Jedem Rebstock sein Mikroklima
Ein Land mit 3000 Jahren Weinkultur bringt viel Expertise hervor. Weinbau funktioniert hier bis auf 1000 Meter, und die Winzer holen aus 20 Rebsorten das Bestmögliche heraus. Viele verbindet die berühmte Südtiroler Weinstraße.
Gesetzt den Fall, man ist mit Südtiroler Wein noch nicht so intensiv in Kontakt gekommen (was einem in Österreich erstaunlicherweise noch immer passieren kann), empfiehlt sich zum Einstieg ein Pinot Grigio oder ein Chardonnay, ein Lagrein oder ein Blauburgunder von 2016 (wenn nicht gerade von 2015 oder gar von 2000). Denn der Jahrgang gilt unter Weinexperten als sehr gut und könnte sozusagen für die Gewöhnung an die Materie sorgen: Besonders vielschichtige, lebendige Weißweine und strukturierte, komplexe Rote brachte dieses Weinjahr auf der sonnenverwöhnten Südseite der Alpen hervor. 2017 steht dem qualitativ um nicht viel nach. Bloß hinsichtlich der Menge: Hagel und Frost haben den Weinbauern im Vorjahr gröbere Ernteeinbußen beschert. In den Flaschen, Stahltanks und Barriquefässern lagern beziehungsweise reifen daher nun schlankere trinkfreudige Weine.
Was die Winzer 2018 erwartet, wird angesichts des Hitzesommers noch spannend werden. Dass die Ernte früher ausfällt, ist anzunehmen. So kommt der Wanderer, Radfahrer und Weintourist mit großem, aufnahmebereitem Kofferraum jetzt gerade recht, wenn die Trauben von Hand gelesen werden, die Traktoren voll beladen zu den Kellern knattern und die Winzer immer synchron zum Wetterbericht agieren. In den Verkostungsräumen der Weinbaubetriebe und der Genossenschaften herrscht zugleich Hochsaison.
Sehr viel Orientierungshilfe braucht es in dem kleinen, aber an Bedeutung großen Weinland nicht. Vieles erklärt sich von selbst, oft schon aus dem Gelände heraus. Nur grob: Kleinstes und kein klassisches, aber vielversprechendes Weinbaugebiet ist der apfelreiche Vinschgau im Westen des Landes. Ein trockenes, alpines Hochtal für Cool Climate Wines. Mineralische Weißweine sind das Synonym für das schmale, zum Teil sehr steile Eisacktal zwischen Brixen und Bozen mit seinen vielen kleinen Höfen und den berühmten Klöstern Neustift und Säben. Hier wird der Wein meist in Terrassen gebaut, die oft zu schmal für einen Traktor sind – insofern ist im Eisacktal der Wein- auch ein Bergbauer.
In der lauschigen Umgebung von Meran sowie zwischen Meran und Bozen hat der Etsch einen breiten fruchtbaren Talboden geschaffen, hier befindet sich mit Terlan einer der berühmtesten Weinorte. Ebendort im Etschtal beginnt (bei Nals) die berühmte Südtiroler Weinstraße. Sie führt leicht kurvig und in sanftem Auf und Ab durch die bekannten
Südtirols Wein prägen zwei Einflusssphären: Eisacktal und Vinschgau sind alpin, Überetsch und Unterland mediterran. Auch innerhalb dessen sind die Temperaturunterschiede oft groß, die Höhenunterschiede extrem: von 200 bis zu 1000 Metern.
20 Rebsorten finden hier ihren idealen Boden: Geologisch besonders ist das rötliche, sich leicht erwärmende Porphyrgestein, es ist vulkanischen Ursprungs (Bozen liegt am Rand eines riesenhaften Vulkankraters). Porphyr prägt die Weine von Meran über Bozen bis Kaltern. Im Eisacktal hingegen überwiegen Urgesteinsböden aus Quarz und Glimmer. Kalk- und Dolomit machen sich im Unterland (östlich der Etsch) für den Weinkenner bemerkbar. Noch weiter südlich haben es die Winzer mit sandigem Mergel zu tun. Weinorte des Überetsch: Eppan, Kaltern und Tramin. Die berühmte Route macht in Salurn an der Grenze zum Trentino kehrt und führt auf der anderen Seite der Etsch wieder retour in Richtung Bozen durch Orte wie etwa Neumarkt, Auer und Montan. Der bekannteste Name, mit dem auch Weinlaien Südtirol verbinden, liegt ebenfalls an dieser Weinstraße: der Kalterersee, ein von einem Rebenteppich eingekreistes idyllisches Gewässer mit schönen Weinhöfen und Ansitzen in Hanglage.
