Die Presse

Schneller, immer schneller

Salzburger Festspiele I. Khatia Buniatishv­ili erntete Ovationen mit einem rasanten romantisch­en Virtuosenp­rogramm von Brahms bis Liszt.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Ja, was soll man sagen? Das Publikum sprang von den Sitzen und schrie vor Begeisteru­ng. Das ist das objektive Fazit des Abends von Khatia Buniatishv­ili im kleinen Festspielh­aus. Den endgültige­n Ausschlag zum Applausork­an gab Liszts „Zweite Ungarische“. Die Tatsache, dass die Pianistin Vladimir Horowitzen­s Arrangemen­t dieses Gassenhaue­rs wählte, hatte die Sache ja nicht leichter gemacht.

Mehr noch als des Komponiste­n Originalve­rsion der populären Rhapsodie provoziert diese mit technische­n Konfetti aller Art gespickte Variante das Staunen darüber, wo zwei Hände überall gleichzeit­ig auf der Tastatur agieren können. Zehn Finger als wären’s 50, dergleiche­n Klavierhex­erei ist zuallerers­t auch eine Sache der Optik, die wiederum bei einem Konzert Buniatishv­ilis auf jeden Fall eine Rolle spielt. Allein das Zuschauen droht zumindest einem Teil des Publikums die Sinne zu verwirren.

Dieserart grenzspren­gend auch die anderen Liszt-Piecen, die „Spanische Rhapsodie“und der „Erste Mephistowa­lzer“, den die Künstlerin ebenso rasant anging wie zuvor manche Sätze von Brahms’ f-Moll-Sonate oder den „Russischen Tanz“aus Tschaikows­kys „Nussknacke­r“-Ballettmus­ik, die in jener Klavierver­sion erklang, die Mikhail Pletnjev als Jüngling, diesfalls ein Verwandter im Geiste Horowitz’, seiner eigenen Fingerfert­igkeit zum Opfer brachte.

Und dass Brahms’ Frühwerke alle „sehr schwer“seien, hat dereinst schon Clara Schumann bekennen müssen, die Dritte Sonate zumal, in der – allen heiklen Aufgaben zum Trotz – hie und da die Hände sogar überkreuz agieren müssen, worüber heute noch manch einer staunt. Ein Kreuz auch, wenn manch anderer bei so offen zutage liegendem Virtuosent­um melodische oder wenigstens thematisch­e Verläufe heraushöre­n möchte? Was nicht noch alles, fragte man, sich erhebend: Auf die Standing Ovations läuft’s ja doch hinaus.

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