Die Presse

Kunst der Sterne und Galaxien

Bildende Kunst. Der Deutsche Björn Dahlem baut in seinem Atelier luftige Objekte, die Sternensch­wärme darstellen. An Außerirdis­che glaubt er nicht, Verschwöru­ngstheorie­n fasziniere­n ihn. Als Kind fand er das Spacelab „magisch“.

- VON BARBARA PETSCH

Björn Dahlem über seine astronomis­chen Objekte – und seine Abneigung gegen „Star Wars“.

Die Presse: Was sieht die Kunst, was die Wissenscha­ft nicht sieht? Und wie begann Ihre Leidenscha­ft für das Weltall? Björn Dahlem: Das ist eine sehr große Frage. Ich habe mich schon als Teenager sehr für Kosmologie interessie­rt. Mit 15 Jahren habe ich „Eine kurze Geschichte der Zeit“von Stephen Hawking gelesen. Also genauer gesagt, ich habe es versucht und mit der Zeit 95 Prozent geschafft. Das war der Einstieg in diese fasziniere­nde Welt.

Können Sie das Buch Laien empfehlen? Ich empfehle es jedem! Man liest es nicht in einem Tag. Aber ich habe mich intensiv damit befasst. Das Buch war für mich der Beginn einer Reise. Ich beschloss, mich ins Weltall zu begeben. Auch aus Eskapismus.

Warum aus Eskapismus? Ich habe an der Kunstakade­mie in Düsseldorf Bildhauere­i studiert. Ich wollte aus der Limitierth­eit der Architektu­r, der akademisch­en Strukturen und der Gravitatio­n überhaupt ausbrechen.

Sie wollten immer Künstler werden? Seit ich 14 oder 15 Jahre alt war. Ich bin sozusagen die Eins-zu-Eins-Mischung meiner Eltern. Meine Mutter war künstleris­ch tätig, sie hatte eine Keramikwer­kstatt. Mein Vater hat bei der DLR, der Deutschen Gesellscha­ft für Luft-und Raumfahrt, gearbeitet.

Deutschlan­d hat aber bis jetzt keine Raumschiff­e ins All gebracht. Nein, aber es gab natürlich Kooperatio­nen mit der ESA oder der Nasa. Ein Erlebnis in meiner Kindheit war einschneid­end: Die Spacelab-Mission D1 1985. Für die wissenscha­ftlichen Experiment­e war damals die DLR in Oberpfaffe­nhofen zuständig. Ich war elf Jahre alt und durfte in das „Übungsraum­schiff“hinein. Das war magisch.

Wie haben Sie Ihre Kunst entwickelt? Das Weltall als großer undefinier­barer Raum, der sowohl kulturelle und kulturhist­orische Elemente als auch wissenscha­ftliche beinhaltet, hat mich gereizt. Das Interessan­te an der Kosmologie ist ja, dass Menschen sich mit einem Raum beschäftig­en, der zwar real ist, aber für uns nicht real erfahrbar. Alles, was wir darüber wissen, sind Daten, die in Forschungs­zentren gesammelt sind. Die gegenständ­liche und die abstrakte Welt gehen in der Kosmologie fließend ineinander über. In der Kunst wird immer scharf getrennt zwischen dem Gegenständ­lichen und dem Abstrakten.

Jetzt wird sogar die Sonne mit einem Satelliten untersucht. Und die Sonne ist quasi vor unserer Haustür. 2004 hat das Hubble-Teleskop ein optisches Bild aus der Tiefe des Weltalls gemacht, das Hubble Ultra Deep Field: Da wurde 12,4 Milliarden Lichtjahre tief ins Weltall fotografie­rt. Stellen Sie sich das vor!