Bis in die Achtzigerjahre standen Kalterersee oder St. Magdalener (aus Bozen) quasi stellvertretend für die Massenproduktion eines ganzen Landes. Der Vernatsch, eine der Hauptrebsorten Südtirols, blieb damals weit unter seinen Möglichkeiten. Aber anders als beim österreichischen Nachbarn brauchte es keinen großen Skandal, damit die Winzer einem quali-
Anders als die meisten italienischen Provinzen hat Alto Adige einen Weißweinüberhang: Pinot Grigio, Gewürztraminer, Weißburgunder, Chardonnay, Sauvignon blanc, Müller-Thurgau, Kerner, Goldmuskateller und Sylvaner, Riesling und Grüner Veltliner ergeben einen Anteil von 60 Prozent. Beim Rotwein dominieren Vernatsch, Blauburgunder und Lagrein, dazu kommen Merlot, Cabernet und Rosenmuskateller. Exoten aus heutiger Sicht sind der Blatterle, eine dem Gelben Muskateller verwandte Sorte, die es heute kaum mehr gibt. Den Fraueler, ein leichter, säurebetonter Wein, wird man eher auftreiben können: Die weiße Traube findet man im Vinschgau.
St. Magdalener, Kalterersee und Meraner tragen die kontrollierte tätsbefreiten Markt abschworen. Antrieb von Pionieren wie Alois Lageder oder Peter Dipoli war die Überzeugung, nicht das Maximale, sondern das Bestmögliche aus dem heimischen Traubenmaterial herauszuholen. Die Typizität des Weins zu forcieren. Sich an einer internationalen Spitze zu orientieren. Diesem Aufbruchsgeist folgten viele Winzer und Betriebe, seien sie nun unternehmerisch, seien sie genossenschaftlich aufgestellt. Das trug bei aller Konsequenz Früchte: Der Anteil Südtiroler Spitzenweine im Premiumsegment ist seit Jahren überproportional hoch. Regelmäßig schneiden Weine aus Alto Adige als die besten Italiens ab, bei internationalen Auszeichnungen kann ein Pinot Grigio oder Sauvignon aus Südtirol ganz locker mithalten.
Dabei misst die Südtiroler Rebfläche in Summe gerade einmal 5400 Hektar. Wobei: Es gedeihen dank der sehr kleinräumigen Unterschiede bei Boden, Klima und Herkunftsbezeichnung DOC, diese Weine werden aus Vernatschtrauben hergestellt. DOC gibt es auch für den Südtirol Eisacktaler, Südtirol Terlaner und als jüngsten den Südtirol Vinschgau. 98 Prozent der Weine Südtirols tragen den Hinweis DOC. Besondere Lagenbezeichnungen sind noch selten, sie werden als Vigna angezeigt.
Kretzer ist der Name für Rose,´ besonders bekannt ist der LagreinKretzer. Strahler bezeichnet einen weißen gemischten Satz.
Traditionell wächst Wein auf Pergeln, auf einem Holzgerüst mit Überhang. Triebe und Laub bilden dabei ein Dach. Später setzten sich vermehrt andere Erziehungssysteme durch.
www.suedtirolwein.com Seehöhe (Wein wächst von 200 bis zu 1000 Meter) an die 20 Rebsorten.
Die südtiroltypische rote Fraktion heißt Lagrein und Vernatsch, zwei rote Trauben jeweils am anderen Ende der Farbsättigungsskala. Der Vernatsch trägt helles Rubin, das ihn je nach Ausbau schon wie einen Rose´ ankommen lässt. Der Lagrein hingegen tendiert ins satte Rubin bis Granat. Ersterer eine leichtere, gerbstoffärmere Angelegenheit, Zweiterer ein tiefgründigerer Charakter. Beide haben in den vergangenen Jahren eine echte Renaissance erlebt, wenngleich man sich hier selten den Weinmoden beugt. Auch der strohgelbe Gewürztraminer gehört zu diesen autochthonen Sorten, mit der die Südtiroler die Weinwelt bereichern. Vor 500 Jahren war er vorherrschend. Aber was heißt das schon in einer Weinkultur, die bereits von den Rätern gepflegt wurde – vor 3000 Jahren.