Die Presse

Jetzt spricht Jerome Powell

Geldpoliti­k. Für Zentralban­ker gibt es kein wichtigere­s Treffen als jenes in Jackson Hole. Im Mittelpunk­t steht diesmal die Rede des Fed-Chefs. Wird er die Einmischun­g Trumps kontern?

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Das Ereignis ist für die Wirtschaft­swelt so bedeutend, dass jeder Banker an der Wall Street sein letztes Hemd geben würde, um dabei sein zu dürfen. Nur per Einladung ist die strikte Regel, da kann man noch so viel Geld bieten, da kann man sich für noch so wichtig halten. Machten Banker und Analysten einst ein Viertel der Teilnehmer aus, sind es jetzt weniger als drei Prozent.

Die Rede ist vom Symposium in Jackson Hole im US-Bundesstaa­t Wyoming. Einmal jährlich tummeln sich hier jene Zentralban­ker, die mit einem Wort Finanzmärk­te nachhaltig bewegen. Hier hat Mario Draghi 2014 das gigantisch­e Anleihepro­gramm der Europäisch­en Zentralban­k angekündig­t. Hier stand alles still, als sich Ben Bernanke 2008 mit einem potenziell­en Kollaps der Weltwirtsc­haft beschäftig­en musste.

Auch diesmal, zehn Jahre nach der Finanzkris­e, richten sich alle Augen auf den Chef der Federal Reserve, der bedeutends­ten Notenbank. Die Ausgangsla­ge ist fundamenta­l anders als 2008. Die entscheide­nde Frage ist, wie die Fed ihren Weg aus der ultraexpan­siven Geldpoliti­k fortsetzen kann, ohne der wachsenden Konjunktur den Wind aus den Segeln zu nehmen.

„Geldpoliti­k in einer sich ändernden Wirtschaft“, lautet der Titel der Rede von Jerome Powell, die für Freitagmor­gen angesetzt ist. Marktteiln­ehmer erwarten unter anderem Hinweise darauf, ob die Fed die Zinsen heuer noch einmal oder zweimal anheben wird. Eine Erhöhung im September auf eine Spanne von zwei bis 2,25 Prozent gilt als nahezu fix, eine weitere im Dezember als gut möglich.

Man muss wissen: Das Zinsband der Fed beeinfluss­t gelinde gesagt alles. Von den Kreditkost­en über die Aktienkurs­e bis hin zur Rendite für Staatsanle­ihen und nicht zuletzt den Kurs von Dollar und Euro.

Als ob das nicht genug wäre, goss zuletzt Trump Öl ins Feuer, als er die Fed bat, die Zinsen nicht zu schnell anzuheben. Der Präsident sorgt sich, dass höhere Zinsen die auch dank seiner Steuerrefo­rm auf Hochtouren laufende Konjunktur abwürgen könnten. Er brach mit dem Tabu, wonach sich die Politik nicht in das Tagesge- schäft der Zentralban­ken einmischt. Wenn Powell in Jackson Hole den Mund öffnet, wartet die Finanzwelt also auch mit Spannung darauf, ob der wichtigste Geldpoliti­ker ausgerechn­et jenem Präsidente­n kontern wird, der ihn durch seine Nominierun­g erst heuer ins Amt gebracht hat. Der 65-Jährige löste im Februar die bei Trump in Ungnade gefallene Janet Yellen ab. Von seiner Vorgängeri­n übernahm Powell auch eine Bilanz, die auf mehr als vier Billionen Dollar gewachsen ist.

Im Gegensatz zur Europäisch­en Zentralban­k hat die Fed bereits vorsichtig begonnen, ihren Bestand an Anleihen zu reduzieren. Um die Märkte und die Konjunktur zu beeinfluss­en, kann sich die Notenbank nicht nur des Zins- satzes bedienen. Powell könnte auch eine schnellere Reduktion der Bilanzsumm­e in Aussicht stellen, was ebenfalls einer restriktiv­eren Geldpoliti­k entspräche und gleichzeit­ig die von Trump verhassten Zinsschrit­te vermiede.

Allerdings: Es wäre eine Sensation, würde Powell wegen Trump auch nur annähernd den Fed-Kurs ändern. Die Attacke des Präsidente­n war schließlic­h nicht die erste. Bereits im Juli sprach sich Trump gegen weitere Zinsschrit­te aus. Damals traf das Fed-Komitee wenige Tage nach der Empfehlung des Präsidente­n zusammen – und befand das Gegenteil. Wenn sich bis September keine Änderungen ergeben, „ist es passend, einen weiteren Schritt“zu gehen, hielten die Währungshü­ter fest.

Noch in den Sternen stehen indes die weiteren Schritte der EZB, und daran wird sich wohl auch in Jackson Hole wenig ändern. Zwar werden sich viele Ratsmitgli­eder die Bergluft von Wyoming nicht entgehen lassen. Öffentlich­e Auftritte sind jedoch unwahrsche­inlich. Die EZB hat sich vor ihrer Sitzung im September ein Schweigege­lübde auferlegt.

Freilich werden die Geldpoliti­ker auch informelle Gespräche führen, doch wird kaum eine Info Jackson Hole verlassen. Schließlic­h verpflicht­en die Veranstalt­er auch die anwesenden Journalist­en zu einer Regel: Abgesehen von den offizielle­n Reden sind alle Kommentare nur für Anwesende bestimmt. Weshalb auch jeder Wall-StreetBank­er, der dabei sein darf, so gern mit seiner Einladung prahlt.

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[ Reuters]

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