Wie sich Wiens ÖVP abstrampelt
Reportage. Mit Markus Wölbitsch auf dessen Tour „Stadtrat mit dem Stadtrad“. 220 km ist er laut eigener Angabe bisher gefahren – zu Helden des Alltags, wie er sagt. Türkiser (Vor-)Wahlkampf?
„Es ist zum Heulen.“Da steht er, der hochgewachsene Mann, Präsident gar, und sieht seinen Besucher um Mitleid heischend an. Kurt Sandhäugl ist Chef des Ersten Wiener Ruderclubs Lia. Sein Gast: Markus Wölbitsch von der Wiener ÖVP. Nicht, weil der Politiker auf seiner Tour (Achtung, Wortwitz) „Stadtrat mit dem Stadtrad“an diesem heißen Donnerstag Nachmittag bei ihm haltgemacht hat, ist dem Präsidenten zum Weinen.
Grund seiner Klage ist die Ausstattung der Kraftkammer. Oder dessen, was eine solche darstellen soll. „Wie zu Arnies besten Zeiten“, entfährt es dem nicht amtsführenden Stadtrat Wölbitsch. Auf 40, vielleicht 50 muffigen Quadratmetern müssen Ruderer der Nationalmannschaft bei der Steinspornbrücke an der Neuen Donau in einem Hybrid von Museum und Rumpelkammer unter schmalen, schießschartenartigen Fenstern trainieren. „Es ist traurig, mit Topnationen wie Neuseeland können wir bei Weitem nicht mithalten“, sagt Sandhäugl.
„Es gibt in Wien generell ein Sportstättenproblem, das habe ich auch schon beim Schwimmen gesehen“, sagt der Stadtrat, das Stadtrad hat er im Schatten abgestellt. Ungefähr eine halbe Stunde vorher, beim Start vor der ÖVP-Zentrale, bereits die erste Begegnung – freilich mit jemandem, den er wohl eher nicht für die ÖVP wird begeistern können. Peter Kraus, der Chef der Wiener Grünen werden will, biegt forsch gleichfalls per Rad um die Ecke: „Sehr, sehr löblich!“, ruft er dem Stadtrat zu.
Sonst hält sich der Wiedererkennungswert von Wölbitsch in Grenzen. Zwischen Autos, geschäftigen Fußgängern und anderen Radfahrern erkennt den Politiker mit Helm entlang der gesamten Strecke vom Rathaus in die Lobau niemand. Muss auch nicht sei. Minister und Stadtparteichef Gernot Blümel wird ja mit hoher Wahrscheinlichkeit Spitzenkandidat bei der nächsten Wien-Wahl werden. Wölbitsch will die ÖVP in der Stadt inzwischen präsent halten. Dafür strampelt er sich ab.
„Nur jammern geht nicht“
Ob er mit seiner Fahrradtour beweisen will, dass die ÖVP Wien nicht auf der Stelle tritt? Oder ob er die Grünen links überholen will? Wölbitsch erwidert extra trocken: „Fahrradfahren ist keine Ideologie. Mein Ziel ist es, Helden des Alltags zu besuchen, ob das innovative Unternehmen, Sportvereine oder ehrenamtliche Organisationen sind. Wir wollen Politik für Men- schen machen, die Außergewöhnliches leisten, das liegt in der DNA der ÖVP der Stadt.“Okay.
Einige Erkenntnisse hat er aus Besuchen, die er auch über den Sommer hinaus fortzusetzen gedenkt, schon gewonnen. Es brauche „eine neue Umsetzungsstruktur“in Wien. „Bei jeder neuen Idee heißt es von der Stadtbürokratie: Na so einfach geht das nicht.“
Die Ruderer an der Neuen Donau kann er nicht trösten. Aber der türkise Politiker verspricht draußen in der prallen Sonne an einem der heißesten Tage des Jahres, er werde „die Anliegen mitnehmen“.
Von einer kleinen Gruppe junger Ruderer verabschiedet sich Wölbitsch, bevor er wieder auf sein Rad steigt: „Respekt, dass ihr super unterwegs seid. Sportlich bleiben! Wir sehen uns bei einer Siegerehrung.“
Nachwuchshoffnung Noah Robibaro, 2017 Österreich-Juniormeister in der Königsdisziplin Achter, meint noch: „Man muss auch Opfer bringen. Nur jammern geht nicht.“Ob Robibaro später von Sebastian Kurz ein Angebot erhält, der Jungen ÖVP beizutreten?
Als ob er auf das Stichwort gewartet hätte, meint Wölbitsch: „Genau wie in der Politik. Nur zu jammern reicht nicht.“Das letzte Wort hat die Politik, natürlich.