Die Presse

Wie stark wird die Erde noch ergrünen?

CO2 ist nicht nur ein Treibhausg­as, sondern auch Pflanzenna­hrung. Beides lässt das Grün gedeihen.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Das Kohlendiox­id (CO2), dessen Gehalte in der Atmosphäre vor der Industriel­len Revolution bei 280 ppm (Teilchen pro Million) gelegen sind und 2015 die Schwelle von 400 ppm erreicht haben, ist nicht nur ein Treibhausg­as, sondern auch Nahrung für Pflanzen: In manchen Gewächshäu­sern wird Erdgas verbrannt, um das Wachstum zu fördern. Und im Gewächshau­s Erde? Da hat die Biomasse von 1982 bis 2009 in bis zur Hälfte der von Pflanzen bewachsene­n Regionen zugenommen, enorm: um 0,068 Quadratmet­er Grün pro Quadratmet­er Erde. Das hat Zaichun Zhu (Peking) aus Daten von Satelliten berechnet, die die Reflexion von Infrarot messen, sie zeigt die Dichte der Vegetation (Nature Climate Change 6, S. 791).

„Das von uns berichtete Ergrünen über die vergangene­n 33 Jahre ist äquivalent mit einem zusätzlich­en Kontinent von der doppelten Fläche der USA: 18 Millionen Quadratkil­ometer.“So summierte Zhu, es war vor zwei Jahren, und in der Rechnung fehlte noch etwas: Die von Pflanzen bewachsene Fläche ist nicht konstant, sie hat sich im Zuge der Erwärmung hin zu den Polen und die Gebirge hinauf erweitert, das hat Trevor Keenan (Berkeley) nun über die letzten 30 Jahre bilanziert: 16 Prozent der Regionen, die vor 30 Jahren zu eisig für alles außer Moosen und Flechten waren, sind heute warm genug für Wälder, bis zum Ende des Jahrhunder­ts werden je nach Erfolg des Klimaschut­zes 45 bis 85 Prozent folgen (Nature Climate Change 20. 8.).

Und es wird nicht einfach wärmer, die Wärme bleibt auch länger im Jahr – in Europa derzeit um drei Wochen –, das lässt Bäume rascher wachsen: In Zentraleur­opa etwa hat sich das Wachstum von Fichte und Birke seit 1870 um 30 bis 77 Prozent beschleuni­gt. Der Preis ist eine um acht bis zwölf Prozent verringert­e Dichte, Hans Pretzsch (TU München) hat es bemerkt (Forest Ecology and Management, 22. 8.). Zudem sind die Bäume anfälliger für überrasche­nden Frost.

Dass sie so gut gedeihen, hat bei Nadelbäume­n noch einen selbst gemachten Grund: Die Düfte, die sie in die Luft entlassen – Isoprene und Monoterpen­e etwa – riechen nicht nur, sie trüben die Luft ein und sorgen dafür, dass das Sonnenlich­t gestreut wird. Dann kommt es auch an Äste, die bei direktem Licht im Schatten liegen, Alexandru Rap (Leeds) hat das festgestel­lt (Nature Geoscience, 20. 8.). Ein ähnlicher Effekt zeigte sich schon, als die Wolke des Vulkans Pinatubo zwei Jahre lang die Erde abschattet­e.

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