Studium verzögert: Schadenersatz für Eltern
Unterhalt. Da ihr Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde und nicht gleich auf die Uni konnte, forderten Mutter und Vater, dass der Pkw–Lenker hafte. Die Eltern bekamen auch recht – aber nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatten.
Wien. Soeben hatte sie maturiert. Im Herbst hätte sie zur Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium antreten wollen. Doch daraus wurde nichts. Denn die junge Frau wurde durch einen Verkehrsunfall verletzt. So konnte sie ihr Studium erst ein Jahr später beginnen. Aber dürfen deswegen die Eltern der Frau vom schuldigen Verkehrslenker Ersatz für den Unterhalt fordern, weil sie die Tochter nun länger erhalten müssen?
Die Verletzungen der Frau waren schwer, auch Dauerfolgen sind möglich. Die Versicherung des Pkw-Lenkers erklärte, gegenüber der jungen Frau für die Unfallfolgen aufzukommen. Auch dafür, dass diese erst verspätet ins Berufsleben wird eintreten können, weil sich das Studium verzögert hat.
Doch nun forderten auch die Eltern der Studentin Geld. Er habe in dem einen Jahr knapp 6400 Euro Unterhalt für die Tochter zahlen müssen, obwohl sie gar nicht studieren konnte, sagte der Vater. Zudem sei nicht auszuschließen, dass die Tochter wegen der Spätfolgen des Unfalls noch länger auf der Uni brauche, als gedacht. Die Mutter argumentierte gleich und forderte knapp 5600 Euro an Unterhaltsleistungen ein.
Das wollten der Pkw-Fahrer und seine Versicherung nicht zahlen. Schließlich sei beim Unfall die Tochter geschädigt worden, nicht ein Elternteil. Und die Familie würde bereichert werden, wenn die Tochter Geld für den Verdienstentgang und zusätzlich die Eltern Ersatz für den Unterhalt bekommen würden. Außerdem sei die Tochter mitschuldig an ihren Verletzungen, weil sie nicht angegurtet gewesen sei.
Das Bezirksgericht Judenburg war der Meinung, dass den Eltern jetzt noch kein Geld zustehe. Aber es gab dem Feststellungsbegehren statt, laut dem die Eltern grundsätzlich Ansprüche gegen den Pkw-Lenker und seine Versicherung geltend machen können.
Das Landesgericht Leoben wies die Klage der Eltern ganz ab. Denn der Schaden, ein Jahr länger Unterhalt zahlen zu müssen, wäre bei der Geschädigten selbst (also der Tochter) nie entstanden. Daher dürften auch die Eltern nichts erhalten, es liege ein nicht ersatzfähiger Drittschaden vor.
Eine falsche Ansicht, wie der Oberste Gerichtshof (OGH) klarstellte. Er verwies auf die Judikatur zu Fällen, in denen ein Arbeitgeber den Lohn für seinen verletzten Mitarbeiter vom Schädiger zurückfordern könne. Hier sei es ähnlich. Die Eltern hätten also ein Recht, das Mehr an Unterhaltskosten zu verlangen, das durch den Unfall der Tochter entstanden ist. Und diese Ansprüche dürften die Eltern auch gerichtlich feststellen lassen, betonte der OGH.
OGH: Schaden erst am Ende
Aber noch sei kein Schaden bei den Eltern entstanden, daher bekämen sie auch (noch) kein Geld, erklärten die Höchstrichter. Denn auch ohne Unfall hätten die Eltern für die Tochter den Unterhalt im Folgejahr zahlen müssen. Dann hätte sie ja einfach studiert. Wenn, dann können die Eltern erst zum Studienende hin Unterhalt bekommen, falls die Tochter wegen des Unfalls länger braucht. Aber auch dann dürften die Eltern den Unterhalt nur unter der Voraussetzung einfordern, dass nicht die Tochter bereits Geld für den verspäteten Berufseintritt erhalte, betont der OGH (2 Ob 18/18p). Denn beides könne man nun auch nicht vom Schädiger verlangen.
In der Praxis dürften die Eltern mit ihrer Klage also nicht viel gewonnen haben, analysiert Andreas Kletecka,ˇ Professor für Zivilrecht an der Universität Salzburg. Denn der Betrag, den die Tochter für den verspäteten Berufseintritt als Medizinerin fordern könne, werde höher als der Unterhalt sein, den die Eltern für ihre studierende Tochter fordern könnten, analysiert der Schadenersatzexperte im Gespräch mit der „Presse“.
Außerdem muss nun noch von der ersten Instanz geklärt werden, inwieweit die angehende Medizinerin wirklich mitschuldig war am Unglück. Wer ohne Gurt fährt und sich deswegen schwerer verletzt als sonst, hat einen geringeren Schadenersatzanspruch.