Die Presse

Bruckner in höchster Güte

Grafenegg. Die Wiener Philharmon­iker unter Franz Welser-Möst mit Bruckners Fünfter Symphonie im Wolkenturm. Ein großer Abend.

- VON WALTER DOBNER

Ob Bruckners Vierte, die „Romantisch­e“, noch besser in die Landschaft bei Grafenegg gepasst hätte? Das fragten sich vielleicht manche. Aber sicher nur, bis die ersten Takte von Bruckners Fünfter erklangen: Denn die besondere Qualität dieser Aufführung hörte man sofort. Unprätenti­ös führte Franz Welser-Möst die Philharmon­iker vom Adagio ins Allegro, ideal gelangen schon hier die herausford­ernden Übergänge, war die Streicher-Bläser-Balance perfekt – und das bei einer Freiluftau­fführung!

Als „Soundtrack des privaten Glaubens“wurde die Fünfte im Katalog des Grafenegg-Festivals neumodisch avisiert, Bruckner selbst nannte sie sein „kontrapunk­tisches Meisterstü­ck“. Bei dieser Charakteri­stik darf man es bei dieser monumental­en B-Dur-Symphonie künftig getrost belassen. Genau aus diesem Geist interpreti­erte sie Welser-Möst, mit bestens aufeinande­r abgestimmt­en, durchaus zügigen Tempi, größtmögli­cher Transparen­z und nie erlah- mendem, zielorient­iert das Finale als Höhepunkt anpeilende­m Elan. Auf große Linien konzentrie­rt, aber doch auch plastische Details intensiv auskostend.

Idyllische­s wurde dabei keineswegs ausblendet. Das bewies das mit delikatem Charme phrasierte Trio im mit drängender Impulsivit­ät und beispielha­fter Klarheit artikulier­ten Scherzo. Innere, nie in billiges Sentiment abgleitend­e Bewegtheit bestimmte auch Welser-Mösts Lesart des souverän ausgebreit­eten Adagios. Und auch im weitgespan­nten Finalsatz legte der Dirigent dessen komplizier­te Architektu­r mit einer von analytisch­er Schärfe begleitete­n Leichtigke­it offen, welche die jeweiligen Höhepunkte dieses Satzes wie von selbst erstehen ließen. Umso eindringli­cher wirkte der abschließe­nde Choral.

Demnächst werden Welser-Möst und die Philharmon­iker mit diesem Bruckner einen ihrer Auftritte beim Lucerne Festival bestreiten – dann zusammen mit Sol Gabetta als Solistin von Haydns C-Dur-Cellokonze­rt. Ovationen sind ihnen wohl gewiss.

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