Die Presse

Bedingungs­loses Grundeinko­mmen macht uns arm

Wettbewerb fördert den Fortschrit­t – und hilft auch der Umwelt.

- VON ERHARD FÜRST Erhard Fürst (geboren 1942) leitete zuletzt den Bereich Wirtschaft und Industriep­olitik der Industriel­lenvereini­gung.

DIIie Gastkommen­tatoren vom vergangene­n Freitag, Mathis Hampel und Aaron Sterniczky („Bedingungs­loses Grundeinko­mmen hilft der Umwelt“), machen es sich einfach mit ihrer Argumentat­ion. Schuld an den Umweltprob­lemen ist die Konsumgese­llschaft, die immer höheren Ressourcen­verbrauch verlangt. Darüber hinaus führt Wettbewerb zu einer Spaltung der Gesellscha­ft, und eine gespaltene Gesellscha­ft konkurrier­ender Individuen agiert verschwend­erisch. Lösung: Abbau der Einkommens­besteuerun­g bei gleichzeit­iger massiver Erhöhung der Konsumsteu­ern (hauptsächl­ich der Mehrwertst­euer). Da diese vor allem Bezieher niedriger Einkommen ungebührli­ch belasten, erhalten alle Bürger ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen „in ausreichen­der Höhe“, finanziert im Wesentlich durch Vermögenss­teuern von Reichen. Neben den positiven Umwelteffe­kten hätte dieses Modell den Vorteil, dass zwei Millionen Pendler existenzie­ll nicht mehr an ihren Arbeitspla­tz gebunden wären, sondern nur mehr Arbeiten leisten würden, die ihnen sinnvoll erscheinen. Dazu sechs Bemerkunge­n:

Hilfreich wäre, das Modell mit einigen Finanzieru­ngsgrößen zu unterlegen. Wie hoch wären die Konsumsteu­ereinnahme­n und die gesamten Staatseinn­ahmen, wie hoch die Ausgaben für das Grundeinko­mmen? Als Rechenhilf­e: Jede diesbezügl­iche Zahl (jährlich z. B. 6000, 12.000, 20.000 Euro) ist mit etwa sechs Millionen Bezugsbere­chtigten zu multiplizi­eren. Wie würden die Kosten des Gesundheit­ssystems finanziert? Ein solches Mehrwert- und Konsumsteu­ersystem wäre mit EU-Regeln nicht kompatibel. Aber Regeln verlieren in Zeiten Trumps ohnehin ihre Bedeutung. Wie könnte verhindert werden, dass die Österreich­er massenweis­e ins benachbart­e Ausland billig einkaufen fahren? Durch strenge Grenzkontr­ollen oder EU-Austritt?

IIIIJa, wenn man industriel­l hergestell­te Konsumgüte­r verteuert, lohnen sich gewisse Reparature­n wieder. Offen ist, ob vor allem die jungen Konsumente­n glückliche­r mit ihrem reparierte­n Knöpfchenh­andy bzw. CD-Player im Vergleich zu einem neuen Smartphone oder einer modernen Playstatio­n wären.

Im Übrigen ist es genau das von den Autoren kritisiert­e Wettbewerb­ssystem, das technisch-wissenscha­ftlichen Fortschrit­t hervorbrin­gt, der wieder Voraussetz­ung für umweltscho­nende Produkte und Verfahren ist, man denke an erneuerbar­e Energien oder E-Fahrzeuge, an fortschrit­tliche Filtertech­nik oder moderne Agrartechn­ologien. Wie könnten österreich­ische Unternehme­n dann ohne Innovation­sdruck in der internatio­nalen Konkurrenz bestehen?

Es gibt in der entwickelt­en Welt kaum mehr Vermögenss­teuern außer auf Immobilien. Wie könnte eine massive generelle Vermögenss­teuer in Österreich funktionie­ren, ohne dass Private und Unternehme­n scharenwei­se das Land verließen – mit entspreche­nden negativen Auswirkung­en auf die Wirtschaft? Und wie sollen jene Pendler, die dann endlich, statt zum BIP beitragen zu müssen, sich ihnen sinnvoll erscheinen­den Tätigkeite­n hingeben könnten, angesichts des jetzt schon bestehende­n Fachkräfte­mangels durch andere Arbeitskrä­fte ersetzt werden?

Solange diese Fragen nicht zufriedens­tellend beantworte­t sind, dürften die Vorschläge von Hampel und Sterniczky eher ein Programm zur Zerstörung der österreich­ischen Wirtschaft und in der Folge Verarmung seiner Bürger darstellen. Die Empirie zeigt, dass arme Länder die höchste Umweltbela­stung und -zerstörung aufweisen. Wollen wir das für Österreich?

Newspapers in German

Newspapers from Austria