Gastronomische Filetierung eines einzigartigen barocken Gartens
Ist die Welterbekonvention von 1972, die in Österreich 1983 in Kraft trat, ein völkerrechtlich bindendes Rechtsinstrument? Für Wien offensichtlich nicht.
Schert sich eigentlich noch jemand darum, dass Wien von der Unesco auf die rote Liste gesetzt wurde und der Welterbetitel wankt? Offenbar nicht. Wie sonst könnte es sein, dass im Garten des Palais Schwarzenberg eine Bierbrauerei samt angeschlossener Gastwirtschaft für mehr als 800 Gäste implantiert werden und damit ein historisches Ensemble filetiert und zerstört werden darf?
Dieses barocke Kleinod ist nicht nur einzigartig für Wien, sondern, gemeinsam mit der Gartenanlage des Belvederes, dem Botanischen Garten und dem Garten des Salesianerinnenklosters, die einzige nicht verbaute Zone hoch- und spätbarocker Freizeitgestaltung in ganz Europa. Weshalb der Garten seit 2001 Teil der Kernzone des Unesco-Weltkulturerbes „Historisches Zentrum von Wien“ist. Für die Öffentlichkeit ist die Anlage mit einem Schlüssel, der beim Pförtner aufliegt, zugänglich.
Dieser Tage ging bei Bürgermeister Michael Ludwig sowie zuständigen Behörden von Bund und Land eine von Kunsthistorikern, Architekten und engagierten Bürgern unterzeichnete Petition ein, das Bauvorhaben noch einmal zu prüfen. Icomos (der International Council on Monuments and Sites) tut dies bereits. Auch die Unesco hat – neben dem Bauprojekt am Heumarkt – den (g)astronomischen Um- und Ausbau im Schwarzenbergpark auf dem Radar.
Man möchte glauben, dass auch den Chefitäten des Belvederes der Erhalt eines historischen Ensembles, noch dazu vor der eigenen Haustür, am Herzen liegt. Tut es aber nicht. „Von unserer Warte aus begrüßen wir grundsätzlich die gastronomische Wiederbelebung des Areals, weil der Bereich rund um das Obere Belvedere diesbezüglich viel zu wenig erschlossen ist“, mailte Stella Rollig einer bürgerinitiativen Kunsthistorikerin.
„Wiederbelebung“ist allerdings die euphemistische Untertreibung des Jahrzehnts für die Verwandlung des ehemaligen kleinen, feinen Restaurants Belvederestöckl, das in einem 1928 in die Umschließungsmauer eingebauten Pavillon residierte, in das systemgastronomische Stöckl im Park. Der wilde Landschaftsgarten mit seinen teilweise selten gewordenen Baumarten, den historischen Wasserbecken und Terrassen wird rund 2500 Quadratmeter an Grünflächen verlieren. Eine Parzelle von etwa 1000 Quadratmetern direkt über dem Nymphäum, 150 Meter von der Stadtfassade des Schlosses Belvedere entfernt, soll von den Biergastgärtnern angeblich bis zu 95 Prozent verbaut werden dürfen, mit Gastterrassen und Glaskuben. Baupolizeilich genehmigt. Denkmalpflegerische Expertise? Klar überbewertet.
Eine wienerische Absurdität ist übrigens, dass der barocke Park verfassungsrechtlich zwar als eine der bedeutendsten historischen Gartenanlagen anerkannt und für den Denkmalschutz vorgesehen, dies aber nicht rechtsgültig ist, weil der Eigentümer zustimmen muss. Was, Erstaunen über Erstaunen, bis dato nicht geschehen ist und wohl auch nicht wird. Den potenziellen Betreibern ist übrigens kein Vorwurf zu machen, Gaststätten sind schließlich ihr Geschäft, wohl aber den Eigentümern, die vor lauter Geld die Bäume nicht sehen, vor allem aber den (Bau-)Behörden, die das Großprojekt abgesegnet haben.
Die Welterbekonvention, 1972 von der internationalen Staatengemeinschaft verabschiedet, ist ein völkerrechtlich bindendes Rechtsinstrument; in Österreich trat das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt im März 1983 in Kraft. Viele Experten sehen demnach im Vorgehen einen Verstoß gegen den zwischen der Republik Österreich und der Unesco geschlossenen Vertrag, manche nennen es sogar Amtsmissbrauch. Dennoch ließ die Gemeinde Wien via Rechtsabteilung wissen, dass dem Unesco-Übereinkommen – also der Welterbekonvention – keine völkerrechtliche Verpflichtung entnommen werden kann, die der Erteilung der Bewilligung entgegensteht.
Na dann, oder? Weg mit den Bäumen, her mit dem Bier.