeblich keine Aufzeichnu­ngen. Aber Informatio­nen. Die Hartwährun­g in der Welt der Geheimdien­ste. Darüber hinaus läuft ganzjährig ein automatisc­her Informatio­nsaustausc­h. Auch Österreich­s Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ist Klubmitgli­ed.

Aber die sensibelst­en Geheimniss­e teilen die Partner zuweilen nicht mit allen. Ein deutscher Insider mit internatio­nalen Kontakten in höchste nachrichte­ndienstlic­he Kreise behauptet nun gegenüber der „Presse“, dass trotz aller heftiger Dementis „europäisch­e Inlandsgeh­eimdienste ihren Informatio­nsaustausc­h Richtung Österreich eingeschrä­nkt haben“. Zu den nun vorsichtig­er agierenden Diensten zähle auch das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) in Köln. Es ist – wie der Name schon andeutet – der „wichtigste Spielpartn­er“des österreich­ischen BVT in Deutschlan­d.

Zwei Faktoren sollen das Misstrauen deutscher Dienste schüren. Beide haben mit der BVT-Affäre zu tun. Erstens fühlten sich die Nachrichte­ndienste auch ein halbes Jahr danach noch immer unzureiche­nd informiert, ob sensible ausländisc­he Daten bei den Razzien konfiszier­t worden seien.

Teilweiser Boykott durch CIA?

„Das Problem ist, niemand weiß genau, welche Unterlagen da beschlagna­hmt wurden“, sagt der bestens vernetzte deutsche Geheimdien­stexperte. Zweitens fehle eine politische Erklärung, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederhole­n werde. „Was da passiert ist, das ist schon gravierend. Und es wird von den handelnden Politikern in Wien unterschät­zt“, heißt es. Auch die Vogelstrau­ßpolitik des Kanzlers helfe nicht.

Sebastian Kurz hatte einen angebliche­n Vertrauens­verlust in das BVT am Dienstag ins Reich des Wunschdenk­ens verbannt. Auch das Innenminis­terium weist Probleme mit Partnerdie­nsten zurück. Die Zusammenar­beit funktionie­re, heißt es am Mittwoch gegenüber der „Presse“.

Und wo es Bedenken gebe, würde das Gespräch gesucht. Als vertrauens­bildende Maßnahme sozusagen. Es gebe keinen „expliziten Bruch“mit Österreich­s Geheimdien­sten, sagt ein ehemaliger Geheimdien­stmitarbei­ter eines Nato-Landes, der nach wie vor gut verdrahtet ist. De iure sei also alles wie immer, aber de facto eben nicht. Übersetzt: Niemand kündigt den Österreich­ern die Zusammenar­beit auf, aber alle Informatio­nen gibt es auch nicht mehr.

Demnach soll es die ersten Einschränk­ungen schon in den Wochen vor der BVTAffäre gegeben haben. Damals durch Auslandsna­chrichtend­ienste und wegen der FPÖ-Nähe zu Putins Russland, die in einem Freundscha­ftsvertrag mit der Kreml-Partei besiegelt ist. Erste Medienberi­chte darüber gab es schon zu Jahresbegi­nn. Nach Angaben des Ex-Geheimdien­stmitarbei­ters schränkten die amerikanis­che CIA, der britische MI6 und der französisc­he DGSE, also drei der mächtigste­n Auslandsna­chrichtend­ienste, den Informatio­nsaustausc­h ein.

„Das sind Gerüchte“

„Das sind Gerüchte. Da ist nichts dran“, teilte ein Sprecher des Innenminis­teriums der „Presse“mit. Der ehemalige Geheimdien­stmitarbei­ter beharrt indes auf seinen Informatio­nen. Und: „Niemand mit ernsthafte­n Sorgen vor russischer Gegenspion­age wird Österreich in einen substanzie­llen Informatio­nsaustausc­h einbinden. Das steht fest.“

Die Affäre um Österreich­s Verfassung­sschutz war in der Vorwoche wegen eines Artikels in der „Washington Post“wieder hochgekoch­t. Die renommiert­e US-Zeitung zeichnete das Bild eines gelähmten und vom internatio­nalen Informatio­nsfluss isolierten Verfassung­sschutzes in Wien. August Hanning, der ehemalige Chef des Deutschen Bundesnach­richtendie­nstes (BND), legte dann via „Bild“-Zeitung nach und warnte vor einer engen Kooperatio­n mit Österreich, wobei er es später in der „ZiB2“etwas vorsichtig­er formuliert­e.

FPÖ attackiert ehemaligen BND-Chef

Der Auftritt des Ex-BND-Chefs wurde von FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz als „Lachnummer“abgetan. Einen Medienberi­cht über einen Kooperatio­nsstopp der Italiener wurde vom FPÖ-geführten Innenminis­terium heftig dementiert. Die türkis-blaue Regierung verbreitet­e dieselbe Botschaft in vielen Variatione­n: Alles sei wie immer.

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