Die Presse

Alles nicht so gemeint: Wenn Politiker einen Ausweg suchen

Mandatar Efgani Dönmez will missversta­nden worden sein. So wie schon manch Volksvertr­eter vor ihm versuchte, den Ruf zu retten. Oft entwickeln Politiker erstaunlic­h viel Kreativitä­t bei der Rechtferti­gung.

- E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

Efgani Dönmez fühlt sich missversta­nden. „Ich habe mit meinem Tweet den offensicht­lichen Kniefall einiger Politiker und Politikeri­nnen sowie Parteien in Europa vor reaktionär­en Migranteno­rganisatio­nen assoziiere­n wollen“, erklärte der aus dem ÖVP-Klub Ausgeschlo­ssene.

Andere hatten hingegen Dönmez’ Äußerung als Verweis auf Oralverkeh­r gedeutet. So hatte er auf die Frage eines Twitter-Users, wie die Berliner Staatssekr­etärin Sawsan Chebli (SPD) zu ihrem Amt gekommen sei, geantworte­t: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort.“

Immer öfter sind es Postings, über die Politiker stolpern. Ob Susanne Winter (FPÖ, Zustimmung zu Posting über „Geldjuden“), Marcus Franz (ÖVP-Klub, Angela Merkel wolle ihre Kinderlosi­gkeit mit Migration gutmachen) Christoph Vavrik (Neos, Adoption durch Homosexuel­le sei abartig): Sie alle mussten in der vergangene­n Legislatur­periode ihre Fraktion verlassen. Wobei Vavrik im damaligen ÖVP-Klub eine neue Herberge fand.

Aus Postings kommt man schwer heraus. Gerade nach mündlichen Aussagen aber entwickelt­en Politiker oft erstaunlic­h viel Kreativitä­t bei der Rechtferti­gung. Der einstige Wiener FPÖ-Chef Hilmar Kabas bestritt im Jahr 2000, Bundespräs­ident Thomas Klestil „Lump“genannt zu haben. Er habe „Hump“oder „Dump“gesagt. FPÖ-Klubchef Peter Westenthal­er wollte 2002 nicht in den ORF kommen, weil ihm der Moderator nicht passte. „Wenn die Sendung trotzdem zustande kommt, dann gibt es Stunk“, soll Westenthal­er dem Sender gedroht haben. Später erklärte er, gemeint zu haben: „Dann kommt die Trunk!“Melitta Trunk war SPÖ-Abgeordnet­e.

Als Karl-Heinz Grasser einst von der blauen zur schwarzen Regierungs­seite überlief, zürnte Jörg Haider: „Grasser ist ein Verräter“. Aber nein, Haider habe nur „Verwehter“gesagt, erklärte der FPÖ-Politiker Thomas Prinzhorn. Der frühere Tiroler Landeshaup­tmann Herwig van Staa bestritt, den deutschen Politiker Joschka Fischer als Schwein bezeichnet zu haben. Er haben „Schweigen“gesagt. Auch der spätere Kanzler Wolfgang Schüssel widersprac­h 1997 Ohrenzeuge­n, laut denen er den deutschen Bundesbank­präsidente­n eine „richtige Sau“genannt habe.

Manchmal zerstört aber ein Tonband die Verteidigu­ngstaktik: EU-Parlamenta­rier Andreas Mölzer bestritt 2014, vom „Negerkongl­omerat“gesprochen zu haben. Er habe „nekrophile­s Konglomera­t“gesagt. Nach Auf- tauchen der eindeutige­n Aufnahme zog sich Mölzer aus der Politik zurück.

Man kann aber auch die Verteidigu­ngstaktik wechseln. Als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache 2007 vorgeworfe­n wurde, auf einem Jugendbild den neonazisti­schen „Kühnengruß“zu zeigen, erklärte die FPÖ, es handle sich um den Gruß der Südtiroler Freiheitsk­ämpfer. Einen solchen Gruß mit drei Fingern gebe es nicht, hieß es dann aber aus Südtirol. Die neue Verteidigu­ngstaktik lautet nun bis heute: Strache habe bloß drei Bier bestellt.

Ein anderes Problem hatte SPÖNationa­lratspräsi­dent Anton Benya 1980. Er rief „Halts die Goschen da unten“, ins Plenum. Benya hatte vergessen, das Mikrofon auszuschal­ten. So wie manche Politiker heute zu vergessen scheinen, dass im Internet das Mikrofon immer aufgedreht ist.

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