Die Augen verschließen bringt keine Lösung
Die österreichischen Geheimdienste sind infolge der BVT-Affäre isoliert – das sollte man zumindest zur Kenntnis nehmen.
B undeskanzler Sebastian Kurz sieht den Wunsch als Vater des Gedankens: Berichte, wonach die heimischen Geheimdienste international isoliert seien, würden nicht stimmen. Er habe keine Informationen dazu. Verteidigungsminister Mario Kunasek meint, er könne entsprechende Medienberichte nicht bestätigen. Und BVT-Chef Peter Gridling bestätigt in einer Aussendung, dass die Zusammenarbeit mit den ausländischen Diensten weiterhin funktioniere.
Alles paletti also in der Welt der Geheimdienste? Natürlich nicht. Es liegt in der Natur von Geheimdiensten, dass sie das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Wenn ein amerikanischer oder deutscher Geheimdienst die österreichischen Kollegen für unzuverlässig hält, wird er nicht groß öffentlich verkünden, dass er vorhat, sensible Informationen künftig nicht mehr weiterzuleiten – sondern er wird das einfach machen. Davon müssen die Österreicher nicht einmal etwas bemerken, sie wissen ja nicht, welche Informationen ihnen entgehen.
Dass dies so abläuft, wird dann maximal vertraulich berichtet, unter dem strengsten Siegel des Informantenschutzes. So passiert gegenüber Journalisten der „Washington Post“, der „Presse“oder anderer Medien. Oder es meldet sich ein Ex-Geheimdienstler wie August Hanning, der frühere Chef des deutschen BND, der das Offensichtliche ausspricht: Wenn ein Nachrichtendienst nicht sicher sein kann, dass ein Partnerdienst sensible Daten schützen kann, dann ist bei der Weitergabe Vorsicht geboten.
Aber selbst Gridling liefert in seiner Stellungnahme deutliche Hinweise dafür, dass das BVT mit Problemen zu kämpfen hat. Gridling schreibt, die Zusammenarbeit mit den nachrichtlichen Partnerdiensten funktioniere in wesentlichen Bereichen unverändert gut, es gebe derzeit keine spürbaren Einschränkungen in der Zusammenarbeit. Man bemühe sich, durch vertrauensvolle Gespräche und aktive Teilnahme an multilateraler Zusammenarbeit das Vertrauen der Partnerdienste zu erhalten bzw. in den Bereichen, in denen es geboten scheint, wiederherzustellen. Jeder, der in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen, muss merken: Da ist tatsächlich Feuer am Dach. Und dem BVT-Chef ist hoch anzurechnen, dass er das nicht unter den Teppich kehrt – zumindest nicht zur Gänze.
Fazit: Der Innenminister und sein Generalsekretär haben bei dem Versuch, im BVT aufzuräumen, ganz erheblichen Schaden angerichtet. Die martialische Hausdurchsuchung angesichts einer „vagen Verdachtslage“(Zitat Christian Pilnacek, Generalsekretär des Justizministeriums) hat andere Nachrichtendienste verschreckt. Und wenn diese ihre Informationen nicht mehr mit Österreich teilen, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit des Landes. Dass die Hausdurchsuchung von der Justiz angeordnet wurde, mag zwar formal richtig sein, entbindet die Spitze des Innenressorts aber nicht von ihrer Verantwortung. Denn ganz offensichtlich wurde die ganze Aktion von dort aus orchestriert. Der kommende Untersuchungsausschuss wird wohl die Belege dafür liefern. W ie soll man nun weiter mit dem Problem umgehen? Zunächst wäre es an der Zeit, es überhaupt erst einmal zur Kenntnis zu nehmen. Es hilft nichts, die Augen zu schließen und so zu tun, als wäre gar nichts passiert. Es wird vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber den Partnerdiensten geben müssen, und zwar sowohl auf der Fachebene der Beamten als auch auf politischer Ebene. Und schließlich wird man sich für die Zukunft auch einen besseren Schutz der vertraulichen Daten überlegen müssen. Nachrichtendienst-Mitarbeiter stehen natürlich nicht außerhalb des Gesetzes, die Justiz muss bei begründetem Verdacht ermitteln können. Aber es sollte nicht möglich sein, dass sie auf Verdacht die gesamten geheimen Daten einfach abtransportiert.
Sonst wäre der Innenminister gut beraten, sich bei der parlamentarischen Aufarbeitung der Affäre kooperativ zu zeigen. Sein bisheriges Verhalten bei parlamentarischen Debatten und bei der Aktenlieferung für den U-Ausschuss lässt das allerdings eher nicht erwarten.