Die heimliche Kassenreform
Kulissengespräche. Spätestens kommende Woche soll der Gesetzesentwurf für eine Reform der Krankenkassen vorliegen. Was konkret drinsteht, wissen nicht einmal Ländervertreter der ÖVP.
Er soll ziemlich getobt haben. Die Beschreibung „fuchsteufelswild“will man in seinem Büro nicht gelten lassen, aber Tirols Gesundheitslandesrat, Bernhard Tilg (ÖVP), war jedenfalls nicht sonderlich angetan von der jüngsten Gesprächsrunde mit der Bundesregierung zur Reform der Krankenkassen.
„Die Papierlage war sehr dünn“, heißt es aus der Umgebung Tilgs zum Treffen vergangene Woche. Es seien „maximal Überschriften“gewesen, die die Bundesregierung vorgelegt habe. „Inhaltlich war gar nichts, man ist überhaupt nicht ins Detail gegangen.“
Dabei ist die Materie kompliziert und das Vorhaben „einzigartig“, wie die ÖVP-FPÖ-Koalition bei der Präsentation erklärt hat: Aus den 21 Sozialversicherungsträgern sollen fünf werden, aus den neun Gebietskrankenkassen eine einzige, und quer über alle Bundesländer sollen die Gesundheitsleistungen harmonisiert werden, die die Kasse anbietet.
SPÖ ist überrascht
Wie das am Ende genau aussehen soll, das weiß offenbar nur ein erlauchter Kreis: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die die Materie für die FPÖ und Klubobmann August Wöginger, der für die ÖVP verhandelt, sowie einige Juristen.
Inhaltlich könne man nichts sagen, heißt es in Tirol. Dabei war der Landesrat in die Gespräche mit der Regierung involviert. Im Gegensatz etwa zu Ulrike Königsberger-Ludwig, Gesundheitslandesrätin in Niederösterreich. Möglicherweise liegt es auch daran, dass sie der SPÖ angehört.
Königsberger-Ludwig wird auch heute, Dienstagabend, nicht dabei sein, wenn es ein weiteres Gespräch zur Kassenreform gibt. Morgen Vormittag sollen die Verhandlungen in einer größeren Runde abgeschlossen werden.
In der ÖVP will man diesen Terminplan offiziell nicht bestätigen. Der Entwurf, der die umfassende Kassenreform in Gesetzesform fasst, soll aber diese, spätestens kommende Woche vorliegen. Der Entwurf werde „natürlich“in Begutachtung gehen. Etwas, was die Regierung beim neuen Arbeitszeitgesetz nicht gemacht hat. Der Zwölfstundentag wurde per Initiativantrag im Parlament realisiert.
„Während der Begutachtung können auch noch weiter Gespräche über den Inhalt geführt werden“, erklärte man in Verhandlerkreisen. Man gibt sich konziliant: Auch über die Stellungnahmen werde man noch reden und sie gegebenenfalls einarbeiten. Ob sich eine üblicherweise sechswöchige Begutachtungsfrist zeitlich ausgeht, wird man sehen. Die Regierung möchte die Kassenreform noch im Oktober im Ministerrat beschließen, im November soll sie im Parlament abgesegnet werden. Am 1. Jänner würde sie in Kraft treten, die neue Struktur bei den Sozialversicherungen soll ab Anfang 2020 gelten.
Klage beim VfGH
Gegen den massiven Widerstand einiger betroffener Landesgebietskrankenkassen, die durch die Reform ihre Personal- und Budgethoheit verlieren würden und künftig nur noch Regionalstellen sind. So will etwa die niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NöGKK) beim Verfassungsgerichtshof Klage gegen den Umbau einreichen. Offiziell wegen der Kostenbremse, mit der die Bun- desregierung im Sommer die Ausgaben der Krankenkassen eingefroren hat. Das sei ein zu weit gehender Eingriff in die Selbstverwaltung, heißt es bei der NöGKK. Am 19. September soll der Vorstand die Klage einstimmig unterstützen. Dafür müssten neben zwölf Arbeitnehmervertretern freilich auch drei Arbeitgebervertreter zustimmen, darunter die schwarze Wirtschaftskammerchefin Niederösterreichs, Sonja Zwazl.
Sollte es grünes Licht geben, würde der Hauptverband der Sozialversicherungsträger Rechtsbeistand geben, erklärte der Verband gestern. Bis es ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) gibt, ist die Kostenbremse aber möglicherweise schon wieder gelöst. Sie soll nur so lang gelten, bis die Reform greift – also etwa bis zum Frühjahr 2019.