Die Presse

Und jetzt die echten Mezze

Lokale. Sibel Hatapo˘glu Kollinsky bietet in ihrem kleinen Bistro authentisc­he türkische Hausmannsk­ost an. In Wien landete ihre Familie über bergige Umwege.

- VON DUYGU ÖZKAN

Ein guter Zufall begann in der Wiener Burggasse Nummer 50. Dorthin zog es Sibel Hatapoglu˘ Kollinsky während eines Spaziergan­ges, als sie sich erst seit wenigen Tagen in Wien aufhielt und auf der Suche nach einer Lokalität für ihren Traum war. Schöne Räume, dachte sie sich, betrat das damalige Delikatess­engeschäft und plauschte mit den Inhabern, sagte, dass sie auf der Suche nach einem Laden genau wie diesem hier sei. Das träfe sich doch gut, meinten die Inhaber, man wolle ohnehin verkaufen.

Hatapoglu˘ Kollinsky dachte nicht eine Sekunde nach. Heute heißt ihre Küche wie sie, Sibel’s. Knapp ein Jahr betreibt sie das Lokal schon, bietet hier etwas an, was überrasche­nd selten ist in der Stadt: Türkische Hausmannsk­ost fernab des imbisslich­en Einheitsbr­eis und Großküchen mit Dosenfutte­r. Hatapoglu˘ Kollinsky verwertet ausschließ­lich biologisch­es Fleisch und Gemüse für ihre Speisen, von denen die Mezze, die kleinen Vorspeisen, am besten ankommen würden. Ein bisschen von allem auf dem Tisch, Lammeintop­f und selbst gewürzte Oliven, Börek und Linsenbäll­chen, Hühnerpfan­ne und Cous Cous, ein Glas Wein, stundenlan­ge Gemütlichk­eit, so stellt sich die Köchin die ideale Gästesitua­tion vor.

Sibel’s längliche Küche mit bunten Ecken wirft Heiterkeit ab, auch sie selbst lässt sich mit heiter treffend bezeichnen. Der Einstand in Wien vor etwa einem Jahr war dabei gar nicht so leicht, erzählt sie. Das vergangene Jahrzehnt verbrachte die österreich­isch-türkische Familie im Bergdörfch­en Beycik, unweit von Antalya. Fünf Esel hatten sie, 100 Hühner, mehrere Hunde und die ewige Weite dort oben, die beste Luft, wie Hatapoglu˘ Kollinsky betont. Europäisch­e Touristen kamen zuhauf, einige hatten ihre Sommerresi­denz hier, stattliche Villen samt Garten und Pool, weswegen das Paar Beycik gerne Beverly Hills nannte.

Für die Gäste kochte Hatapoglu˘ Kollinsky, entweder bei sich, oder bei ihnen zu Hause, bis ihr Restaurant immer größer wurde. Sie boten Touren an, Kochkurse, lebten gut vom Tourismus, bis nach der wirtschaft­spolitisch­en Krise in der Türkei die Gäste nicht mehr kamen. „In dem Dorf waren die Touristen für uns das Tor zur Welt. Dann sind sie ausgeblieb­en und ich hatte keine Verbindung mehr nach Außen. Das war nicht schön.“

Die allgemeine Lage in der Türkei nagte an ihr. Also Rückkehr nach Österreich, was anfangs für die Kinder nicht einfach gewesen sei, vermissten

wurde 1970 in Istanbul geboren. Sie kam zum Studium nach Innsbruck, später zog sie mit ihrer Familie in die Nähe von Antalya. Seit einem Jahr lebt sie in Wien und betreibt ihr türkischor­ientalisch­es Bio-Bistro Sibel’s. Burggasse 50, 1070 Wien. info@sibels.at sie doch die ganze Tierschar. Wien ist eine neue Erfahrung. Vor den türkischen Bergen lebte die Familie gewisserma­ßen in der österreich­ischen Bergwelt, in Innsbruck nämlich, wohin es Hatapoglu˘ Kollinsky zum Betriebswi­rtschaftss­tudium verschlage­n hatte. Dort lernte sie ihren Mann kennen, später zogen sie in die Türkei, mit dem Ziel, nach einem Jahr zurückzuke­hren. Diesem Plan kam irgendwie das Leben in die Quere. In Beycik landeten sie, weil die Schwester Hatapoglus˘ ihr angesparte­s Geld dort in ein Grundstück investiert­e. „Nie habe ich gedacht, dass wir dort leben könnten. Dann sahen wir es – und waren verliebt.“

Dieses ganz besondere Gefühl, im Urlaub entspannt zu essen, zu Grillenzir­pen unter dem Feigenbaum bei den wild wuchernden Rosmarinst­räuchern, das will Sibel Hatapoglu˘ Kollinsky in Wien etablieren. Ihre Ansprüche an sich selbst sind hoch, wie überhaupt die Küchenansp­rüche von Türken seien: Das Essen soll schmecken wie bei der Mutter, nur besser.

Wenn überhaupt, kann man das nur erreichen, wenn wirklich alles selbst gemacht wird. Wie der Granatapfe­lsirup zum Beispiel, Hatapoglu˘ Kollinskys Alleskönne­r. In mühevoller Kleinstarb­eit werden da die Früchte zerhäcksel­t, zerstampft, ohne irgendwelc­he Zusätze stundenlan­g eingekocht. Solche Dinge dauern halt, aber das nimmt die Köchin ganz bewusst in Kauf. „Ich könnte hier schlafen, so gern habe ich die Küche.“Das aber, sagt sie und muss lachen, würden Mann und Kinder freilich nicht so gerne hören.

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