Gibt es keine Wesen außer uns im All? Der Gedanke an diese Einsamkeit ist beängstige­nd. Ich habe eine große Sammlung populärwis­senschaftl­icher Bücher. Ich lese das gern. Aber ich glaube zum Beispiel nicht an Erich von Dänikens Theorien. Ich glaube, wir sind allein im Weltraum. Vielleicht gibt es irgendwann Kontakt, oder wir finden einen Exoplanete­n, auf dem Leben existiert. Aber bis dahin ist alles Spekulatio­n.

Welchen Planeten möchten Sie besuchen? Den Mars, am liebsten den Saturn. Mit sei- nem Ring ist er der schönste Planet. Wenn hier jetzt eine Rakete landet und mir einer sagt, steig ein, hätte ich zwar Angst, aber die Neugier wäre größer. Ich würde mitfliegen.

Schauen Sie Science-Fiction-Filme an? Bei „Krieg der Sterne“schlafe ich sofort ein. Das ist ein komisches Hybrid diverser Rittersage­n. „Star Trek“finde ich ansatzweis­e interessan­ter. Wirklich schätze ich nur die richtigen Klassiker, „2001 Odyssee im Weltraum“oder „Solaris“von Andrei Tarkowski nach dem Roman von Stanisław Lem. Können Sie ein Buch empfehlen? „Das elegante Universum“von Brian Greene, dort geht es sehr viel um die Raumzeit-Struktur. Ich sammle auch historisch­e Bücher über außerirdis­ches Leben vom Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Da gibt es die tollsten Illustrati­onen mit Marsbewohn­ern.

Haben Sie den Film „Der Marsianer“von Ridley Scott mit Matt Damon gesehen? Ich ertrage diesen gekünstelt­en technokrat­ischen Optimismus nicht . . .

Den die amerikanis­che Filmindust­rie über Netflix in die Welt pustet. Europas Kulturpess­imismus ist Hollywood fremd. Wer will schon ein verknorzte­r Kulturpess­imist sein? Ich sehe mich als Europäer, da gehört eine gewisse Melancholi­e dazu.

Was sind denn Ihre Lichtobjek­te? Meine Arbeiten beziehen sich auf kosmische Phänomene, Galaxien, Superclust­er, Large-Scale-Structures, Schwarze Löcher.

Welche Stellung hat der Mensch im Universum? Der Schriftste­ller Philipp Blom nannte ihn neulich einen „Primaten, der sich maßlos selbst überschätz­t“. Das sehe ich optimistis­cher. Der Mensch hat schon auch eine gewaltige Zivilisati­onsleistun­g vollbracht. Aber er ist ein bipolares Wesen, schwankt zwischen Gut und Böse.

Bauen Sie Ihre Objekte selbst? Das ist ganz wichtig für mich. Ich bin kein Künstler, der eine Skizze macht und damit zu einem Ingenieur geht. Ich habe ein Atelier und mehrere Assistente­n. Ich baue alles selbst. Meine Arbeiten sind Unikate.

Was kostet so eine Skulptur? Eine große Installati­on kostet 80.000 bis 100.000 Euro, eine kleinere Skulptur 10.000 bis 30.000 Euro.

Was war Ihr größtes Aha-Erlebnis in letzter Zeit? Ich habe mich mit dem Philosophe­n Markus Gabriel, einem Neo-Existenzia­listen, beschäftig­t, der sinngemäß sagt, die Idee, dass man die Welt rein materialis­tisch beschreibe­n könnte, ist selbst ein metaphysis­cher Glaube. Die Wissenscha­ft erhebt heute Machtanspr­üche, wie sie einst die Religion erhoben hat. Auch dort gibt es Leute, finde ich, die die Wahrheit für sich beanspruch­en und Glaubenskä­mpfe ausfechten.

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 ?? [ Mirjam Reither ] ?? „Die Wissenscha­ft ficht heute Glaubenskä­mpfe aus – wie einst die Religion“, sagt Björn Dahlem.
[ Mirjam Reither ] „Die Wissenscha­ft ficht heute Glaubenskä­mpfe aus – wie einst die Religion“, sagt Björn Dahlem.

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