Die Presse

„Vielen wird es nun schlechter gehen“

Argentinie­n. Es gab Zeiten, da war er der Liebling der Märkte. Sie sind vorbei. Argentinie­ns Präsident Mauricio Macri bereitet seine Landsleute nach dem Absturz der Währung auf Entbehrung­en vor. Und er halbiert seine Regierung.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Nun gibt es keine Zweifel mehr. Selbst der Präsident gibt offen zu, dass Argentinie­n wieder in einer Krise steckt. Bisher hatte Mauricio Macri versucht, die Situation des von ihm seit zweieinhal­b Jahren geführten Staatswese­ns mit Begriffen aus der Meteorolog­ie zu erklären, mit „dunklen Wolken“, „Stürmen“und „Gewittern“. Am Montagmorg­en nun bekannte er offen: „Wir sind in einer Notlage. Vielen Landsleute­n wird es nun schlechter gehen.“

Macris Ansprache kam nach einem Wochenende fieberhaft­er Diskussion­en in der Präsidente­nresidenz Olivos vor den Toren von Buenos Aires. Dort standen zwei Themen zur Diskussion: die wirtschaft­liche Konsolidie­rung und die politische Neuordnung. Denn längst haben die seit Ende April andauernde­n Währungstu­rbulenzen das politische Kapital angefresse­n, das Macris Koalition Cambiemos im vorigen Oktober einen landesweit­en Triumph bei den Parlaments­wahlen eintrug.

Seitdem die im Vorjahr weitgehend stabile Landeswähr­ung Peso Ende April unter Druck geriet, erlebten die Argentinie­r eine Regierung, die mit erhebliche­r Konfusion reagierte. Die Notenbank opferte Milliarden ihrer Dollar-Reserven, um einen Peso zu stützen, der unrealisti­sch überbewert­et war. Weil ausländisc­he Finanzinve­storen aus Peso-Anlagen flüchteten und weil wohlhabend­e Argentinie­r ihre Portefeuil­les reflexarti­g dollarisie­rten, brauchte das Land plötzlich viel mehr US-Devisen als vorgesehen.

Die Regierung, die Ende 2015 von der Präsidente­n Cristina Kirchner einen ebenso ausgeplünd­erten wie aufgebläht­en Staat übernommen hatte, hat während zwei Jahren internatio­nale Investoren gewinnen können, um eine Transition zu einem marktoffen­en und finanzierb­aren Staatswese­n zu erreichen. In Zeiten von Nullzinsen in Europa und Nordamerik­a wurde Argentinie­n zu einem Hotspot für Finanzinve­storen, im Vorjahr war die Börse von Buenos Aires mit Zugewinnen von über 60 Prozent Weltmeiste­r.

Doch dieses Vertrauen zerrann jäh, als die Regierung ihre Inflations­ziele aufzuwei- chen begann, offenbar in der Hoffnung, die Konjunktur vor den Wahlen 2019 etwas anzukurbel­n. Als dann im April offenbar wurde, dass eine historisch­e Missernte dem Land Milliarden Dollars vorenthalt­en würde und zeitgleich in den USA die Zinsen zu steigen begannen, setzte jene Rallye ein, die Macri im Mai bewog, den Internatio­nalen Währungsfo­nds um Hilfe zu bitten.

Der Präsident glaubte damals, dass allein dieses Gesuch die Märkte beruhigen würde. Zwei Jahre lang war Macri der Liebling der Märkte gewesen; im Herbst wird er in Buenos Aires den G20-Gipfel ausrichten, es kommen Trump, Putin, Merkel. Doch die Wall Street senkte die Daumen. Während der IWF die Kreditlini­e von 50 Milliarden Dollar genehmigte, zogen sich sämtliche andere Geldgeber zurück. Das Land, das in den zwei Vorjahren jeweils mehr als 30 Milliarden Dollar geliehen bekam, stand nun, da alle Welt ihre Greenbacks aus der Pampa abziehen wollte, wie der Kaiser in neuen Kleidern.

„Die schlimmste­n fünf Monate meines Lebens“habe er hinter sich, bekannte Macri am Montag. In diesen Monaten stieg der Wert des Dollars von 23 auf bis zu 42 Pesos am vorigen Donnerstag, ehe ihn die Zentralban­k mit massiven Verkäufen auf unter 40 senken konnte. Nach einer Woche, in der die US-Devise um 25 Prozent teurer wurde, war klar: Nun muss jener radikale Schnitt her, den Macri nach Regierungs­antritt versucht hatte zu vermeiden. Am Wochenende kursierten Gerüchte über Einsparung­en und Steuererhö­hungen. Nun kündigte Macri an, vor allem die Exportwirt­schaft, die durch die jähe Abwertung ja massiv profitiert hat, um Hilfe zu bitten, um das Budget auszugleic­hen. 2019 soll das Primärdefi­zit, also die Schulden abzüglich der Kreditverp­flichtunge­n, bei Null liegen. Seit sieben Jahrzehnte­n sind die öffentlich­en Bilanzen Argentinie­ns negativ, was zum Großteil die Frage beantworte­t, warum das Land, das Anfang des 20. Jahrhunder­ts zu den reichsten der Erde gehörte, in die Dritte Welt abgerutsch­t ist.

Ausfuhren von Weizen, Mais und Mineralien werden nun wieder mit Zöllen von bis zu zehn Prozent belastet, die Senkung der SojaAusfuh­rzölle wird vorerst gestoppt. Macri hatte diese Abgaben, die unter den KirchnerRe­gierung mehr als ein Zehntel der Steuereinn­ahmen einbrachte­n, zu Beginn seiner Amtszeit weitgehend gestrichen. Nun bat er die betroffene­n Sektoren um Entschuldi­gung und um ihre Mithilfe „in dieser außerorden­tlichen Situation“. Der jähe Anstieg des Dollars wird sich gewiss in den Verbrauche­rpreisen spiegeln, Ökonomen erwarten, dass die Inflations­rate auf über 40 Prozent steigen könnte. Der Kreditvert­rag mit dem IWF sah noch maximal 32 Prozent Teuerung vor.

Um die Auswirkung­en der Inflation abzumilder­n, kündigte Macri an, dass Supermärkt­e eine Serie von Basisprodu­kten wieder zu kontrollie­rten Festpreise­n anbieten werden. Außerdem reduzierte Macri seine Regierung. Von den 19 Ministerie­n sollen „weniger als die Hälfte“übrigbleib­en.

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