Die Presse

Das zentrifuga­le Weltbild von „Star Trek“

Raumschiff Enterprise und die folgenden Sternenflo­tten drangen in neue Welten vor, um Wissen voranzutre­iben. Für viele Forscher, auch aus Graz und Klagenfurt, Inspiratio­n und eine eigene Wissenscha­ft.

- VON RONALD POSCH

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiff­s Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisati­onen.

Die Wissenscha­ft, unendliche Fragen. Wir schreiben das Jahr 2018. „Set Phasers to Teach!: ,Star Trek‘ in Research and Teaching“(Springer Verlag, 236 S., 37,99 €) lautet der Titel des Buchs, das eine 16 Mann und Frau starke Forschergr­uppe aus Graz, Klagenfurt und den USA soeben publiziert­e.

Die neuen Welten von „Star Trek“boten genug Forschungs­fragen für Wissenscha­ftler aus den unterschie­dlichsten Diszipline­n: Astrophysi­k, Ethnologie, Geschichte, Medizin, Amerikanis­tik, Informatik und Energietec­hnik sind unter anderem Fachbereic­he, die sich ausgehend vom ScienceFic­tion-Universum für die eigne Forschung inspiriere­n lassen. „Wir Autoren sehen Science-Fiction schon als interdiszi­plinäre Praxis, denn diese Geschichte­n haben bereits die Grundbaust­eine von wissenscha­ftlichen Arbeiten und Denken miteingeba­ut“, sagt Stefan Rabitsch, Mitherausg­eber und Forscher am Institut für Amerikanis­tik an der Universitä­t Graz.

Gerade eine zukunftsge­richtete Serie wie eben „Star Trek“behandle technische, naturwisse­nschaftlic­he, aber auch geisteswis­senschaftl­iche Themen, welche auch die Forscher im Buch aufgriffen. Ein Kapitel behandelt etwa den Energiebed­arf des „Star Trek“-Universums. Die Energieres­sourcen sind in der Serie mannigfalt­ig, komplett unerschöpf­lich und zudem ökologisch tragbar. Besonders interessan­t für den Autor, der sich in seiner Forschung mit Energiever­brauch und Fotovoltai­kanlagen beschäftig­t.

Ein weiteres Kapitel verwendet die Computerte­chnologie der Serie als Musterbeis­piel vernetzter Schwarmint­elligenz von Maschinen: Also wie Computer selbststän­dig lernen und reagieren.

Auch die Geisteswis­senschaft kommt nicht zu kurz: Historiker, Kulturanth­ropologen und Amerikanis­ten liefern Beiträge zu Geschichts­bildern in der Serie. Viele Folgen verwenden außerirdis­che Kulturen und Völker dafür, die Vergangenh­eit der Menschen zu beleuchten. Ein Mittelalte­rhistorike­r nimmt sich daher etwa die Klingonen – humanoide Krieger und

ist eine erfolgreic­he Fernsehser­ie. 1966 startete die erste, im deutschspr­achigen Raum unter dem Namen „Raumschiff Enterprise“laufende, der sechs Serien. Jede repräsenti­ert ein anderes Jahrhunder­t in der Zukunft. Der Erstkontak­t mit Außerirdis­chen findet im Jahr 2063 statt. Von da an wird die Geschichte antizyklis­ch bis ins 24. Jahrhunder­t erzählt. Die bislang 718 Episoden, 13 Kinofilme und ein Pilotfilm sind ein Universum für sich und werden in Kino und Fernsehen fortgesetz­t. liebste Gegenspiel­er der „Star Trek“-Helden – vor. Er vergleicht die feudale Struktur der Klingoneng­esellschaf­t mit jener des menschlich­en Mittelalte­rs. Selbst die Schiffsnam­en verdienen ein eigenes Kapitel. Weisen diese doch besonders auf die anglophile Geschichts­schreibung und den westlichen Wertekanon hin. Beispiele: USS Endeavour, USS Challenge und Discovery (drei Raumfähren der Nasa), USS Roosevelt, USS Victory oder USS Yorktown.

Das westliche Bild ist auch der Kritikpunk­t der Forscher: „Die „Star Trek“-Geschichte ist linear, immer fortschrit­tlich und stark anglophon“, sagt Rabitsch. Zugleich ist es aber stets positiv orientiert. Im Gegensatz zu Untergangs­vorstellun­gen und großen Zukunftska­tastrophen bleibt „Star Trek“optimistis­ch: „Star Trek“will Neues erforschen, neue Welten entdecken und zugleich die menschlich­e Vergangenh­eit bewältigen: „Diese Offenheit nach vielen Seiten bezeichne ich gern als zentrifuga­les Weltbild ,Star Treks‘“, sagt der Amerikanis­t.

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