Die Presse

Da fehlt was auf dem Job-Gipfel

Haben wir wirklich kein Problem mit älteren Arbeitslos­en mehr?

- Josef.urschitz@diepresse.com

Mehr als 340.000 Arbeitslos­e mitten in einem Hochkonjun­ktur–Sommer sind eine Schande, da hat die Regierung recht. Gut also, dass sie demnächst einen weiteren Job-Gipfel einberufen wird. Die Schwerpunk­te stehen auch schon fest: Junge Arbeitslos­e unter 25 und Asylberech­tigte ohne Job.

Eine Gruppe, die mehr als doppelt so groß ist wie die beiden genannten zusammen, kommt in den Gipfelplän­en bisher dagegen nicht vor: Arbeitslos­e über 50. Ist auch klar: Zu teuer, zu wenig mobil. Da müssten sich Wirtschaft und Gewerkscha­ft (also die Sozialpart­ner) ja ernsthaft Konzepte zur Altersbesc­häftigung überlegen. Und wieso sollten sie das gerade jetzt tun, wo sie das Thema doch schon seit Jahrzehnte­n konsequenz­enlos in der Pendeluhr verschnarc­hen?

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann hat das in der sonntägige­n Pressestun­de so schön entlarvend gesagt: Um den Fachkräfte­mangel zu decken, brauche es Zuwanderun­g. Es sei denn, man führe mehr Frauen in Arbeit und/oder das faktische Pensionsan­trittsalte­r an das gesetzlich­e heran.

Sich da für die Migrations­variante zu entscheide­n, ist natürlich argumentie­rbar. Das muss man dann freilich intelligen­t machen und nicht in Form der praktizier­ten Migrations­lotterie: Man lässt einfach weitgehend unkontroll­ierte Migration über die Asylschien­e zu – und pickt sich dann jene heraus, die für den Arbeitsmar­kt brauchbar sind. Da wäre es volkswirts­chaftlich eindeutig sinnvoller, sich um Beschäftig­ungsmodell­e für die ansässigen älteren Arbeitslos­en zu kümmern. E inen interessan­ten Aspekt hat die Diskussion über Migration und Arbeitsmar­kt noch: Offensicht­lich hat geltendes Recht in Europa nur noch den Status von unverbindl­ichen Empfehlung­en. Wie sonst würde man über Alternativ­en zum gesetzlich­en Pensionsal­ter überhaupt diskutiere­n und wie sonst hätte Österreich ein Asylproble­m, wo geltendes EU-Recht doch den Asylantrag im ersten EULand vorschreib­t. Weil das, wie die deutsche Kanzlerin nonchalant erklärte, „nicht der Realität entspricht“? Eigentlich wären Politiker ja dazu da, realitätsn­ahe Gesetze zu schaffen.

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