„Vielen wird es nun schlechter gehen“
Argentinien. Es gab Zeiten, da war er der Liebling der Märkte. Sie sind vorbei. Argentiniens Präsident Mauricio Macri bereitet seine Landsleute nach dem Absturz der Währung auf Entbehrungen vor. Und er halbiert seine Regierung.
Nun gibt es keine Zweifel mehr. Selbst der Präsident gibt offen zu, dass Argentinien wieder in einer Krise steckt. Bisher hatte Mauricio Macri versucht, die Situation des von ihm seit zweieinhalb Jahren geführten Staatswesens mit Begriffen aus der Meteorologie zu erklären, mit „dunklen Wolken“, „Stürmen“und „Gewittern“. Am Montagmorgen nun bekannte er offen: „Wir sind in einer Notlage. Vielen Landsleuten wird es nun schlechter gehen.“
Macris Ansprache kam nach einem Wochenende fieberhafter Diskussionen in der Präsidentenresidenz Olivos vor den Toren von Buenos Aires. Dort standen zwei Themen zur Diskussion: die wirtschaftliche Konsolidierung und die politische Neuordnung. Denn längst haben die seit Ende April andauernden Währungsturbulenzen das politische Kapital angefressen, das Macris Koalition Cambiemos im vorigen Oktober einen landesweiten Triumph bei den Parlamentswahlen eintrug.
Seitdem die im Vorjahr weitgehend stabile Landeswährung Peso Ende April unter Druck geriet, erlebten die Argentinier eine Regierung, die mit erheblicher Konfusion reagierte. Die Notenbank opferte Milliarden ihrer Dollar-Reserven, um einen Peso zu stützen, der unrealistisch überbewertet war. Weil ausländische Finanzinvestoren aus Peso-Anlagen flüchteten und weil wohlhabende Argentinier ihre Portefeuilles reflexartig dollarisierten, brauchte das Land plötzlich viel mehr US-Devisen als vorgesehen.
Die Regierung, die Ende 2015 von der Präsidenten Cristina Kirchner einen ebenso ausgeplünderten wie aufgeblähten Staat übernommen hatte, hat während zwei Jahren internationale Investoren gewinnen können, um eine Transition zu einem marktoffenen und finanzierbaren Staatswesen zu erreichen. In Zeiten von Nullzinsen in Europa und Nordamerika wurde Argentinien zu einem Hotspot für Finanzinvestoren, im Vorjahr war die Börse von Buenos Aires mit Zugewinnen von über 60 Prozent Weltmeister.
Doch dieses Vertrauen zerrann jäh, als die Regierung ihre Inflationsziele aufzuwei- chen begann, offenbar in der Hoffnung, die Konjunktur vor den Wahlen 2019 etwas anzukurbeln. Als dann im April offenbar wurde, dass eine historische Missernte dem Land Milliarden Dollars vorenthalten würde und zeitgleich in den USA die Zinsen zu steigen begannen, setzte jene Rallye ein, die Macri im Mai bewog, den Internationalen Währungsfonds um Hilfe zu bitten.
Der Präsident glaubte damals, dass allein dieses Gesuch die Märkte beruhigen würde. Zwei Jahre lang war Macri der Liebling der Märkte gewesen; im Herbst wird er in Buenos Aires den G20-Gipfel ausrichten, es kommen Trump, Putin, Merkel. Doch die Wall Street senkte die Daumen. Während der IWF die Kreditlinie von 50 Milliarden Dollar genehmigte, zogen sich sämtliche andere Geldgeber zurück. Das Land, das in den zwei Vorjahren jeweils mehr als 30 Milliarden Dollar geliehen bekam, stand nun, da alle Welt ihre Greenbacks aus der Pampa abziehen wollte, wie der Kaiser in neuen Kleidern.
„Die schlimmsten fünf Monate meines Lebens“habe er hinter sich, bekannte Macri am Montag. In diesen Monaten stieg der Wert des Dollars von 23 auf bis zu 42 Pesos am vorigen Donnerstag, ehe ihn die Zentralbank mit massiven Verkäufen auf unter 40 senken konnte. Nach einer Woche, in der die US-Devise um 25 Prozent teurer wurde, war klar: Nun muss jener radikale Schnitt her, den Macri nach Regierungsantritt versucht hatte zu vermeiden. Am Wochenende kursierten Gerüchte über Einsparungen und Steuererhöhungen. Nun kündigte Macri an, vor allem die Exportwirtschaft, die durch die jähe Abwertung ja massiv profitiert hat, um Hilfe zu bitten, um das Budget auszugleichen. 2019 soll das Primärdefizit, also die Schulden abzüglich der Kreditverpflichtungen, bei Null liegen. Seit sieben Jahrzehnten sind die öffentlichen Bilanzen Argentiniens negativ, was zum Großteil die Frage beantwortet, warum das Land, das Anfang des 20. Jahrhunderts zu den reichsten der Erde gehörte, in die Dritte Welt abgerutscht ist.
Ausfuhren von Weizen, Mais und Mineralien werden nun wieder mit Zöllen von bis zu zehn Prozent belastet, die Senkung der SojaAusfuhrzölle wird vorerst gestoppt. Macri hatte diese Abgaben, die unter den KirchnerRegierung mehr als ein Zehntel der Steuereinnahmen einbrachten, zu Beginn seiner Amtszeit weitgehend gestrichen. Nun bat er die betroffenen Sektoren um Entschuldigung und um ihre Mithilfe „in dieser außerordentlichen Situation“. Der jähe Anstieg des Dollars wird sich gewiss in den Verbraucherpreisen spiegeln, Ökonomen erwarten, dass die Inflationsrate auf über 40 Prozent steigen könnte. Der Kreditvertrag mit dem IWF sah noch maximal 32 Prozent Teuerung vor.
Um die Auswirkungen der Inflation abzumildern, kündigte Macri an, dass Supermärkte eine Serie von Basisprodukten wieder zu kontrollierten Festpreisen anbieten werden. Außerdem reduzierte Macri seine Regierung. Von den 19 Ministerien sollen „weniger als die Hälfte“übrigbleiben.