Die Wut der Tennis-Queen
Analyse. Naomi Osaka gewann die US Open. Die unterlegene Serena Williams setzte einmal mehr im Zorn ihren Ruf aufs Spiel. Ihre Anschuldigungen und Sexismusvorwürfe sind nicht haltbar.
Die Japanerin Osaka gewann die USOpen, Serena Williams fiel mit Wutanfällen auf.
New York/Wien. Formal hatte alles seine Richtigkeit. Denn Serena Williams, eine der größten Sportlerinnen der Geschichte, hat sich auf dem Tennisplatz, auch wenn es in diesem Fall der größte der Welt war, ganz einfach danebenbenommen. Mit ihren Ausrastern hat die 23-fache Major-Siegerin den bisher größten Moment in der Karriere von Naomi Osaka zerstört. Die 20-jährige Japanerin gewann die US Open, besiegte Williams im Finale 6:2, 6:4, ein beeindruckender Auftritt, bei dem Unbekümmertheit und absoluter Siegeswillen Hand in Hand gingen. Und dennoch musste sie danach Buhrufe über sich ergehen lassen.
Zu Beginn des zweiten Satzes verwarnte Schiedsrichter Carlos Ramos Williams wegen unerlaubten Coachings. Die Zeichen ihres Trainers waren auf TV-Bildern zu sehen, der stets redselige Patrick Mouratoglou gab es wenig später zu. „Aber ich denke, sie hat nicht zu mir geschaut.“Williams nahm die Verwarnung persönlich, fühlte sich zu Unrecht als Betrügerin bloßgestellt. Der Schuldige ist in diesem Fall wohl tatsächlich der Trainer und damit ihr Angestellter.
Danach aber noch zwei weitere Verwarnungen zu kassieren, eine für Schläger-Zertrümmern, eine für Ausfälligkeiten gegenüber Schiedsrichter Ramos („Lügner“, „Dieb“), zeugt von mangelnder Beherrschung. Nach Punkte- und Gameabzug war Osaka 5:3 in Front. Dabei wäre Haltung bewahren Williams’ einzige, minimale Chance gewesen, dieses Endspiel noch zu drehen. Im ersten Satz war sie chancenlos gewesen, und Osaka, das wusste man schon vor dem Finale, hat heuer alle 31 Partien siegreich beendet, in denen sie den ersten Satz gewonnen hat.
Das war in New York nicht anders. Williams erntete noch einmal Sympathien, als sie bei der Siegerehrung das Publikum beruhigte. Danach aber erklärte sie, dass ihre männlichen Kollegen bei schlimmeren Vergehen ohne Verwarnungen davonkommen würden, sprach von ihrem Kampf für Gleichberechtigung und unterstellte Ramos indirekt Sexismus.
Ihre Vorwürfe sind kaum haltbar, bei den US Open wurden Männer heuer 23 Mal wegen „code violations“verwarnt, die Frauen neun Mal. Im Vorjahr wurde der Italiener Fabio Fognini kurzerhand ausgeschlossen, weil er eine Schiedsrichterin beschimpft hatte. Carlos Ramos, der einzige männliche Referee bei den fünf Finalspielen der diesjährigen US Open, ist ohnehin für seine strenge Regelauslegung bekannt. Konsequent verwarnte er Rafael Nadal für Zeitüberschreitungen, sehr zum Ärger des aktuellen Weltranglistenersten. Doch auch dieser irrte. Das Problem sind vielmehr Ramos’ Kollegen, die in dieser Hinsicht eben keine klare Linie verfolgen. Auch Andy Murray fasste von Ramos schon eine Strafe wegen „verbal abuse“aus, und bei den diesjährigen French Open verwarnte Ramos Novak Djokovic´ sogar wegen Coachings (Gegner Marco Cecchinato ebenso). Aber: Ebenfalls in Paris sah der Portugiese vor zwei Jahren gegenüber Venus Williams, der älteren der beiden Schwestern, von einer Coaching-Verwarnung ab, forderte sie stattdessen auf, ihrem Trainer Einhalt zu gebieten.
Unrühmliche Liste
Das US-Open-Finale 2018 wird sich nun einreihen in eine Liste von unliebsamen Vorfällen in Flushing Meadows mit Serena Williams als Hauptdarstellerin. Im Halbfinale 2009 hatte sie gegen Kim Clijsters nach einer Verwarnung einen Disput mit einer Linienrichterin. Williams bedrohte diese nach einem Fußfehler bei Matchbällen gegen sich derart, dass der Referee einen Punkteabzug aussprach und ihre Niederlage besiegelte. Zwei Jahre später folgte im Endspiel eine Auseinandersetzung mit Schiedsrichterin Eva Asderaki, die Strafpunkte zur Folge hatte. Williams verlor danach glatt gegen Samantha Stosur. Schon einmal also stand der erste GrandSlam-Sieg einer ihrer Gegnerinnen im Schatten des Konflikts von Williams mit den Offiziellen.
Es bleibt die Hoffnung, dass die frisch gebackene Major-Siegerin Osaka zig weitere Grand Slams in ebenso beeindruckender Manier wie in New York gewinnen wird. Dann nämlich werden die US Open 2018 nur noch die Fußnote einer großen Karriere sein.