„Wer etwas sieht, will es haben“
Modewoche. Die Gründerinnen Zigi Mueller-Matyas und Elvyra Geyer über den Charakter der Vienna Fashion Week, die ab heute ihr Zehn-Jahr-Jubiläum feiert.
Was mit dem Doppelklebeband zu tun sei, will eine der Helferinnen wissen. „Für die Outfits“sei das, sagt Zigi Mueller-Matyas. „Dass der Busen nicht rausfällt.“Also ab mit dem Band in die Box zu den Dingen, die hinüber ins Zelt vor dem Museumsquartier müssen.
Kurz vor dem Start der Vienna Fashion Week herrscht in der Gumpendorfer Straße 36 Hochbetrieb. Eingequetscht zwischen einem Sushiladen und einem Bio-Deli, liegt in einem schmalen Straßenlokal das Büro von Creative Headz. Die „kreativen Köpfe“, die die heimische Modewoche organisieren, sind Elvyra Geyer, Mueller-Matyas und Maria Oberfrank.
Oberfrank, Designerin hinter dem Label Pitour, ist an diesem Nachmittag anderswo unterwegs. In gewisser Weise war es dabei sie, die vor mehr als zehn Jahren den Grundstein für die Wiener Variante einer Modewoche gelegt hat. Auf ihr Engagement hin war damals eine Modenschau in der Arena 21 im Museumsquartier entstanden, Geyer und Mueller-Matyas gestalteten die Show. „Beim zweiten Mal war es so überfüllt“, erinnern sich die beiden, „dass wir die wahnwitzige Idee hatten: Wir machen jetzt eine Fashion Week.“
2009 ging die erste über die Bühne, 300 Menschen saßen im damals noch deutlich kleineren Zelt. Heute sind es 800, die hineinpassen, 10.000 Besucher werden die Woche über (mit Mehrfacheintritten) gezählt. Mehr würden die Kapazitätsgrenzen sprengen, will heißen: Mehr trägt die Freifläche über der Tiefgarage des Museumsquartiers nicht. Über eine mögliche Übersiedlung haben die beiden schon nachgedacht, ohne befriedigendes Ergebnis: „Der Ort hier ist perfekt.“
Auch schon seit zehn Jahren arbeiten sich Beobachter an der Frage ab, was genau diese Fashion Week eigentlich ist, was sie will – und ob sie das erreicht hat. Das Konzept sei heute wie vor zehn Jahren, sagen Geyer und Mueller-Matyas: „Wir haben immer gesagt, wir machen die Fashion Week für Designer und Menschen, die die Mode tragen wollen“, erst in zweiter Linie „für Einkäufer, Presse, VIPs und Fashionistas“. Vergleiche mit Mailand, London, Paris oder New York würde man sich gar nicht erst anmaßen. „Ich glaube, dass wir hier inzwischen sehr, sehr eigenständig sind“, sagt Geyer.
„Wie bekommen laufend Anfragen aus der ganzen Welt, weil die Leute bei uns zeigen wollen, weil wir eine gute Lage haben und Möglichkeiten für Vernetzungen bieten.“Wien, sagt Mueller-Matyas gern, sei „die Hauptstadt von Central Europe“. So gebe es heuer, neben Kooperationen mit Thailand und Indonesien, ein großes rumänisches und ein ukrainisches Projekt.
Unter den weltweit gut 300 Modewochen sei Wien eine derer, „die für den Endkunden gemacht sind“. In gewisser Weise, meinen die beiden, hätten sie damit vor zehn Jahren die heutige Schnelllebigkeit und Unmittelbarkeit der Social-Media-Welt vorweggenommen: Wer etwas sieht, will es haben. Labels wie Lila von Lisi Lang bieten heuer an, dass man gezeigte Outfits online gleich bestellen kann.
Überhaupt würden die Designer verschiedene Konzepte verfolgen. So zeigen manche ihre kommenden Frühjahrskollektionen, andere die aktuelle für Herbst und Winter. „Wir haben das offengelassen“, sagt MuellerMatyas, „weil wir immer schon der Meinung waren, dass diese strikten Regeln für Einkaufsmessen für uns in Wien nicht brauchbar sind“. Und ja, von einigen größeren Ländern sei man etwa wegen des Ticketverkaufs an die Allgemeinheit belächelt worden.
„Aber wir finden, Fashion ist für jeden da. Jeder trägt jeden Tag Mode.“Dem entspräche der Avantgarde-Grad des Gezeigten: „Weder zu kommerziell noch zu künstlerisch“, auf jeden Fall tragbar. „Wir selbst tragen die Mode der Fashion Week.“Geyer an diesem Tag ein Kleid von Lila, Mueller-Matyas eine Hose von Artista, ein Top von Shakkei, eine Jacke von Milk. Auch die Gäste der Modewoche seien im Lauf der Jahre zunehmend „fashionable geworden“, würden zumindest bei den Shows selbst Designerkleidung tragen.
Verlängerte Arm in die Innenstadt
Seit Mai gibt es dafür in den Ringstraßen-Galerien (deren Mode-Award Creative Headz viele Jahre lang ausrichteten) einen „verlängerten Arm“der Fashion Week: Der Shop mit dem nicht ganz griffigen Namen „Not Another Concept Store“bietet ein monatlich wechselndes Sortiment jener inund ausländischen Designer, die auf der Fashion Week vertreten sind. Neu ist anlässlich des Jubiläums auch das Fashion Festival, das seit Freitag verschiedene Modeveranstaltungen über die Stadt verteilt, und das es in Zukunft immer geben soll.