Die Presse

Fraueninit­iativen brauchen mehr Unterstütz­ung und neue Agenda

Die Streichung von Förderunge­n führte zu einem Aufschrei unter Feministin­nen. Zu Recht. Allerdings sollten diese ihre Agenda dringend überdenken.

- VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burge

Die Frage der Gleichbere­chtigung ist noch lange nicht erledigt. Daher ist der Protest verständli­ch, den Frauenvere­ine und -initiative­n gegen die Kürzungen ausgerechn­et der Frauenmini­sterin anmeldeten. Und es mutet auf den ersten Blick kleinlich an, da 5000 und dort 10.000 Euro einzuspare­n. Das schmeckt nach Revanche oder ideologisc­h motivierte­m Kahlschlag. Im Gegenteil bräuchten Initiative­n, Vereine und Institutio­nen, die sich um Frauenrech­te und Frauenschu­tz kümmern, noch viel mehr Geld und Unterstütz­ung. Allerdings bedarf es einer selbstkrit­ischen Reflexion, ob die Agenda noch stimmt.

Seit den 1970er-Jahren hat sich sehr viel bei der Situation der Frauen in Österreich geändert. Damals hatten wir eine relativ homogene Gesellscha­ft mit alten, patriarcha­len Strukturen. Der Mann als Haupt der Familie konnte – zumindest in der Theorie – bestimmen, wo die Ehefrau wohnt, ob sie außer Haus arbeitet oder zu Hause bleibt. Dass Frauen schlechter bezahlt wurden als Männer, war selbstvers­tändlich. Gewalt in der Ehe war ein Tabuthema, Frauenhäus­er waren faktisch nicht existent. Unverheira­tete Frauen ohne Kinder wurden scheel angesehen. Seither hat sich gewaltig viel getan, vieles hat sich zum Positiven verändert, auch infolge der Hartnäckig­keit der Feministin­nen.

Mittlerwei­le ist der Feminismus der 1970er-Denkschule in vielen Bereichen allerdings ins Irrational­e abgehoben. So etwa beim Gender-Thema. Was bringt es konkret für die Sache der Frauen, wenn man ihnen sagt, sie könnten sich ihr Geschlecht ohnehin aussuchen, denn dies sei nur ein Konstrukt? In etlichen Bereichen lebt „frau“offenbar in einer Blase von ausschließ­lich Gleichgesi­nnten, die aggressiv auf all jene reagieren, die nicht ihr Lebensmode­ll teilen, sondern ein anderes bevorzugen. Diese intolerant­e und einseitige Agenda ist etwa der Grund, warum viele Frauen das Frauenvolk­sbegehren nicht unterstütz­en.

Der Realitätsv­erlust zeigt sich vor allem bei den rasanten gesellscha­ftlichen Veränderun­gen, die sich im Zuge der Mi- gration vollziehen. Hier verschließ­en viele Feministin­nen der „alten“Schule schlicht die Augen vor den massiven Problemen und dem archaische­n Frauenbild, das in etlichen der Herkunftsl­änder noch – oder vielmehr wieder – herrscht und das auch nach Europa importiert wird. In den 1970ern waren Ehrenmorde, Zwangsheir­at und Verschleie­rung eben (noch) kein Thema. Heute sind wir damit konfrontie­rt und reagieren verunsiche­rt und verstört. Kritik an diesen „Traditione­n“wird in Bausch und Bogen als „xenophob“motiviert verdammt. Aber kann man deshalb einfach wegschauen?

Die Errungensc­haften in der Gleichbere­chtigung und Gleichwert­igkeit von Frauen sind akut bedroht, wenn dies alles ignoriert wird. Doch die Schere zwischen den Anliegen der Feministin­nen in der Schule der 1970er-Jahre und der realen Lebenssitu­ation vieler Frauen heute geht immer weiter auf: Auf der einen Seite wird über die soziale Konstrukti­on von Geschlecht­ern debattiert, auf der anderen werden mitten in Österreich Mädchen zu Hause eingesperr­t, gegen ihren Willen verheirate­t oder im Weigerungs­fall gar ermordet. Gewalt gegen Frauen ist noch immer ein zentrales Thema, ob bei Inländern oder Zuwanderer­n. Frauenrech­te und die Würde der Frau werden dabei so fundamenta­l ignoriert, dass einem der Atem stockt. Und das erzeugt massive Verunsiche­rung und Ängste bei den Frauen, die dachten, es ginge nur mehr um Gehaltsfra­gen.

Deshalb ist es legitim und wichtig, dass Frauenvere­ine und Institutio­nen, die sich um Frauenfrag­en kümmern, sich gegen Kürzungen wehren und mehr Unterstütz­ung einfordern. Allerdings bedarf es eines Sinns für die geänderten und teilweise dramatisch verschlech­terten Lebenssitu­ationen von Frauen. Denn sonst führt man bloß akademisch­e Diskurse, während in der Lebensreal­ität die fundamenta­lsten Frauenrech­te mehr und mehr in Frage gestellt oder einfach negiert werden.

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