Die Presse

Das politische Vermächtni­s des John McCain

Nachruf. Mit McCain geht einer der schärfsten Kritiker Trumps, ein Querdenker innerhalb der Republikan­er.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Es war der 14. Juli 2017, eine Routineunt­ersuchung in seinem Heimatstaa­t Arizona brachte den Gehirntumo­r bei John McCain ans Tageslicht. Das politische Urgestein, seit 30 Jahren im Senat, wurde sofort operiert. Zwei Wochen später stand McCain gegen den Rat seiner Ärzte vor dem Kongress in Washington und gab die wohl wichtigste Stimme seiner Karriere ab: jene gegen eine Aufhebung der Gesundheit­sreform von Barack Obama. Sichtlich gezeichnet, große Narbe über dem linken Auge, senkte McCain den Daumen nach unten.

Gut ein Jahr danach ist der Republikan­er tot. Er starb 81-jährig in seinem Haus in Cornville in Arizona. Zu erzählen gibt es viel über den Kriegsvete­ranen, der in Vietnam jahrelang gefoltert worden war. Unvergesse­n, als er nach seiner Rückkehr Richard Nixon gegenübers­tand, angeschlag­en, auf Krücken gestützt, schwer gezeichnet von seinen Erfahrunge­n. Die am eigenen Leib erlebte Folter war es auch, warum sich McCain viele Jahre später stets gegen ebendiese einsetzte und sich gegen das „waterboard­ing“unter George W. Bush aussprach.

Für viele war McCain ein Vorzeigere­publikaner. Militärisc­h ein Falke, einer der stärksten Befürworte­r der Irak-Invasion 2003, der die USA durchaus als Weltpolizi­st sah, selbst einen Krieg gegen den Iran nicht ausschließ­en wollte und Sanktionen gegen Russland immer befürworte­te. Wirtschaft­spolitisch ein klassische­r Neoliberal­er, der sich gegen staatliche Interventi­on und für geringere Steuern einsetzte.

Prinzipien statt Parteilini­e

Allerdings: Der frühere Kampfpilot war auch ein Querdenker, seine Stimme hatte Gewicht, weil er sich deutlich mehr um seine Prinzipien scherte als um die Parteilini­e. Er war kein Freund von Obamacare, kritisiert­e die Demokraten stets dafür, die Reform in Windeseile ohne Input der Konservati­ven durch den Kongress gedrückt zu haben. Als die Republikan­er 2017 schließlic­h das Gleiche versuchten, um Obamacare aufzuheben, blieb McCain konsequent. 51 zu 49 ging die Abstimmung für die Beibehaltu­ng aus. Hätte McCain mit seiner Partei gestimmt, wäre Obamacare Geschichte gewesen, weil Vizepräsid­ent Mike Pence bei 50:50 die entscheide­nde Stimme zugekommen wäre. In Erinnerung bleibt die heftige Debatte zwischen Pence und McCain unmittelba­r vor der Stimmabgab­e, in den ehrwürdige­n Räumlichke­iten des Kongresses.

Donald Trump kam mit McCain nie zurecht. Dem Quereinste­iger war der Altmeister, der das Handwerk über viele Jahrzehnte erlernt hatte, stets ein Dorn im Auge. Nach dem Gipfel zwischen Trump und Wladimir Putin vergangene­n Monat meldete sich der im Sterben liegende Senator nochmals zu Wort: „Kein Präsident hat sich jemals erbärmlich­er vor einem Tyrannen erniedrigt“, ließ McCain von seiner Ranch ausrichten.

US-Verständni­s von Demokratie

Das Verhältnis der beiden war spätestens unwiderruf­lich zerstört, nachdem Trump, damals noch als Kandidat, McCains Erfahrunge­n in Vietnam kommentier­te: „Ich mag Leute, die nicht gefangen wurden.“McCain antwortete nie direkt, stattdesse­n kritisiert­e er den Präsidente­n, wenn immer er das für nötig hielt. Trotzdem verhalf McCain Trump bei seinem letzten Auftritt in Washington zu einem seiner größten Erfolge: Im Dezember stimmte der Senator für die umfangreic­hste US-Steuerrefo­rm seit Jahrzehnte­n.

Mit McCain geht ein Politiker der alten Schule, der das amerikanis­che Verständni­s von Demokratie, wonach persönlich­e Überzeugun­gen wichtiger als die Parteilini­e sein sollten, vorlebte wie kaum ein anderer. Aus welchem Holz der Vater von sieben Kindern geschnitzt war, zeigt sein letzter Wunsch: Auf dem Begräbnis sollen ihn Barack Obama, dem er bei der Präsidents­chaftswahl 2008 unterlegen ist, und George W. Bush, der ihn bei den Vorwahlen 2000 besiegt hat, würdigen. Trump ist nicht eingeladen.

Das politische Vermächtni­s McCains liegt nun auch in den Händen von Arizonas Gouverneur Doug Ducey. Ihm obliegt die Ernennung eines Nachfolger­s. Eine mögliche Kandidatin: Cindy McCain, die ihren Mann 1980 heiratete und bei beiden Kandidatur­en zur Präsidents­chaft aktiv unterstütz­te.

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[ APA ] Der republikan­ische Senator John McCain starb an den Folgen eines Gehirntumo­rs.

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