Die Presse

Macrons proeuropäi­sche Front nimmt Formen an

Europawahl 2019. Die Liberalen im Europaparl­ament wollen sich der Bewegung des Präsidente­n Frankreich­s anschließe­n. Auch anderswo sammelt er Unterstütz­er.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Die zeitliche Abfolge ist kein Zufall: Wenige Tage nachdem der Chef der französisc­hen Regierungs­partei La Republique´ En Marche!, Christophe Castaner, in Brüssel die Pläne ihres Gründers und Staatspräs­identen, Emmanuel Macron, für die Europawahl 2019 vorgestell­t hatte, traf der Fraktionsf­ührer der Liberalen im Europaparl­ament eine Richtungse­ntscheidun­g. „Wir sind bereit, mit Macron eine Alternativ­e zu schaffen“, sagte Guy Verhofstad­t in der Sonntagsau­sgabe der Zeitung „Ouest-France“. Und er führte aus, was er damit meinte: „Es wird etwas Neues sein, eine Bewegung. Eine proeuropäi­sche Alternativ­e zu den Nationalis­ten. Unsere Gruppe ist bereit, jetzt, ohne Warten, mitzumache­n.“Es sei sein Ziel, eine „entscheide­nde Gruppe im künftigen Parlament zu schaffen, ein Mittel, um die Nationalis­ten zu stoppen“.

Das Spitzenkan­didatenmod­ell ist tot

Nach La Republique´ En Marche! bald also auch L’Europe En Marche? Ganz so schnell werde es nicht vonstatten­gehen, erklärte Parteichef Castaner gegenüber der Nachrichte­nagentur Reuters: „Wir sind nicht bereit zu einer Allianz.“Das muss er natürlich so sagen, denn Präsident Macron verdankt seinen eigenen kometenhaf­ten Aufstieg in den E´lyse´e dem Umstand, dass er bestehende traditione­lle Parteiorga­nisationen links und rechts überholte und willige Mitstreite­r aus ihnen herauslöst­e, statt Abkommen mit seiner Ansicht nach obsoleten Machtappar­aten zu schmieden.

Doch an Verhofstad­t und seiner Allianz der Liberalen und Demokraten im Parlament wird für Macron kein Weg vorbeiführ­en, wenn er Europa nach seinen Vorstellun­gen gestalten will. Das liegt weniger an der derzeitige­n Position dieser Fraktion im Europaparl­ament, wo sie mit 68 Mandataren die viertstärk­ste Gruppe sind. Vielmehr ergibt sich ihre machtpolit­ische Bedeutung für Macron aus dem Umstand, dass sie momentan mehr Staats- und Regierungs­chefs stellen als die Europäisch­e Volksparte­i und die Europäisch­en Sozialdemo­kraten, nämlich neun, wenn man ihn, Macron, zu ihnen zählt. Die Liberalen haben somit im Europäisch­en Rat, also dem Leitgremiu­m der nationalen Regierunge­n, ein nominelles Übergewich­t, das ihnen dieses Mal garantiere­n sollte, ein Wörtchen bei der Vergabe der europäisch­en Spitzenämt­er mitzusprec­hen. Das ist der Grund, weshalb Macron das Spitzenkan­didatenmod­ell, welches vor allem von der Europäisch­en Volksparte­i propagiert wird und vorsieht, dass nur Präsident der Europäisch­en Kommission werden kann, wer bei der Europawahl als Spitzenkan­didat ins Rennen ging, klar ablehnt. Im Februar hatte der Europäisch­e Rat diesem Modell bei einem informelle­n Treffen ohnehin nur halbherzig seinen Segen gegeben.

„Es gibt keinen Automatism­us bei diesem Verfahren“, hat Donald Tusk, Präsident des Europäisch­en Rats, damals zu bedenken gegeben. Der EU-Vertrag besage bloß, dass die Mitglieder des Europäisch­en Rats das Wahlergebn­is in Betracht zu ziehen ha- ben, wenn sie dem Parlament einen Kandidaten für die Kommission­sspitze vorschlage­n.

Hier ist Verhofstad­t voll auf Macrons Linie. Das Spitzenkan­didatenmod­ell sei tot, hielt er am Wochenende fest. Sollte der von ihm angebotene Zusammensc­hluss mit Macrons Partei glücken, würde das der oft als gute Wahl genannten dänischen Wettbewerb­skommissar­in, Margrethe Vestager, neue Chancen verleihen.

Castaner lotet neue Allianzen in ganz Europa aus. Ebenfalls vorige Woche traf er in Warschau den linksliber­alen polnischen Politstar Robert Biedron´. „Sehr interessan­te Gespräche in Warschau“, twitterte Castaner. „Der Wille, Europa zu erneuern, der Kampf für die Gleichheit von Männern und Frauen, für die Laizität, für die Verteidigu­ng der Rechte von Homosexuel­len sind Werte, die uns gemein sind. Wir sind bereit, sie bei den Europawahl­en zu verteidige­n.“

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[ Reuters ] Europas Königsmach­er? Guy Verhofstad­t, Fraktionsc­hef der Liberalen im EU-Parlament.

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