Kläger fordern neun Milliarden von VW
Prozess. Nach Strafen in Deutschland und den USA sowie einem Vergleich mit USKonsumenten startete nun ein Verfahren von Anlegern gegen VW. Sie fordern neun Milliarden Euro.
Nach behördlichen Strafzahlungen und einem milliardenschweren Vergleich mit US-Autokäufern wurde im VW-Abgasskandal am Montag eine dritte Front für den deutschen Autokonzern eröffnet. In Braunschweig begann ein Verfahren, das geschädigte Investoren gegen VW angestrengt haben. In Summe geht es dabei um neun Milliarden Euro.
Die Investoren klagen VW, weil der Konzern ihrer Ansicht nach die Öffentlichkeit zu spät über die Manipulationen sowie die Ermittlungen der US-Behörden informiert hat. Publik gemacht wurde der Skandal durch die US-Umweltschutzbehörde EPA. Diese Veröffentlichung sei nicht zu erwarten gewesen und im Vergleich zu ähnlichen Fällen auch unüblich, verteidigt sich VW. Bis dahin habe man angenommen, mit einer Strafzahlung von wenigen Hundert Millionen Euro durchzukommen.
In genau einer Woche ist es drei Jahre her, dass die US-Umweltschutzbehörde EPA mit einer kurzen Mitteilung publik machte, was als der größte Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte in die Annalen eingehen sollte: Europas größter Autohersteller VW hat bei hunderttausenden DieselPkw ein sogenanntes „defeat device“angewendet. Die Software erkannte, wann ein Auto am Prüfstand lief und schaltete dann die Abgasreinigung ein. Im normalen Straßenbetrieb wurden die gesetzlichen Emissions-Vorgaben hingegen weit übertroffen.
Der Skandal hat VW bisher bereits rund 25 Mrd. Euro gekostet. Neben Rückrufen und Adaptierungen an den betroffenen Autos folgten auch Strafzahlungen in Milliardenhöhe in den USA und Deutschland sowie ein Generalvergleich mit den US-Käufern der nicht gesetzeskonformen Fahrzeuge in Höhe von rund zehn Mrd. Dollar. In den USA ist das Thema damit (obwohl es weiterhin einzelne Klagen gibt) weitgehend beendet.
Nun könnte es für Volkswagen aber in Deutschland noch einmal richtig teuer werden. Denn am Montag startete in Braunschweig der Musterprozess, der von Investoren gegen den Autokonzern angestrengt wird. Sie werfen VW vor, die Anleger zu spät über die Schummeleien informiert zu ha- ben, weshalb diese überteuerte Aktien gekauft hätten. Als Beweis dafür gilt der Einbruch der VW-Aktie um 40 Prozent am 22. September (dem ersten Handelstag nach der EPA-Veröffentlichung, siehe Chart).
2008 erste Autos zugelassen
Nach Ansicht der Kläger hätte VW viel früher öffentlich machen müssen, dass es Probleme gebe. Als frühester Zeitpunkt wird vom Klägeranwalt sogar das Jahr 2008 genannt, denn damals sind die ersten manipulierten Autos in den USA zugelassen worden. Spätestens ab dem Mai 2014, als die Informationen über die US-Ermitt- lungen in der Sache in Richtung Top-Management getragen wurden, sei es so weit gewesen, heißt es in der Klagsschrift.
Von VW wird das zurückgewiesen. Bis zur Veröffentlichung durch die EPA habe man nur mit einer Strafe von wenigen hundert Millionen Euro ohne Publizitätspflicht gerechnet. Diese Erwartungshaltung sei auch begründet gewesen, weil die US-Behörde in ähnlichen Fällen mit so einer Vereinbarung einverstanden gewesen sei. Die Information über die Verhandlungen mit der EPA sei daher nicht ad hoc-pflichtig gewesen.
Wie das Urteil ausfallen wird, ist laut Beobachtern nicht vorher- zusehen. Klar ist nur, dass das Verfahren bis zur letzten Instanz durchgefochten wird. Denn die Klage mit einem Streitwert von vier Mrd. Euro ist nur das Musterverfahren – in Summe stehen Forderungen von neun Mrd. Euro im Raum. VW scheint jedenfalls mit einer Zahlung zu rechnen. So wurden die Eventualverbindlichkeiten zuletzt um 3,4 Mrd. Euro erhöht.
Ebenfalls eingebracht wird dieser Tage auch die Klage des heimischen VKI gegen VW. Die Konsumentenschützer fordern dabei für rund 10.000 heimische Besitzer manipulierter Autos einen Schadenersatz von 20 Prozent des Kaufpreises. (jaz/Bloomberg)