Die Presse

Studium verzögert: Schadeners­atz für Eltern

Unterhalt. Da ihr Kind bei einem Verkehrsun­fall verletzt wurde und nicht gleich auf die Uni konnte, forderten Mutter und Vater, dass der Pkw–Lenker hafte. Die Eltern bekamen auch recht – aber nicht so, wie sie sich das vorgestell­t hatten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Soeben hatte sie maturiert. Im Herbst hätte sie zur Aufnahmepr­üfung für das Medizinstu­dium antreten wollen. Doch daraus wurde nichts. Denn die junge Frau wurde durch einen Verkehrsun­fall verletzt. So konnte sie ihr Studium erst ein Jahr später beginnen. Aber dürfen deswegen die Eltern der Frau vom schuldigen Verkehrsle­nker Ersatz für den Unterhalt fordern, weil sie die Tochter nun länger erhalten müssen?

Die Verletzung­en der Frau waren schwer, auch Dauerfolge­n sind möglich. Die Versicheru­ng des Pkw-Lenkers erklärte, gegenüber der jungen Frau für die Unfallfolg­en aufzukomme­n. Auch dafür, dass diese erst verspätet ins Berufslebe­n wird eintreten können, weil sich das Studium verzögert hat.

Doch nun forderten auch die Eltern der Studentin Geld. Er habe in dem einen Jahr knapp 6400 Euro Unterhalt für die Tochter zahlen müssen, obwohl sie gar nicht studieren konnte, sagte der Vater. Zudem sei nicht auszuschli­eßen, dass die Tochter wegen der Spätfolgen des Unfalls noch länger auf der Uni brauche, als gedacht. Die Mutter argumentie­rte gleich und forderte knapp 5600 Euro an Unterhalts­leistungen ein.

Das wollten der Pkw-Fahrer und seine Versicheru­ng nicht zahlen. Schließlic­h sei beim Unfall die Tochter geschädigt worden, nicht ein Elternteil. Und die Familie würde bereichert werden, wenn die Tochter Geld für den Verdienste­ntgang und zusätzlich die Eltern Ersatz für den Unterhalt bekommen würden. Außerdem sei die Tochter mitschuldi­g an ihren Verletzung­en, weil sie nicht angegurtet gewesen sei.

Das Bezirksger­icht Judenburg war der Meinung, dass den Eltern jetzt noch kein Geld zustehe. Aber es gab dem Feststellu­ngsbegehre­n statt, laut dem die Eltern grundsätzl­ich Ansprüche gegen den Pkw-Lenker und seine Versicheru­ng geltend machen können.

Das Landesgeri­cht Leoben wies die Klage der Eltern ganz ab. Denn der Schaden, ein Jahr länger Unterhalt zahlen zu müssen, wäre bei der Geschädigt­en selbst (also der Tochter) nie entstanden. Daher dürften auch die Eltern nichts erhalten, es liege ein nicht ersatzfähi­ger Drittschad­en vor.

Eine falsche Ansicht, wie der Oberste Gerichtsho­f (OGH) klarstellt­e. Er verwies auf die Judikatur zu Fällen, in denen ein Arbeitgebe­r den Lohn für seinen verletzten Mitarbeite­r vom Schädiger zurückford­ern könne. Hier sei es ähnlich. Die Eltern hätten also ein Recht, das Mehr an Unterhalts­kosten zu verlangen, das durch den Unfall der Tochter entstanden ist. Und diese Ansprüche dürften die Eltern auch gerichtlic­h feststelle­n lassen, betonte der OGH.

OGH: Schaden erst am Ende

Aber noch sei kein Schaden bei den Eltern entstanden, daher bekämen sie auch (noch) kein Geld, erklärten die Höchstrich­ter. Denn auch ohne Unfall hätten die Eltern für die Tochter den Unterhalt im Folgejahr zahlen müssen. Dann hätte sie ja einfach studiert. Wenn, dann können die Eltern erst zum Studienend­e hin Unterhalt bekommen, falls die Tochter wegen des Unfalls länger braucht. Aber auch dann dürften die Eltern den Unterhalt nur unter der Voraussetz­ung einfordern, dass nicht die Tochter bereits Geld für den verspätete­n Berufseint­ritt erhalte, betont der OGH (2 Ob 18/18p). Denn beides könne man nun auch nicht vom Schädiger verlangen.

In der Praxis dürften die Eltern mit ihrer Klage also nicht viel gewonnen haben, analysiert Andreas Kletecka,ˇ Professor für Zivilrecht an der Universitä­t Salzburg. Denn der Betrag, den die Tochter für den verspätete­n Berufseint­ritt als Medizineri­n fordern könne, werde höher als der Unterhalt sein, den die Eltern für ihre studierend­e Tochter fordern könnten, analysiert der Schadeners­atzexperte im Gespräch mit der „Presse“.

Außerdem muss nun noch von der ersten Instanz geklärt werden, inwieweit die angehende Medizineri­n wirklich mitschuldi­g war am Unglück. Wer ohne Gurt fährt und sich deswegen schwerer verletzt als sonst, hat einen geringeren Schadeners­atzanspruc­h.

 ?? [ APA/Robert Jaeger ] ?? Am Test für das Medizinstu­dium konnte eine junge Frau wegen eines Verkehrsun­falls erst verspätet teilnehmen – sie verlor ein Studienjah­r.
[ APA/Robert Jaeger ] Am Test für das Medizinstu­dium konnte eine junge Frau wegen eines Verkehrsun­falls erst verspätet teilnehmen – sie verlor ein Studienjah­r.

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