Macrons proeuropäische Front nimmt Formen an
Europawahl 2019. Die Liberalen im Europaparlament wollen sich der Bewegung des Präsidenten Frankreichs anschließen. Auch anderswo sammelt er Unterstützer.
Die zeitliche Abfolge ist kein Zufall: Wenige Tage nachdem der Chef der französischen Regierungspartei La Republique´ En Marche!, Christophe Castaner, in Brüssel die Pläne ihres Gründers und Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, für die Europawahl 2019 vorgestellt hatte, traf der Fraktionsführer der Liberalen im Europaparlament eine Richtungsentscheidung. „Wir sind bereit, mit Macron eine Alternative zu schaffen“, sagte Guy Verhofstadt in der Sonntagsausgabe der Zeitung „Ouest-France“. Und er führte aus, was er damit meinte: „Es wird etwas Neues sein, eine Bewegung. Eine proeuropäische Alternative zu den Nationalisten. Unsere Gruppe ist bereit, jetzt, ohne Warten, mitzumachen.“Es sei sein Ziel, eine „entscheidende Gruppe im künftigen Parlament zu schaffen, ein Mittel, um die Nationalisten zu stoppen“.
Das Spitzenkandidatenmodell ist tot
Nach La Republique´ En Marche! bald also auch L’Europe En Marche? Ganz so schnell werde es nicht vonstattengehen, erklärte Parteichef Castaner gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir sind nicht bereit zu einer Allianz.“Das muss er natürlich so sagen, denn Präsident Macron verdankt seinen eigenen kometenhaften Aufstieg in den E´lyse´e dem Umstand, dass er bestehende traditionelle Parteiorganisationen links und rechts überholte und willige Mitstreiter aus ihnen herauslöste, statt Abkommen mit seiner Ansicht nach obsoleten Machtapparaten zu schmieden.
Doch an Verhofstadt und seiner Allianz der Liberalen und Demokraten im Parlament wird für Macron kein Weg vorbeiführen, wenn er Europa nach seinen Vorstellungen gestalten will. Das liegt weniger an der derzeitigen Position dieser Fraktion im Europaparlament, wo sie mit 68 Mandataren die viertstärkste Gruppe sind. Vielmehr ergibt sich ihre machtpolitische Bedeutung für Macron aus dem Umstand, dass sie momentan mehr Staats- und Regierungschefs stellen als die Europäische Volkspartei und die Europäischen Sozialdemokraten, nämlich neun, wenn man ihn, Macron, zu ihnen zählt. Die Liberalen haben somit im Europäischen Rat, also dem Leitgremium der nationalen Regierungen, ein nominelles Übergewicht, das ihnen dieses Mal garantieren sollte, ein Wörtchen bei der Vergabe der europäischen Spitzenämter mitzusprechen. Das ist der Grund, weshalb Macron das Spitzenkandidatenmodell, welches vor allem von der Europäischen Volkspartei propagiert wird und vorsieht, dass nur Präsident der Europäischen Kommission werden kann, wer bei der Europawahl als Spitzenkandidat ins Rennen ging, klar ablehnt. Im Februar hatte der Europäische Rat diesem Modell bei einem informellen Treffen ohnehin nur halbherzig seinen Segen gegeben.
„Es gibt keinen Automatismus bei diesem Verfahren“, hat Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rats, damals zu bedenken gegeben. Der EU-Vertrag besage bloß, dass die Mitglieder des Europäischen Rats das Wahlergebnis in Betracht zu ziehen ha- ben, wenn sie dem Parlament einen Kandidaten für die Kommissionsspitze vorschlagen.
Hier ist Verhofstadt voll auf Macrons Linie. Das Spitzenkandidatenmodell sei tot, hielt er am Wochenende fest. Sollte der von ihm angebotene Zusammenschluss mit Macrons Partei glücken, würde das der oft als gute Wahl genannten dänischen Wettbewerbskommissarin, Margrethe Vestager, neue Chancen verleihen.
Castaner lotet neue Allianzen in ganz Europa aus. Ebenfalls vorige Woche traf er in Warschau den linksliberalen polnischen Politstar Robert Biedron´. „Sehr interessante Gespräche in Warschau“, twitterte Castaner. „Der Wille, Europa zu erneuern, der Kampf für die Gleichheit von Männern und Frauen, für die Laizität, für die Verteidigung der Rechte von Homosexuellen sind Werte, die uns gemein sind. Wir sind bereit, sie bei den Europawahlen zu verteidigen.“