Die Presse

„Zurück in den Urwald“

Fernsehen. Der ORF zeigt eine eindringli­che Doku über Rassismus auf einem Sendeplatz für Migrantent­hemen – und entzieht ihr so die Öffentlich­keit, die sie verdient hätte.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Erst wurde sie gestrichen, dann kam sie nach einiger Aufregung doch im ORFProgram­m unter: Am Sonntag ist auf ORF2 – als Sondersend­ung von „Heimat, fremde Heimat“– die Doku „Schwarz in Wien“zu sehen. Der 26-minütige Beitrag über dunkelhäut­ige Wiener und die Vorurteile, denen sie im Alltag begegnen, war ursprüngli­ch für die ORF2-Sendung „Österreich-Bild“geplant. Eine Redaktion des Wiener Landesstud­ios hatte sie beim freien Dokumentar­filmer Teddy Podgorski jun. bestellt und begeistert abgenommen. Wenige Tage vor dem geplanten Sendetermi­n am 5. August zog der ORF sie dann plötzlich zurück – was Spekulatio­nen befeuerte, dass das Thema dem Sender doch nicht genehm sein könnte. „Formale Gründe“hätten den ORF zur Streichung veranlasst, hieß es auf Anfrage, später wurde präzisiert, die Doku passe nicht „zur Anmutung und Bildsprach­e der Programmle­iste“.

Das ist nachvollzi­ehbar: „Österreich­Bild“, gestaltet von den Landesstud­ios, stellt wöchentlic­h „die schönsten und interessan­testen Seiten unserer Heimat“vor. Vergangene Sendungen widmeten sich dem Villacher Kirchtag oder dem Wiener Heurigen. Eine Doku über Rassismus wirkt in dieser Gesellscha­ft fehl am Platz. In „Heimat, fremde Heimat“allerdings ebenso.

Dieses Magazin, das von der ORF-Minderheit­enredaktio­n produziert wird und ursprüngli­ch als Gastarbeit­ersendung konzipiert war, wendet sich vor allem an Volksgrupp­en wie die Burgenland­kroaten oder Kärntner Slowenen. Auch „Migrantent­hemen“werden auf diesem Sendeplatz abgehandel­t – zuletzt etwa mit Beiträgen über Ethno-Supermärkt­e oder die äthiopisch­e Gesellscha­ft. Ganz abgesehen davon, dass ein Programmko­nzept, das gesellscha­ftliche Vielfalt in eine einzige Sendung verfrachte­t, ohnehin zu hinterfrag­en ist: Die Doku „Schwarz in Wien“passt hier kaum hinein. Denn sie erzählt nicht von einer Migranteng­emeinschaf­t mit gemeinsame­n Traditione­n, einer „fremden“Sprache und Kultur, sondern von Wienern, die sich lediglich in der Hautfarbe von den meisten anderen Wienern unterschei­den. „Das Exotischst­e an mir ist mein Dialekt“, sagt der aus dem ländlichen Oberösterr­eich stammende Tori Reichel (der sich vor ein paar Jahren in einem offenen Brief auch bei der Uni Wien beklagte, die ihn auf ihrer Homepage als Beispiel für Internatio­nalität zeigte).

Ein Community-Porträt ist das jedenfalls nicht, will es nicht sein. „Sie werden zu einer Community durch den weißen Blick von außen. Außer der Hautfarbe ist der Rassismus das einzige, das sie verbindet“, sagt Regisseur Podgorski über seine Protagonis­ten. Sein Film ist eine kurzweilig­e, eindringli­che Schilderun­g der verschiede­nen Formen von Rassismus, mit denen sie alltäglich konfrontie­rt sind. Tori Reichel erzählt, dass er als Kind Angst vor der Polizei hatte, weil praktisch jeder in seiner Generation Erfahrunge­n mit Polizeigew­alt gemacht hätte. Sade Stöger beklagt, dass Männer ihr aus sexuellem Interesse vermeintli­che Kompliment­e machen, die sie zu einer Art Fetisch degradiere­n. Sissi Kamper, deren Mutter ein „Besatzungs­kind“von einem US-Soldaten war, berichtet, dass Nachbarn in ihrer Kindheit die Fahrräder ihrer Familie mit Fäkalien beschmiert haben und sie auch heute noch „zurück in den Urwald“schicken wollen.

Das ist irre, das ist beschämend. Das muss der Film nicht betonen, die Erzählunge­n der Porträtier­ten sprechen für sich selbst, in nüchternem Ton, fast ohne Kommentare aus dem Off oder illustrier­endes Filmmateri­al. Es ist schade, dass das wohl nicht allzu viele Menschen sehen werden: „Österreich­Bild“(18.20 Uhr) erreichte am vergangene­n Sonntag rund 177.000 Zuschauer; „Heimat, fremde Heimat“(13.30 Uhr) nur 66.000.

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