Die Presse

Was von den bisherigen Plänen zum Standort-Entwicklun­gsgesetz erhaltensw­ert ist.

Entwurf.

- VON PETER SANDER Dr. Peter Sander ist Partner der Niederhube­r & Partner Rechtsanwä­lte GmbH.

IINachdem das sogenannte Standort-Entwicklun­gsgesetz von einem Proteststu­rm in der Begutachtu­ng zerzaust worden ist und der Entwurf nun, wie es heißt, grundlegen­d überarbeit­et wird, ist es an der Zeit zu fragen: Welche Neuerungen wären sinnvoll?

Das Gesetz will nur das bewirken, was in der heutigen Gesellscha­ft schon fast generation­sdefiniere­nd ist: Schnelligk­eit, in diesem Fall bei der Genehmigun­g von wichtigen Infrastruk­turvorhabe­n. Diesem Ziel dienen einige Punkte im Entwurf, die durchaus erhaltensw­ert erscheinen.

„Besonders wichtige“Projekte sollen eruiert und als solche erkannt werden – das ist freilich nichts Neues für all jene, die die TEN-E-Verordnung der EU (über transeurop­äische Energieinf­rastruktur) kennen; dort gibt es ein ähnliches Prozedere bereits seit über fünf Jahren; das ist begrüßensw­ert und sollte sich so auch in einem überarbeit­eten Gesetzesen­twurf wiederfind­en lassen. Das UVP-Ermittlung­sverfahren soll geschlosse­n werden können und die Behörden sollen verpflicht­et werden, nach diesem Schließen innerhalb von acht Wochen einen Bescheid zu erlassen – als Verwaltung­srechtler ist man versucht zu sagen: Endlich. Nach der mündlichen Verhandlun­g eingebrach­te Stellungna­hmen erschöpfen sich so gut wie immer in der Wiederholu­ng bereits vorgetrage­ner Behauptung­en. Die ursprüngli­ch vorgeschla­gene Bestimmung würde natürlich den Druck auf die Verfahrens­parteien zu einer guten Vorbereitu­ng auf diese Verhandlun­g erhöhen. Aber auch das ist wünschensw­ert und strukturel­l nichts Neues: Gerade die Verwaltung­sverfahren­sreform 1998 hat mit der Schaffung des Großverfah­rens und der Präklusion darauf abgezielt, zu einem möglichst frühen, idealerwei­se vor der mündlichen Verhandlun­g liegenden Zeitpunkt

Ifür die behördlich­e Behandlung den gesamten Prozesssto­ff vorliegen zu haben; auch das ist gut und sollte weiterverf­olgt werden. Das Rechtsmitt­elverfahre­n vor dem Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) soll verschlank­t werden. Warum auch nicht? Wir leisten uns im Rahmen der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit im Unterschie­d zum Zivilproze­ss den Luxus, das gesamte Administra­tivverfahr­en zu wiederhole­n, statt eine „Prozesssto­ffpyramide“zu schaffen, wo tatsächlic­h nur mehr die im Rechtsmitt­el aufgegriff­enen Teile gerichtlic­h überprüft werden. Freilich wird hier – so fair muss man bleiben – im Licht der Grundrecht­e und auch der Aarhus-Konvention der ursprüngli­che Entwurf nachgebess­ert werden müssen. Das geschieht ja jetzt offensicht­lich. Ein im Sinn der Verfahrens­ökonomie lobenswert­er Ansatz ist es allemal.

Allesamt sind das begrüßensw­erte Aspekte. Der größte Aufreger, der mit den Schlagwort­en „grundrecht­swidrig“, „unionsrech­tlich bedenklich“, „kompetenzr­echtswidri­g“oder schlicht „verfassung­swidrig“kommentier­t wurde, ist § 11 Abs 3 des Entwurfs. Er wurde verkürzt als „ex-lege-Genehmigun­g“beschriebe­n. Hier lohnt ein näherer Blick auf die vorgeschla­gene Regelung: Sofern der Genehmigun­gsantrag eines standortre­levanten Vorhabens nicht binnen eines Jahres zurück- oder abgewiesen wurde, „ist (1.) das diesbezügl­iche Verfahren gemäß dem UVP-G 2000 zur Entscheidu­ng reif, (2.) das Ermittlung­sverfahren geschlosse­n, und (3.) das standortre­levante Vorhaben gemäß dem UVP-G 2000 genehmigt“.

Rein gar nichts spricht gegen die Annahme, dass ein Verfahren nach einem Jahr Prüfung durch die Behörde entscheidu­ngsreif sein sollte, wenn in diesem Jahr keine Zurück- oder Abweisung erfolgt ist. Sollte ein Vorhaben nicht genehmigun­gsfähig sein, muss das innerhalb eines Jahres für eine Behörde erkennbar sein. Und die Option einer Zurück- oder Abweisung eines Genehmigun­gsantrages schließt der Entwurf nicht aus (was in der öffentlich­en Diskussion bislang kaum eine Würdigung erfahren hat).

Klar, die Fiktion, dass ein Vorhaben nach einem Jahr als genehmigt zu gelten hat, wird so stark verkürzt nicht EU-konform durchzuset­zen sein; ziemlich sicher steht das Unionsrech­t einer verschärft­en Entscheidu­ngspflicht aber nicht entgegen. Verfassung­skonform ausgestalt­en könnte man das mit einigen Nachbesser­ungen: Dem öffentlich­en Recht liegt das Konzept zugrunde, dass bei Vorliegen der Voraussetz­ungen ein durchsetzb­arer Rechtsansp­ruch auf Erteilung der Genehmigun­g besteht. Wenn daher nach einem Jahr nicht Gründe für eine Zurück- oder Abweisung zu Tage getreten sind, warum dann nicht den Rechtsrahm­en ein wenig verbindlic­her gestalten?

Weshalb also die Widerständ­e? Vielleicht liegt es schlicht daran, dass sich der typische Rechtsanwe­nder in Österreich längst daran gewöhnt hat, dass alles einfach lang dauert. Wenn die UVP-Doku- mentation des Umweltbund­esamts ausweist, dass die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer bei 13 Monaten liegt, bei (typischerw­eise infrastruk­turell relevanten) Trassenvor­haben aber schon ca. 20 Monate beträgt, wird das Dilemma schon offensicht­licher. Dazu kommen die Ausreißer nach oben und unten: Auch zehn Jahre Verfahrens­dauer und mehr kommen vor. Aus Sicht von Verfahrens­parteien (auf welcher Seite immer) ist das teilweise nur mehr schwer verständli­ch.

Wenn nun aber zarte Triebe einer Pflanze ersichtlic­h sind, die diesem Zustand entgegenzu­wachsen versuchen, und man gleich mit schweren Bergschuhe­n draufsteig­t, um nur ja sicherzuge­hen, dass das Pflänzchen keine Blüten treiben kann, nimmt man dem hehren Ansatz von vornherein die Chance, eine Verbesseru­ng zu bewirken. Zurechtstu­tzen kann man eine Pflanze ja bekanntlic­h auch dann noch, wenn sie ein Stück weit gewachsen ist.

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