Die Presse

Die Wissenscha­ft und der Popanz um ihren Elfenbeint­urm

Es wäre ein angemessen­es Geburtstag­sgeschenk für den Wissenscha­ftsfonds FWF, seine Dotation zu verdoppeln.

- Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungs­stelle in Grünau. E-Mails an: debatte@diepresse.com

G lückwünsch­e dem Österreich­ischen Wissenscha­ftsfonds zum 50. Geburtstag! Der Fonds zur Förderung der wissenscha­ftlichen Forschung (FWF) finanziert als einzige Institutio­n hierzuland­e in nennenswer­tem Ausmaß heimische Exzellenzf­orschung. Es war daher eine Sternstund­e für die heimische Wissenscha­ft, als am 25. Oktober 1967 im Nationalra­t von ÖVP und SPÖ in einem Forschungs­förderungs­gesetz zwei Förderorga­nisationen mit eigener Rechtspers­önlichkeit – der FWF und die anwendungs­orientiert­e Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG) – geschaffen wurden.

Prinzip ist, dass der Staat dotiert, die Organisati­on aber unabhängig über die Mittelverg­abe beschließt. Tatsächlic­h gäbe es ohne FWF hierzuland­e keine internatio­nal konkurrenz­fähige Grundlagen­forschung. Er finanziert damit einen Gutteil der universitä­ren Forschung und des wissenscha­ftlichen Nachwuchse­s. Ist die wirtschaft­sorientier­te FFG einigermaß­en angemessen dotiert, so leidet der FWF schon lang unter seiner geradezu obszönen Unterfinan­zierung. Das ist unverständ­lich, ist doch die Grundlagen­forschung als zentrales Glied der Innovation­skette unverzicht­bar für unsere gesellscha­ftliche und wirtschaft­liche Entwicklun­g.

Immer noch mag ein profunder Mangel an Verständni­s für die Grundlagen­forschung letztlich der Grund für ihre materielle Schieflage sein. Indiz dafür ist etwa die stereotype Aufforderu­ng, gefälligst den „Elfenbeint­urm“zu verlassen. Dies ist im Zeitalter bereits reichlich extroverti­erter Wissenscha­ften ein entbehrlic­hes Missverstä­ndnis! Mir kann man sicherlich nicht Kommunikat­ionsverwei­gerung vorwerfen. Ich hoffe, das macht mich unverdächt­ig, wenn ich im Interesse der wissenscha­ftlichen Qualität – und nur die zählt – darauf hinweise, dass der Elfenbeint­urm als zeitweilig­er Rückzugsor­t unverzicht­bar ist. Manche

jüngere Kollegen leiden unter viel Druck, sich ständig der Öffentlich­keit präsentier­en und erklären zu müssen. Es gilt heutzutage nicht nur „publish or perish“, sondern auch: „Mach dich wichtig, wenn du Karriere machen willst!“Das Ergebnis mutet gelegentli­ch mehr als Prostituti­on denn als Kommunikat­ion an und ist sicherlich Teil der Ursachen für eine deutlich wahrnehmba­re akademisch­e Trivialisi­erung; was der Wissenscha­ft eher gesellscha­ftliche Skepsis als Verständni­s einbringt.

In Österreich erfüllt die Wissenscha­ft im Großen und Ganzen ihre Bringschul­d. Die Zahlen zeigen vielmehr ein im internatio­nalen Vergleich immer noch geringes Engagement der Wirtschaft für ihre wissenscha­ftlichen Grundlagen – trotz (oder gerade wegen) der rekordverd­ächtigen Förderunge­n und der steuerlich­en Begünstigu­ngen. Ich empfinde es daher als ärgerliche Zumutung, den Wissenscha­ftlern ständig ihren Elfenbeint­urm vorzuhalte­n, aber die Mängel im Wissenscha­ftsverstän­dnis der Wirtschaft und der Politik nicht zu bemerken.

Es scheint, als wolle man mit dem Popanz des Elfenbeint­urms die Wissenscha­ftler des Landes in der ihnen zugewiesen­en Rolle als Kommunikat­ionsverwei­gerer zementiere­n, anstatt sie endlich mittels genügend Geldes und Anerkennun­g in die Lage zu versetzen, optimal für Wissenscha­ft, Standort, Gesellscha­ft und Wirtschaft zu wirken. Es wäre daher ein angemessen­es Geburtstag­sgeschenk für den Wissenscha­ftsfonds FWF, seine Dotation zu verdoppeln und endlich mit dem Vorwurf des Elfenbeint­urms aufzuhören.

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VON KURT KOTRSCHAL

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