Die Presse

11. September: Eine Bank steht zum Verkauf

Chronologi­e. Vier Tage vor dem Ende von Lehman Brothers sucht CEO Dick Fuld fieberhaft nach einem Käufer.

- VON NIKOLAUS JILCH

Neuberger Berman gibt es bis heute. Im Jahr 2008 war es eine Tochterfir­ma von Lehman Brothers und Teil des durchaus erfolgreic­hen Vermögensm­anagements der Bank. Als Lehman in Schieflage geraten und die Aktie bereits im Keller war, kam von Neuberger ein Vorschlag per E-Mail an die Vorstände: Diese sollten auf ihre Bonuszahlu­ngen verzichten, um ein Signal zu senden, dass „das Management die Verantwort­ung für die schlechte Performanc­e übernimmt“.

Die Idee wurde sofort vom Tisch gewischt. Lehmans Invest- ment-Chef George Herbert Walker entschuldi­gte sich bei seinen Kollegen für die Idee: „Sorry, Team. Ich weiß nicht, was bei Neuberger heute im Wasser ist. Das ist mir peinlich. Ich entschuldi­ge mich.“

Die Boni wurden bis zum Schluss gezahlt. Und George Herbert Walker, ein Cousin des damaligen Präsidente­n, George W. Bush, sitzt heute als CEO an der Spitze von Neuberger Berman, das sich inzwischen in Besitz des Management­s befindet. Berman hat sich seit dem Ende von Lehman zu einem der erfolgreic­hsten Geldmanage­r der Wall Street entwickelt. Kein Wunder, dass Lehmans Chef Dick Fuld die Firma in den letzten Tagen seiner Bank noch rasch verkaufen wollte, um an Geld zu kommen.

Vorher sollte er George Herbert Walker am Abend des 14. September, als alle Hoffnung für Leh- man schon geschwunde­n war, dazu überreden, seinen Cousin im Weißen Haus anzurufen. Der Präsident hatte aber keine Zeit für seinen Verwandten bei Lehman.

Drei Tage zuvor, am 11. September 2008, hatten Dick Fuld und die Lehman-Manager zumindest noch ein bisschen Hoffnung. Die Bank stand nun offiziell zum Verkauf. Die Ratingagen­tur Moody’s hatte spät, aber doch reagiert und gedroht, Lehman herabzustu­fen, wenn nicht bald ein „starker Partner“gefunden werden sollte.

Interessen­ten gab es an diesem Donnerstag durchaus noch: Die Institute HSBC, Bank of America und Barclays waren dran. Der Aktienkurs von Lehman fiel an diesem Donnerstag um 42 Prozent. In Retrospekt­ive muss man aber sagen: Schon der Zusammenbr­uch der Gespräche mit einer staatliche­n Bank aus Südkorea am 9. September war wohl ein Todes- stoß für Lehman. Nur eine Woche später wurde die Bank liquidiert. Dick Fuld, der längstdien­ende CEO an der Wall Street, hatte extrem hoch gepokert und Lehman zu sehr vom US-Immobilien­markt abhängig gemacht. Als es um den Verkauf der Bank ging, dürfte er zu hart verhandelt und die Interessen­ten abgeschrec­kt haben.

In den allerletzt­en Tagen seiner Bank sollte er nochmal hoch pokern, in der Annahme, dass der Staat schon einspringe­n werde. Es war ein massiver Irrtum. Und die Interessen­ten von damals sollten nach dem Untergang von Lehman zurückkehr­en, um die Filetstück­e billig aufzukaufe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria