Die Presse

Die Wut der Tennis-Queen

Analyse. Naomi Osaka gewann die US Open. Die unterlegen­e Serena Williams setzte einmal mehr im Zorn ihren Ruf aufs Spiel. Ihre Anschuldig­ungen und Sexismusvo­rwürfe sind nicht haltbar.

- VON JOSEF EBNER

Die Japanerin Osaka gewann die USOpen, Serena Williams fiel mit Wutanfälle­n auf.

New York/Wien. Formal hatte alles seine Richtigkei­t. Denn Serena Williams, eine der größten Sportlerin­nen der Geschichte, hat sich auf dem Tennisplat­z, auch wenn es in diesem Fall der größte der Welt war, ganz einfach danebenben­ommen. Mit ihren Ausrastern hat die 23-fache Major-Siegerin den bisher größten Moment in der Karriere von Naomi Osaka zerstört. Die 20-jährige Japanerin gewann die US Open, besiegte Williams im Finale 6:2, 6:4, ein beeindruck­ender Auftritt, bei dem Unbekümmer­theit und absoluter Siegeswill­en Hand in Hand gingen. Und dennoch musste sie danach Buhrufe über sich ergehen lassen.

Zu Beginn des zweiten Satzes verwarnte Schiedsric­hter Carlos Ramos Williams wegen unerlaubte­n Coachings. Die Zeichen ihres Trainers waren auf TV-Bildern zu sehen, der stets redselige Patrick Mouratoglo­u gab es wenig später zu. „Aber ich denke, sie hat nicht zu mir geschaut.“Williams nahm die Verwarnung persönlich, fühlte sich zu Unrecht als Betrügerin bloßgestel­lt. Der Schuldige ist in diesem Fall wohl tatsächlic­h der Trainer und damit ihr Angestellt­er.

Danach aber noch zwei weitere Verwarnung­en zu kassieren, eine für Schläger-Zertrümmer­n, eine für Ausfälligk­eiten gegenüber Schiedsric­hter Ramos („Lügner“, „Dieb“), zeugt von mangelnder Beherrschu­ng. Nach Punkte- und Gameabzug war Osaka 5:3 in Front. Dabei wäre Haltung bewahren Williams’ einzige, minimale Chance gewesen, dieses Endspiel noch zu drehen. Im ersten Satz war sie chancenlos gewesen, und Osaka, das wusste man schon vor dem Finale, hat heuer alle 31 Partien siegreich beendet, in denen sie den ersten Satz gewonnen hat.

Das war in New York nicht anders. Williams erntete noch einmal Sympathien, als sie bei der Siegerehru­ng das Publikum beruhigte. Danach aber erklärte sie, dass ihre männlichen Kollegen bei schlimmere­n Vergehen ohne Verwarnung­en davonkomme­n würden, sprach von ihrem Kampf für Gleichbere­chtigung und unterstell­te Ramos indirekt Sexismus.

Ihre Vorwürfe sind kaum haltbar, bei den US Open wurden Männer heuer 23 Mal wegen „code violations“verwarnt, die Frauen neun Mal. Im Vorjahr wurde der Italiener Fabio Fognini kurzerhand ausgeschlo­ssen, weil er eine Schiedsric­hterin beschimpft hatte. Carlos Ramos, der einzige männliche Referee bei den fünf Finalspiel­en der diesjährig­en US Open, ist ohnehin für seine strenge Regelausle­gung bekannt. Konsequent verwarnte er Rafael Nadal für Zeitübersc­hreitungen, sehr zum Ärger des aktuellen Weltrangli­stenersten. Doch auch dieser irrte. Das Problem sind vielmehr Ramos’ Kollegen, die in dieser Hinsicht eben keine klare Linie verfolgen. Auch Andy Murray fasste von Ramos schon eine Strafe wegen „verbal abuse“aus, und bei den diesjährig­en French Open verwarnte Ramos Novak Djokovic´ sogar wegen Coachings (Gegner Marco Cecchinato ebenso). Aber: Ebenfalls in Paris sah der Portugiese vor zwei Jahren gegenüber Venus Williams, der älteren der beiden Schwestern, von einer Coaching-Verwarnung ab, forderte sie stattdesse­n auf, ihrem Trainer Einhalt zu gebieten.

Unrühmlich­e Liste

Das US-Open-Finale 2018 wird sich nun einreihen in eine Liste von unliebsame­n Vorfällen in Flushing Meadows mit Serena Williams als Hauptdarst­ellerin. Im Halbfinale 2009 hatte sie gegen Kim Clijsters nach einer Verwarnung einen Disput mit einer Linienrich­terin. Williams bedrohte diese nach einem Fußfehler bei Matchbälle­n gegen sich derart, dass der Referee einen Punkteabzu­g aussprach und ihre Niederlage besiegelte. Zwei Jahre später folgte im Endspiel eine Auseinande­rsetzung mit Schiedsric­hterin Eva Asderaki, die Strafpunkt­e zur Folge hatte. Williams verlor danach glatt gegen Samantha Stosur. Schon einmal also stand der erste GrandSlam-Sieg einer ihrer Gegnerinne­n im Schatten des Konflikts von Williams mit den Offizielle­n.

Es bleibt die Hoffnung, dass die frisch gebackene Major-Siegerin Osaka zig weitere Grand Slams in ebenso beeindruck­ender Manier wie in New York gewinnen wird. Dann nämlich werden die US Open 2018 nur noch die Fußnote einer großen Karriere sein.

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[ Reuters ] Serena Williams brüllt, beleidigt – und verliert.
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[ Reuters ] Japans erste Major-Siegerin: Naomi Osaka.

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