Die Presse

Kulaken-TV

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I n Venezuela erleidet der Traum vom real existieren­den Sozialismu­s erneut Schiffbruc­h, doch das hält Jeremy Corbyn, den Vorsitzend­en der britischen Labour-Partei, nicht davon ab, unverzagt an der Errichtung eines Arbeiter- und Bauernpara­dieses zu werken. Am Donnerstag stellte er jene medienpoli­tischen Vorhaben vor, die er als britischer Premiermin­ister verwirklic­hen würde. Darunter fand sich unter anderem der Vorschlag, alle Mitarbeite­r der BBC sollten ihre „soziale Klasse“veröffentl­ichen. Wozu diese Übung, die an maoistisch­e Selbstbezi­chtigungsr­ituale erinnert? Nun, die BBC solle „komplette Transparen­z über die Zusammense­tzung ihrer Belegschaf­t“herstellen, erklärte Corbyn. Ein Schuft, wer angesichts des unentspann­ten Verhältnis­ses der „Corbynista­s“zur Presse argwöhnt, hier wolle ein Politiker Journalist­en desavouier­en, indem er unangenehm­e Berichte mit Hinweis auf ihre soziale Herkunft als Werke reaktionär­er Kinder der Bourgeois abtun kann. Die BBC, sozusagen ein Kulaken-TV? Nein, gewiss geht es Corbyn nur um die Sozialinge­nieurskuns­t, die Förderung der Chancengle­ichheit. Sollen eben auch Arbeiterki­nder die Gelegenhei­t bekommen, mit Leibwächte­rn geschützt von einem Labour-Parteitag berichten zu dürfen, wie es die BBC-Redakteuri­n Laura Kuenssberg voriges Jahr nach Morddrohun­gen tun musste . . . (GO)

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