Wie ein ängstlicher Bub ein erfolgreicher Rechtspopulist wurde
Porträt. Jimmie Akesson,˚ Chef der Schwedendemokraten, spricht das Unbehagen vieler Schweden geschickt an.
Jimmie A˚kesson war nach der Parlamentswahl 2014 psychisch am Ende. Er habe sich wegen eines Burn-outs krankschreiben lassen und Antidepressiva genommen, wie er selbst erzählte. Doch die Flüchtlingskrise und Schwedens Politik der offenen Türen haben den Chef der einwanderungskritischen Schwedendemokraten (SD) zurück auf das politische Parkett gebracht. Am Sonntag konnte er für seine Partei einen historischen Wahlsieg verbuchen.
Das ist vor allem A˚kessons persönlicher Verdienst. Der 39-Jährige hat es geschafft, seine SD von der Neonazi-Vergangenheit zu distanzieren. Dadurch erreicht er neue Wählerschichten, sogar zehn Prozent der eingebürgerten Einwanderer stimmen für ihn. Erfolg hat er auch in der Provinz, wo Großstädter als arrogant empfunden werden. Im Kinderfernsehen tanzt er mit Migrantenkindern. Er wiederholt stets, dass er keine Rassisten dulde und niemanden, der in Schweden wohne, verjagen wolle.
Angst vor Einwandererkindern
Doch der SD-Chef widerspricht sich selbst oft. Je nach Publikum sagt er etwas anderes. Bei einer TV-Debatte am Wochenende etwa zeigte er wieder seine radikalere Seite: „Warum ist es so schwer, für diese Menschen hier Arbeit zu finden? Weil sie keine Schweden sind und weil sie nicht nach Schweden passen“, schimpfte A˚kesson über Einwanderer. „Wie drückst du dich eigentlich aus?!“, schrie ihn darauf die Chefin der Zentrumspartei, Annie Lööf, an und knallte die Faust auf ihr Podest. Selbst die öffentlich-rechtlichen TV-Moderatoren nahmen Abstand. A˚kesson drohte dem Sender, ihn in der Wahlnacht wegen „unlauterer Einmischung“zu boykottieren. Der Rechtspopulist liebt es, den verschmähten Underdog zu spielen.
In Schweden teilen immer mehr Bürger seine Auffassungen. Lange war seine Partei die einzige, die Einwanderung begrenzen wollte und Zuwanderung „problematisch“nannte. Durch seine Beliebtheit hat es der Mann mit dem adretten Dreitagebart zudem geschafft, Sozialdemokraten wie Konservative von ihrem einwandererfreundlichen Kurs abzubringen. Gebracht hat es nichts. A˚kesson ist zum dritten Mal in Folge und mit einem enormen Stimmenzuwachs Königsmacher im Parlament. Die anderen Parteien könnten ihn nun nicht mehr ignorieren, sagte er im Wahlkampf.
Von so viel Erfolg hätte A˚kesson früher nicht einmal zu träumen gewagt, sagte er einmal. Das Scheidungskind wuchs mit seinem stark behinderten jüngeren Bruder bei der Mutter auf. In einer TV-Sendung erzählte er von seinem Heimatörtchen Sölvesborg in Südschweden. Schon damals kamen „sehr schnell viele Einwanderer“, sagte er. „Die Kinder aus anderen Ländern hielten zusammen, sie waren gegen uns.“Die Einwandererkinder hätten einmal auch ein Messer dabeigehabt. „Klar, da bekommt man Angst.“Eine TV-Reportage enthüllte später, dass A˚kesson alles A ˚ erfunden haben muss, weil in seinem Kindheitsviertel so gut wie keine Ausländer lebten. Doch sein gefühlvoll zur Schau getragenes Unbehagen gegenüber zu vielen Fremden blieb bei vielen Zuschauern hängen.
Im Jahr 1995 ist A˚kesson nach einer Zeit bei den jungen Konservativen, die er aufgrund ihrer EU-Freundlichkeit nicht mochte, Mitglied der damals rechtsextremen SD geworden. Die Partei war sieben Jahre zuvor von Gustaf Ekström, einem Veteranen der SS-Panzerdivision „Wiking“, und von Neonazis gegründet worden. Der hochintelligente A˚kesson stieg schnell auf, kam schon 1997 in den Vorstand. Inzwischen studierte er, unter anderem Philosophie und Politikwissenschaften, machte aber nie einen Abschluss. 2005 wurde er Parteivorsitzender und mäßigte die SD schrittweise.
Kritiker glauben, dass eine politische Isolierung A˚kessons bei den nächsten Parlamentswahlen noch mehr Stimmen bringen könnte. Zumal er immer häufiger auch auf soziale Fragen setzt, in einem Land, in dem sich der Anteil der Armen von rund sieben auf 14 Prozent verdoppelt hat. „Ich will Schweden seinem Volk zurückgeben“, sagt er gern. Sein Ziel: „Ich will Ministerpräsident von Schweden werden.“