Der Euro, das unvollendete Meisterstück
Europa. Wenn die Liberalen in die Nationalbank einziehen, werden sie sich rasch zurechtfinden. Der Euro war immer als harte Währung geplant – und ist es bisher auch. Dank des klaren EZB-Mandats. Und trotz aller Kritik und Rückschläge.
Jetzt ist wieder was passiert, würde der Autor Wolf Haas schreiben. Jetzt ziehen die Liberalen in die Nationalbank ein. Mit parteipolitischer Deckung, so ist das nun mal in Österreich. Aber bei all der Aufregung um Harald Mahrer (ÖVP, Wirtschaftskammer) und Barbara Kolm (FPÖ, Hayek-Institut), die seit Samstag Präsident und Vizepräsidentin der Nationalbank sind – die wahre Weichenstellung kommt erst, wenn in einem Jahr mit Robert Holzmann ein früherer Weltbank-Manager Gouverneur wird. Denn geht es um die Geldpolitik, dann zählt nur der Chef. Mit der Rückendeckung des neuen Präsidiums ist von Holzmann eine härtere Linie in Sachen Zinspolitik zu erwarten, als sie der frühere SPÖ-Politiker Ewald Nowotny vorlebt. Das würde gut zu Österreich passen – und auch zum Euro.
Just in diesen Tagen haben die Ökonomen der Nationalbank ein Papier vorgelegt, in dem sie die Krise aus EZB-Sicht noch mal Revue passieren lassen. Konkret stellen Ernest Gnan, Claudia Kwapil und Maria Teresa Valderrama die Frage, ob die Zielsetzung der EZB, die Inflation mittelfristig bei knapp unter zwei Prozent zu belassen, noch zeitgemäß ist. In den vergangenen Jahren, in denen sich die Notenbanken zuerst gegen den Kollaps des Finanzsystems und dann gegen eine drohende Deflation gestemmt haben, sind allerlei lustige Ideen diesbezüglich aufgekommen. Man solle das Inflationsziel einfach auf null oder ein Prozent senken, sagten die einen. Man soll es auf drei oder vier Prozent heben, sagen die anderen.
Aber die Europäische Zentralbank habe gut daran getan, ihre Zielsetzung nicht zu ändern, so Ernest Gnan im Gespräch mit der „Presse“: „Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die EZB an ihrem Preisstabilitätsziel von mittelfristig unter, aber nahe zwei Prozent festhalten sollte. Änderungen bei geldpolitischen Strategien können die Glaubwürdigkeit beschädigen.“Es gibt Jahre darüber und Jahre darunter, aber bisher hat die EZB ihr Inflationsziel erreicht. Der Euro ist eine harte Währung. Nun wird der geneigte Leser sagen: „Okay, aber was haben diese akademischen Fragen mit meinem Leben zu tun?“Sehr viel. Beim Euro geht es um mehr als „nur“Europa. Es geht auch ums Geld. Um dessen Kaufkraft. Um die Frage, ob ein System der festen Wechselkurse auf dem Kontinent dauerhaft Bestand haben kann – und wie. „Der Euro, das gilt auch weiterhin, hat riesige Vorteile“, sagt Gnan: „Eine Währung ist umso nützlicher für alle Beteiligten, je größer der Raum ist, in dem sie verwendet wird.“
Das wissen wir. Auch die Griechen, Spanier und Italiener wissen es. Niemand will ernsthaft aus dem Euro aussteigen. Das von einigen Ökonomen gerne vorgebrachte Argument, ein Land müsse abwerten können und der Euro sei eine Zwangsjacke, hält nicht stand. „Der Vorteil so einer Abwertung ist vorübergehend. Da sollte Venezuela als warnendes Beispiel dienen“, so Gnan.
Ja, man könne eine Wirtschaft durch Inflation kurz anschieben. Langfristig überwiegen die negativen Folgen. Statt notwendiger Reformen gibt es immer mehr lockeres Geld. Bis die Krise kommt. In Venezuela endet das gerade in einer totalen Katastrophe. Aber Griechenland konnte gerettet werden. „Der Euro hat trotz nicht mehr möglicher Wechselkursanpassungen zwischen den Euroländern einen Schutzschild gebracht. Der ESM besteht ja. Das ist eine Komponente, die nützlich ist“, sagt Gnan. Der Euro mag unvollendet sein, aber er wächst. Neo-Notenbankpräsident Mahrer hat einmal gesagt, dass der Euro lange brauchen werde, um sich zu perfektionieren. Kolm, die für die EU stets harte Kritik parat hat, wird in ihrer neuen Rolle überhaupt erst lernen müssen, den Euro zu lieben. Und Holzmann wird zu schätzen wissen, dass bereits viel erreicht wurde.
Ja, der Euro ist ein politisches Projekt. Aber er ist essenziell für die Weiterentwicklung Europas. Ihre Konstruktion erlaubt es der EZB, sich zu Recht die „unabhängigste Notenbank der Welt“zu nennen. Tatsächlich können die Notenbankchefs walten, ohne sich vor einer zentralen Stelle (wie einem EU-Präsidenten oder einem EU-Finanzminister) rechtfertigen zu müssen. Klar, zuhause schaut ihnen das Volk auf die Finger – aber das ist nur recht so.
Dort kann der Gouverneur auf das strikte Inflationsziel verweisen. Und es gibt keine besseren Währungshüter als die Österreicher oder die Deutschen. Beiden steckt die Hyperinflation der 1920er-Jahre bis heute in den Knochen. Nirgendwo auf der Welt hassen die Menschen die Teuerung derartig. Deswegen passt eine liberale OeNB besser zu Land und Leuten. Das geht bis zur Liebe fürs Bargeld, die von Notenbankern und Menschen gleichermaßen gelebt wird.
Es ist diese unnachgiebige Haltung der Menschen, Politiker und Ökonomen im Hartwährungskern der Eurozone, der den langfristigen Erfolg des Euro garantiert. Ja, wir müssen auch einmal zahlen, helfend einspringen, damit die Südländer in die richtige Richtung gehen. Aber alle gemeinsam bekommen wir auch etwas dafür.
„Es wird in der populistischen Diskussion oft gesagt, dass die Währungsunion den Ländern einen Sparkurst aufzwingt. Aber das stimmt nicht, eine solide Fiskalpolitik ist ja im Interesse jedes Landes“, sagt Ernest Gnan. Rund um die D-Mark ist schon lange vor dem Euro ein Hartwährungsblock entstanden. Nun wird der auf ganz Europa ausgeweitet. Das ist schwer. Wir gehen oft zwei Schritte vorwärts und dann einen zurück. Aber auch wenn er manchmal wenig geliebt wird: Ein Meisterstück ist er, dieser Euro.