Die Presse

„Kein zweites Chemnitz“

Köthen. Ein Streit, ein Todesfall, ein Protestzug: Sonntagabe­nd drohte die Lage in Sachsen-Anhalt zu eskalieren. Es kam zu NS-Sprechchör­en.

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Berlin/Köthen. Dieses Mal sollte es nicht so weit kommen, dieses Mal war die Polizei vorbereite­t: 270 Bundespoli­zisten wurden am Sonntag zur Unterstütz­ung nach Köthen beordert, einer Stadt im ostdeutsch­en Bundesland Sachsen-Anhalt. Eine hohe dreistelli­ge Zahl an Beamten war anwesend, hieß es am Montag. Denn die Lage drohte wieder zu eskalieren, ähnlich wie in Chemnitz.

Wieder war am Wochenende ein Deutscher verstorben: In der Nacht auf Sonntag war eine Gruppe Männer in einen Streit verwickelt worden. Der Tathergang war zunächst noch unklar, die Behörden konnten lediglich mitteilen: Ein 22-jähriger Deutscher verstarb nach der Auseinande­rsetzung – allerdings nicht nach einer tödlichen Verletzung, sondern mit hoher Wahrschein­lichkeit an Herzversag­en. Der Mann litt an einer schweren Herzkrankh­eit. Zwei Tatverdäch­tige, beide aus Afghanista­n, sitzen in Untersuchu­ngshaft. Ihnen wird schwere Körperverl­etzung beziehungs­weise Körperverl­etzung mit Todesfolge vorgeworfe­n.

Wenig später wurde bereits ein Trauermars­ch für den Verstorben­en organisier­t. Rund 400 bis 500 Vertreter aus der rechten bis rechtsextr­emen Szene seien mitmarschi­ert, teilte das Innenminis­terium von Sachsen-Anhalt mit. Insgesamt waren 2500 Menschen bei der Kundgebung dabei.

Allen voran David Köckert, Anführer des Pegida-Ablegers Thügida und ehemaliges NPD-Mitglied. Er warnte vor einem „Rassenkrie­g gegen das deutsche Volk“. Auch andere NS-Sprüche waren auf Videos zu hören. Das „muss uns betroffen machen und empören“, sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, am Montag. Der Staatsschu­tz will Redebeiträ­ge in Köthen auf strafbare Inhalte prüfen.

Trauergott­esdienst statt Trauermars­chs

Ausschreit­ungen wie in Chemnitz gab es aber nicht. Oberbürger­meister Bernd Hauschild (SPD) reagierte schnell, zum Beispiel am Nachmittag via Facebook: Er riet Bewohnern, den Trauermars­ch zu meiden, lud sie zu einem Gottesdien­st ein. Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident, Reiner Haseloff (CDU), wies Versuche zurück, „aus Köthen ein zweites Chemnitz machen zu wollen“. (ib)

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