„Super, und die Politik soll das ändern?“
Interview. Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) erklärt, wieso sie sich als pragmatische Feministin bezeichnet, weshalb ihr unterstellt wird, keine Visionen zu haben, und warum Frauen viel selbst in der Hand haben.
Die Presse: Sie sind von der Biochemikerin zur Frauen- und Familienministerin geworden. Haben Sie den Schritt aus dem Labor mittlerweile bereut? Juliane Bogner-Strauß: Nein, überhaupt nicht. Es ist zwar eine extreme Herausforderung und sicher manchmal eine Belastung, aber es entspricht meinem Naturell, etwas umsetzen zu wollen.
Die Kritik an Ihnen war zuletzt groß – inklusive Rücktrittsaufforderungen. Ihnen fehle die Leidenschaft für Frauenpolitik, hieß es. Die Kritik kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich bin eine pragmatisch und rational denkende Wissenschaftlerin. Mir hat man schon ein paar Mal gesagt, dass ich etwas emotionaler sein könnte, aber ich finde, Idealismus hat wenig mit Emotionalität zu tun.
Sie bezeichnen sich als „pragmatische Feministin“. Was meinen Sie damit? Ich bezeichne mich deshalb als pragmatische Feministin, weil ich selbst immer kämpfen musste. Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen und es war klar, dass sie das elterliche Weingut übernehmen. Ich habe als Erste in der Familie Matura gemacht, studiert, und habe an der Uni Karriere gemacht – es war schon eine Herausforderung an der Technischen Universität.
Aber was unterscheidet Sie von gewöhnlichen Feministinnen? Ich setze mir immer Ziele, von denen ich ausgehe, dass ich sie erreiche. Deshalb wird mir unterstellt, dass ich keine Visionen habe.
Welche Visionen haben Sie? Ich will den Fokus auf den Gewaltschutz legen. Es hat noch nie so viele Frauenmorde im ersten Halbjahr gegeben wie heuer. Es gibt eine Taskforce und wir haben zusätzliche Mittel in den Gewalt- und Opferschutz umgeschichtet. Außerdem ist es mir wichtig, dass die Einkommensschere geschlossen wird. Frauen müssen wirtschaftlich unabhängig werden.
Und zwar wie? Wir müssen die Frauen informieren, was die Folgen sind, wenn sie lang in Teilzeit arbeiten. Da gibt es viel zu wenig Wissen. Außerdem müssen wir die Väter in die Väterkarenz bringen. Wir müssen das Mindset ändern in Österreich.
Wie wollen Sie als Politikerin das Mindset ändern? Wir Frauen haben es teilweise selbst in der Hand, etwas zu ändern – wir sind aber manchmal zu wenig solidarisch. Frauen müssen ihre Partner bei der Kinderbetreuung mehr mit ins Boot holen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gäbe es – etwa mit dem Kinder- betreuungsgeldkonto. Ich habe vor Kurzem mit einer Freundin zwei Stunden darüber diskutiert: Sie sagt, sie habe es nicht geschafft, ihren Lebensgefährten zu überzeugen, bei den Kindern zu Hause zu bleiben. Und ich habe gesagt: Super, und die Politik soll das ändern, wenn es nicht einmal in einer Beziehung funktioniert?
Das hieße doch, dass Sie sich als Ministerin auf den Kopf stellen können und ohnehin nichts bewirken würden. Nein, ganz im Gegenteil. Als Frauenministerin wünsche ich mir, dass Unterstützung kommt – und zwar über alle Fraktionen hinweg. Allerdings habe ich manchmal das Gefühl, dass die Frauen, die sich als Feministinnen bezeichnen, finden, dass nur sie das für sich beanspruchen dürfen. Dabei kämpft jeder diesen Kampf vielleicht ein bisschen anders.
Das klingt so, als würden Sie den Frauen die Schuld an der derzeitigen Situation geben. Nein, nein. Aber ich würde gern erreichen, dass Frauen an einem Strang ziehen. Ich würde etwa nie etwas Untergriffiges über meine Vorgängerinnen sagen, weil ich glaube, dass jeder seine Prioritäten in der Politik setzen muss. Insofern ist es traurig, dass Oppositionspolitikerinnen mir gegenüber fast untergriffig werden. Immerhin haben es auch andere nicht geschafft, das Budget zu erhöhen.
Unter Ihnen gibt es nun allerdings weniger Geld für Frauen. Es gab Umschichtungen. Das hat nichts mit Kürzungen zu tun. Und ohne polemisch sein zu wollen und ohne irgendjemanden in Misskredit bringen zu wollen: Wir können nicht alles fördern. Wir haben diesen Förderdschungel ein bisschen bereinigt und den Fokus auf Gewaltschutz gelegt.
Lesekreise und „getanzter Protest“sind nicht förderwürdig? Man sieht an der lauten Kritik, dass diese Vereine sehr gut vernetzt sind. Ich möchte jedenfalls nicht im Fahrwasser anderer schwimmen. Ich will meine Politik machen, und für mich steht Gewaltschutz im Fokus.
Sie standen zuletzt auch als Familienministerin in der Kritik. Sie wollten die Kinderbetreuung zwar ausbauen, aber den Ländern weniger Geld dafür geben. Werden Sie hier nachgeben? Es sind Verhandlungen, die Bund und Länder gemeinsam führen, und wir werden aufeinander zugehen. Wir werden noch vor Ende des Monats fertig sein.
Und wird es mehr Geld geben? Wie gesagt: Wir verhandeln noch. Grundsätzlich muss man aber schon sagen, dass es Bedarfserhebungen der Gemeinden gibt. Das heißt, die Kindergärten haben lang offen, wo es Bedarf gibt, wo kein Bedarf da ist, wird der Kindergarten am Nachmittag geschlossen.
Die Länder sollen die Förderungen außerdem nur bekommen, wenn sie ein Kopftuchverbot einführen. Hier gab es Widerstand. Werden Sie davon abgehen? Es ist nach wie vor ein Punkt in der 15-a-Vereinbarung, und es wird auch einer bleiben.
Sie wollen die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder kürzen. Die EU-Kommission hält das für rechtswidrig. Soll das Gesetz dennoch während der Ratspräsidentschaft beschlossen werden? Der Plan ist die parlamentarische Behandlung im Herbst.
Wird die Familienbeihilfe auch für Diplomatenkinder gekürzt? Wir sind mit dem Finanz- und Außenministerium in Gesprächen.
Das Außenministerium will, dass die Familienbeihilfe für Diplomatenkinder bleibt. Und Sie? Wir wollen eine Indexierung der Familienbeihilfe – und zwar für alle EWR- und EU-Staaten. Dementsprechend müssen wir uns das rechtlich anschauen, weil eine Ungleichbehandlung in einem Gesetzestext ja problematisch ist.