Misstrauen deutscher Dienste
Nachrichtendienste. Die Folgen der BVT-Razzien irritieren trotz aller Dementis auch die deutschen Verfassungsschützer. Das bekräftigt ein Insider gegenüber der „Presse“.
Affäre um Österreichs Verfassungsschutz zieht weite Kreise.
Europas Inlandsgeheimdienste sind eng vernetzt. Zum Beispiel im Berner Klub. Es ist ein klandestines Format. Zweimal im Jahr treffen sich die Chefs. Es gibt angeblich keine Aufzeichnungen. Aber Informationen. Die Hartwährung in der Welt der Geheimdienste. Darüber hinaus läuft ganzjährig ein automatischer Informationsaustausch. Auch Österreichs Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist Klubmitglied.
Aber die sensibelsten Geheimnisse teilen die Partner zuweilen nicht mit allen. Ein deutscher Insider mit internationalen Kontakten in höchste nachrichtendienstliche Kreise behauptet nun gegenüber der „Presse“, dass trotz aller heftiger Dementis „europäische Inlandsgeheimdienste ihren Informationsaustausch Richtung Österreich eingeschränkt haben“. Zu den nun vorsichtiger agierenden Diensten zähle auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln. Es ist – wie der Name schon andeutet – der „wichtigste Spielpartner“des österreichischen BVT in Deutschland.
Zwei Faktoren sollen das Misstrauen deutscher Dienste schüren. Beide haben mit der BVT-Affäre zu tun. Erstens fühlten sich die Nachrichtendienste auch ein halbes Jahr danach noch immer unzureichend informiert, ob sensible ausländische Daten bei den Razzien konfisziert worden seien.
Teilweiser Boykott durch CIA?
„Das Problem ist, niemand weiß genau, welche Unterlagen da beschlagnahmt wurden“, sagt der bestens vernetzte deutsche Geheimdienstexperte. Zweitens fehle eine politische Erklärung, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholen werde. „Was da passiert ist, das ist schon gravierend. Und es wird von den handelnden Politikern in Wien unterschätzt“, heißt es. Auch die Vogelstraußpolitik des Kanzlers helfe nicht.
Sebastian Kurz hatte einen angeblichen Vertrauensverlust in das BVT am Dienstag ins Reich des Wunschdenkens verbannt. Auch das Innenministerium weist Probleme mit Partnerdiensten zurück. Die Zusammenarbeit funktioniere, heißt es am Mittwoch gegenüber der „Presse“.
Und wo es Bedenken gebe, würde das Gespräch gesucht. Als vertrauensbildende Maßnahme sozusagen. Es gebe keinen „expliziten Bruch“mit Österreichs Geheimdiensten, sagt ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter eines Nato-Landes, der nach wie vor gut verdrahtet ist. De iure sei also alles wie immer, aber de facto eben nicht. Übersetzt: Niemand kündigt den Österreichern die Zusammenarbeit auf, aber alle Informationen gibt es auch nicht mehr.
Demnach soll es die ersten Einschränkungen schon in den Wochen vor der BVTAffäre gegeben haben. Damals durch Auslandsnachrichtendienste und wegen der FPÖ-Nähe zu Putins Russland, die in einem Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei besiegelt ist. Erste Medienberichte darüber gab es schon zu Jahresbeginn. Nach Angaben des Ex-Geheimdienstmitarbeiters schränkten die amerikanische CIA, der britische MI6 und der französische DGSE, also drei der mächtigsten Auslandsnachrichtendienste, den Informationsaustausch ein.
„Das sind Gerüchte“
„Das sind Gerüchte. Da ist nichts dran“, teilte ein Sprecher des Innenministeriums der „Presse“mit. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter beharrt indes auf seinen Informationen. Und: „Niemand mit ernsthaften Sorgen vor russischer Gegenspionage wird Österreich in einen substanziellen Informationsaustausch einbinden. Das steht fest.“
Die Affäre um Österreichs Verfassungsschutz war in der Vorwoche wegen eines Artikels in der „Washington Post“wieder hochgekocht. Die renommierte US-Zeitung zeichnete das Bild eines gelähmten und vom internationalen Informationsfluss isolierten Verfassungsschutzes in Wien. August Hanning, der ehemalige Chef des Deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), legte dann via „Bild“-Zeitung nach und warnte vor einer engen Kooperation mit Österreich, wobei er es später in der „ZiB2“etwas vorsichtiger formulierte.
FPÖ attackiert ehemaligen BND-Chef
Der Auftritt des Ex-BND-Chefs wurde von FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz als „Lachnummer“abgetan. Einen Medienbericht über einen Kooperationsstopp der Italiener wurde vom FPÖ-geführten Innenministerium heftig dementiert. Die türkis-blaue Regierung verbreitete dieselbe Botschaft in vielen Variationen: Alles sei wie immer.