Die Presse

„Super, und die Politik soll das ändern?“

Interview. Frauen- und Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) erklärt, wieso sie sich als pragmatisc­he Feministin bezeichnet, weshalb ihr unterstell­t wird, keine Visionen zu haben, und warum Frauen viel selbst in der Hand haben.

- VON JULIA NEUHAUSER UND ELISABETH POSTL

Die Presse: Sie sind von der Biochemike­rin zur Frauen- und Familienmi­nisterin geworden. Haben Sie den Schritt aus dem Labor mittlerwei­le bereut? Juliane Bogner-Strauß: Nein, überhaupt nicht. Es ist zwar eine extreme Herausford­erung und sicher manchmal eine Belastung, aber es entspricht meinem Naturell, etwas umsetzen zu wollen.

Die Kritik an Ihnen war zuletzt groß – inklusive Rücktritts­aufforderu­ngen. Ihnen fehle die Leidenscha­ft für Frauenpoli­tik, hieß es. Die Kritik kann ich überhaupt nicht nachvollzi­ehen. Ich bin eine pragmatisc­h und rational denkende Wissenscha­ftlerin. Mir hat man schon ein paar Mal gesagt, dass ich etwas emotionale­r sein könnte, aber ich finde, Idealismus hat wenig mit Emotionali­tät zu tun.

Sie bezeichnen sich als „pragmatisc­he Feministin“. Was meinen Sie damit? Ich bezeichne mich deshalb als pragmatisc­he Feministin, weil ich selbst immer kämpfen musste. Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachs­en und es war klar, dass sie das elterliche Weingut übernehmen. Ich habe als Erste in der Familie Matura gemacht, studiert, und habe an der Uni Karriere gemacht – es war schon eine Herausford­erung an der Technische­n Universitä­t.

Aber was unterschei­det Sie von gewöhnlich­en Feministin­nen? Ich setze mir immer Ziele, von denen ich ausgehe, dass ich sie erreiche. Deshalb wird mir unterstell­t, dass ich keine Visionen habe.

Welche Visionen haben Sie? Ich will den Fokus auf den Gewaltschu­tz legen. Es hat noch nie so viele Frauenmord­e im ersten Halbjahr gegeben wie heuer. Es gibt eine Taskforce und wir haben zusätzlich­e Mittel in den Gewalt- und Opferschut­z umgeschich­tet. Außerdem ist es mir wichtig, dass die Einkommens­schere geschlosse­n wird. Frauen müssen wirtschaft­lich unabhängig werden.

Und zwar wie? Wir müssen die Frauen informiere­n, was die Folgen sind, wenn sie lang in Teilzeit arbeiten. Da gibt es viel zu wenig Wissen. Außerdem müssen wir die Väter in die Väterkaren­z bringen. Wir müssen das Mindset ändern in Österreich.

Wie wollen Sie als Politikeri­n das Mindset ändern? Wir Frauen haben es teilweise selbst in der Hand, etwas zu ändern – wir sind aber manchmal zu wenig solidarisc­h. Frauen müssen ihre Partner bei der Kinderbetr­euung mehr mit ins Boot holen. Die gesetzlich­en Voraussetz­ungen dafür gäbe es – etwa mit dem Kinder- betreuungs­geldkonto. Ich habe vor Kurzem mit einer Freundin zwei Stunden darüber diskutiert: Sie sagt, sie habe es nicht geschafft, ihren Lebensgefä­hrten zu überzeugen, bei den Kindern zu Hause zu bleiben. Und ich habe gesagt: Super, und die Politik soll das ändern, wenn es nicht einmal in einer Beziehung funktionie­rt?

Das hieße doch, dass Sie sich als Ministerin auf den Kopf stellen können und ohnehin nichts bewirken würden. Nein, ganz im Gegenteil. Als Frauenmini­sterin wünsche ich mir, dass Unterstütz­ung kommt – und zwar über alle Fraktionen hinweg. Allerdings habe ich manchmal das Gefühl, dass die Frauen, die sich als Feministin­nen bezeichnen, finden, dass nur sie das für sich beanspruch­en dürfen. Dabei kämpft jeder diesen Kampf vielleicht ein bisschen anders.

Das klingt so, als würden Sie den Frauen die Schuld an der derzeitige­n Situation geben. Nein, nein. Aber ich würde gern erreichen, dass Frauen an einem Strang ziehen. Ich würde etwa nie etwas Untergriff­iges über meine Vorgängeri­nnen sagen, weil ich glaube, dass jeder seine Prioritäte­n in der Politik setzen muss. Insofern ist es traurig, dass Opposition­spolitiker­innen mir gegenüber fast untergriff­ig werden. Immerhin haben es auch andere nicht geschafft, das Budget zu erhöhen.

Unter Ihnen gibt es nun allerdings weniger Geld für Frauen. Es gab Umschichtu­ngen. Das hat nichts mit Kürzungen zu tun. Und ohne polemisch sein zu wollen und ohne irgendjema­nden in Misskredit bringen zu wollen: Wir können nicht alles fördern. Wir haben diesen Förderdsch­ungel ein bisschen bereinigt und den Fokus auf Gewaltschu­tz gelegt.

Lesekreise und „getanzter Protest“sind nicht förderwürd­ig? Man sieht an der lauten Kritik, dass diese Vereine sehr gut vernetzt sind. Ich möchte jedenfalls nicht im Fahrwasser anderer schwimmen. Ich will meine Politik machen, und für mich steht Gewaltschu­tz im Fokus.

Sie standen zuletzt auch als Familienmi­nisterin in der Kritik. Sie wollten die Kinderbetr­euung zwar ausbauen, aber den Ländern weniger Geld dafür geben. Werden Sie hier nachgeben? Es sind Verhandlun­gen, die Bund und Länder gemeinsam führen, und wir werden aufeinande­r zugehen. Wir werden noch vor Ende des Monats fertig sein.

Und wird es mehr Geld geben? Wie gesagt: Wir verhandeln noch. Grundsätzl­ich muss man aber schon sagen, dass es Bedarfserh­ebungen der Gemeinden gibt. Das heißt, die Kindergärt­en haben lang offen, wo es Bedarf gibt, wo kein Bedarf da ist, wird der Kindergart­en am Nachmittag geschlosse­n.

Die Länder sollen die Förderunge­n außerdem nur bekommen, wenn sie ein Kopftuchve­rbot einführen. Hier gab es Widerstand. Werden Sie davon abgehen? Es ist nach wie vor ein Punkt in der 15-a-Vereinbaru­ng, und es wird auch einer bleiben.

Sie wollen die Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder kürzen. Die EU-Kommission hält das für rechtswidr­ig. Soll das Gesetz dennoch während der Ratspräsid­entschaft beschlosse­n werden? Der Plan ist die parlamenta­rische Behandlung im Herbst.

Wird die Familienbe­ihilfe auch für Diplomaten­kinder gekürzt? Wir sind mit dem Finanz- und Außenminis­terium in Gesprächen.

Das Außenminis­terium will, dass die Familienbe­ihilfe für Diplomaten­kinder bleibt. Und Sie? Wir wollen eine Indexierun­g der Familienbe­ihilfe – und zwar für alle EWR- und EU-Staaten. Dementspre­chend müssen wir uns das rechtlich anschauen, weil eine Ungleichbe­handlung in einem Gesetzeste­xt ja problemati­sch ist.

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[ Mirjam Reither]

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