Patt nach der Wahl in Schweden
Analyse. Die rechten Schwedendemokraten treiben mit ihrem Wahlerfolg einen Keil in die bisherige Blockpolitik. Nach dem Patt zwischen Rot-Grün und den Bürgerlichen ist offen, wer Schweden regieren wird.
Am Tag nach den Parlamentswahlen rätselten die Schweden, wer das Land künftig regieren wird. Der Urnengang endete mit einer Pattstellung. Die rechtspoplustischen Schwedendemokraten trieben mit ihrem Rekordergebnis von 17,6 Prozent einen Keil in die bisherige Blockpolitik. Weder Rot-Grün noch das bürgerliche Lager konnten eine Mehrheit erringen. Sozialdemokraten, Grüne und die Linkspartei, welche die rot-grüne Minderheitsregierung in der vergangenen Legislaturperiode gestützt hat, brachten es zusammen auf 40,6 Prozent. Die Moderate Sammlungspartei, die Zentrumspartei, die Liberalen und die Christdemokraten kamen auf 40,3 Prozent. Rot-Grün hat nur ein Mandat Vorsprung. Die Reihenfolge könnte sich noch ändern. Am Mittwoch erst werden die Stimmen der Auslandsschweden ausgezählt sein.
Ganz Schweden fieberte dieser „Schicksalswahl“, wie sie genannt wurde, entgegen. Hochgetrieben hatten die Fieberkurve ungenaue und stark divergierende Umfragen, die bis zuletzt voraussagten, dass die einwanderungskritischen Schwedendemokraten (SD) entweder stärkste oder zweitstärkste Kraft mit 25 beziehungsweise 20 Prozent werden. Es kam dann doch anders. Auf die Rechtspopulisten entfielen „lediglich“17,6 Prozent (+4,7). Eine Erklärung für die ungewöhnlich ungenauen Umfragen blieben die Meinungsforschungsinstitute der Öffentlichkeit auch am Montag schuldig. Vielleicht hätte die SD mehr Stimmen erhalten, wenn die Demoskopen und auch große Medien nicht monatelang den Teufel an die Wand gemalt hätten. Doch das bleibt Spekulation.
Faktum ist, dass die Schwedendemokraten ein beachtliches Rekordergebnis einfuhren. Keine andere Partei legte stärker zu. Die Rechtspopulisten bauten ihre rechnerische Königsmacherposition aus. Zwischen dem linken Dreiparteienlager und der bürgerlichen Vierparteienallianz besteht ein Patt. Sozialdemokraten, Grüne und die Linkspartei, welche die rot-grüne Minderheitsregierung in der vergangenen Legislaturperiode gestützt hat, brachten es zusammen auf 40,6 Prozent. Die Moderate Sammlungspartei, die Zentrumspartei, die Liberalen und die Christdemokraten kamen gemeinsam auf 40,3 Prozent. Sicher ist: Die Schwedendemokraten haben einen Keil in die in Schweden fast heilige Blockpolitik getrieben. Kein Block kann alleine regieren. Schweden hat nun folgende fünf Optionen:
1 Eine rot-grüne Minderheitsregierung mit der Unterstützung bürgerlicher Parteien
Derzeit hat der Linksblock ein Mandat mehr als der bürgerliche. Ministerpräsident Stefan Löfven betrachtet das als Regierungsauftrag. Doch erst am Mittwoch werden alle Stimmen ausgezählt sein. Das Vorsprungmandat könnte noch kippen. Zudem braucht Löfven die Unterstützung von bürgerlichen Parteien, wie er in der Wahlnacht eingestand. „Die Blockpolitik verdummt, diesen Abend sollte ihre Beerdigung folgen“, sagte er. Vor allem die bürgerlichen Liberalen und das Zentrum umwirbt Löfven. Dass sie sich bewegen, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Die bürgerliche Vierparteienallianz hat Löfvens Minderheitsregierung in den vergangenen vier Jahren teils geduldet, auch weil der Linksblock da noch einen größeren Mandatsvorsprung hatte. Die Mitte-RechtsParteien wollen aber so nicht weitermachen.
2 Eine bürgerliche Minderheitsregierung, geduldet von den Sozialdemokraten
Der bürgerliche Block forderte noch in der Wahlnacht einhellig den Abgang Löfvens zugunsten ihres Premierministerkandidaten Ulf Kristersson von den konservativen Moderaterna. Er könnte als Erster versuchen, eine Koalition zu schmieden. Aber auch sein Lager hat keine Mehrheit. Er braucht die Unterstützung der Sozialdemokraten. Das dürfte Kristerssons erste Option sein. Sollte sich eine Vorsprungmandat des Linksblock wegfallen, könnte es sein, dass
Löfven auf das Angebot mit einem Forderungspaket eingeht.
3 Eine bürgerliche Minderheitsregierung mit dem Segen der Schwedendemokraten
Ansonsten hätte Kristerssons Allianz die Möglichkeit, sich von der nicht salonfähigen SD dulden zu lassen. Doch sowohl das bürgerliche Zentrum als auch die bürgerlichen Liberalen wollen nicht mit Unterstützung der SD regieren.
4 Eine Minderheitsregierung der Moderaten mit wechselnder Unterstützung
Theoretisch könnte Kristersson alleine mit seiner Partei als zweitgrößte Kraft im Parlament regieren und sich von den Schwedendemokraten als auch den bürgerlichen Parteien, die eine Zusammenarbeit mit der SD ablehnen, dulden lassen. So hätten sie nicht direkt mit den Rechtspopulisten zu tun. Sich von der SD helfen zu lassen, käme jedoch einer Zäsur gleich, die dem bürgerlichen Block viel Ansehen kosten könnte.
5 Eine Große Koalition, bestehend aus Rot-Grün und dem bürgerlichen Block
Große Koalitionen haben in Schweden keine Tradition. Eine Konzentrationsregierung hatte das Land nur während des Zweiten Weltkriegs, damals übrigens unter Ausschluss der Kommunisten.
„Das Problem ist, dass alle Regierungsalternativen unwahrscheinlich wirken, wenn man die Gegenargumente berücksichtigt“, sagte der Politologe Carl Melin. Doch auch Neuwahlen scheinen keine wirkliche Alternative zu sein. Da hätten zu viele Parteien viel zu verlieren.