Die Lehren aus dem September 2008
Rückblick. Vor zehn Jahren stand die Finanzwelt am Abgrund, Investoren fürchteten um ihr Geld. Ein paar wichtige Börsenregeln – erklärt anhand der Kursbewegungen von damals und seither.
Es ist ein Fehler, die größte Finanzkrise der Nachkriegszeit auf den September 2008 zu reduzieren. Das Unheil nahm lang vorher seinen Lauf. Die Nachwehen wirkten weit bis in das Jahr 2009 hinein. Trotzdem gilt der Monat, in dem die US-Investmentbank Lehman Brothers fallengelassen wurde, als Inbegriff für die Panik an den Märkten.
In Zahlen sieht das so aus: Der S&P 500 verlor im September 2008 mehr als 20 Prozent, der MSCI Emerging Markets Index brach um fast 30 Prozent ein, auch der europäische Stoxx 600 Index verbuchte ein zweistelliges Minus. Jede Krise hat ihre eigenen Ursachen. Einige Regeln gelten aber immer. Anhand der Ereignisse von damals und den Entwicklungen seither lassen sie sich wie folgt aufzeigen:
1. Timing ist unmöglich. Wer glaubt, Kursschwankungen für den richtigen Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg heranziehen zu können, ist auf dem Holzweg. Das beweist die Achterbahnfahrt von 2007 bis 2009. Zum Beispiel gab es Ende 2007 und Anfang 2008 zwei Phasen, in denen der S&P 500 Index deutlich einbrach. Einmal verlor er innerhalb von 31 Handelstagen elf Prozent, ein anderes Mal inner- halb von 28 Handelstagen 17 Prozent. Aber, und das wird im Rückblick oftmals vergessen, dazwischen ging es beachtlich nach oben. Etwa Anfang Dezember 2007 um acht Prozent oder Ende Jänner 2008 um zehn Prozent.
Vorsichtig ausgedrückt: Die Volatilität war hoch. Weniger vorsichtig: Da spielte sich die Hölle ab. Einer der Gründe war, dass nicht wenige Händler dachten, den Markt „timen“zu können. Sie kauften, weil Kursverluste zu Buche standen. Immer drehte der Markt kurz nach oben, ehe der nächste dramatische Einbruch folgte. Letztendlich verloren fast alle, weil es ab Mitte 2008 erst so richtig bergab ging. Von Mitte August bis Mitte Oktober verlor der S&P 500 ein Drittel seines Wertes.
2. Auf die Frist kommt es an. Die Tatsache, dass exaktes Timing schlecht funktioniert, heißt nicht, dass man Kursschwankungen bei Kaufentscheidungen nicht berücksichtigen soll. Für jemanden, der langfristig denkt, und etwa einen Zeithorizont von zehn Jahren mitbringt, ist es durchaus sinnvoll, nach Kurseinbrüchen zu kaufen. Es kann dann natürlich jederzeit noch weiter nach unten gehen, aber immerhin hat man nicht auf dem absoluten Höhepunkt zugekauft.
Allerdings: Es ist sinnvoller, graduell in den Markt einzusteigen, als das gesamte Ersparte auf einmal nach Kursverlusten einzusetzen. Wer im März 2008 aggressiv einstieg, musste in den folgenden Monaten schwere Verluste verkraften. Wer jedoch schrittweise investierte und Monat für Monat einen gewissen Betrag in den Aktienmarkt steckte, nutzte im Endeffekt die Verluste aus, um günstiger einzukaufen. Die Erträge wurden ab 2009 geerntet.
3. Nur keine Panik. Es ist leichter gesagt als getan, bei Kurseinbrüchen wie jenen im September 2008 kühlen Kopf zu bewahren und die monatliche Kaufstrategie konsequent weiterzuverfolgen. Die Alternative wäre allerdings, bei einem Gemetzel zu verkaufen und auf den nächsten Zeitpunkt zum Einstieg zu warten. Das ist eine Form des Timings, und das funktioniert eben selten, siehe Punkt 1.
Man kann als Vergleich die Periode Ende Jänner und Anfang Februar 2018 heranziehen. Es gab die erste Korrektur auf dem USMarkt seit Langem. Wer danach jedoch verkaufte, schnitt sich ins eigene Fleisch. Im August markierten die Indizes neue Rekordwerte. Vor zehn Jahren dauerte es länger, die Marken von Anfang September 2008 wurden erst 2010 wieder er- reicht. Doch wer nicht in Panik verfiel und Monat für Monat im Rahmen seines finanziellen Spielraums einkaufte, wurde belohnt.
4. Diversifizierung wird überbewertet. Natürlich kann und soll man geografisch und inhaltlich diversifizieren, boomende Technologiewerte wie auch solide Einzelhändler, die eine Dividende ausschütten, im Portfolio haben. Aber wenn es wirklich kracht, dann auf der ganzen Welt und in fast allen Kategorien. Aktuell gelten die Schulden der Schwellenländer, die Budgetkrise in Italien und der Handelskrieg zwischen den USA und China als Risken. Wenn einer der Punkte außer Kontrolle gerät, wird man mit Aktien erhebliche Verluste einfahren. 2008 dient als warnendes Beispiel.
Freilich: Abseits des Aktienmarkts kann man sich mit Anleihen, Rohstoffen oder Bargeld breit aufstellen. Doch langfristig fährt man mit Aktien am besten, auch das lehrt uns die Geschichte. Man kann sein Portfolio verschieben und teilweise absichern, aber eine völlige Umschichtung hat selten Sinn. Kurzum: Eine lange Frist und starke Nerven sind wichtiger als komplizierte Methoden zur Absicherung. Das war vor zehn Jahren so. Das wird auch bei der nächsten Krise so sein.