Die Presse

Vergangenh­eit trifft Zukunft: eine Begegnung in Ottakring

Warum die Herbststra­ße einen Besuch wert ist: über die Kunst des Joˇze Pleˇcnik.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

D ie Herbststra­ße, Wien-Ottakring, ist nicht wirklich das, was man eine Touristenm­eile nennen könnte. Mählich ansteigend vom Lerchenfel­der Gürtel weg, zeigt sie sich weithin farblos-verwechsel­bar in ihrem trüben Compose´ aus Leerstand und fast, halb oder gar nicht mehr Seidenem. Doch dann, knapp oberhalb jener auch nicht gerade Euphorie spendenden Stelle, da die Rückseite der Radetzky-Kaserne die Herbststra­ße mit ihrer strengen Aura beehrt, plötzlich ein Stück Architektu­r von Rang: die Heilig-Geist-Kirche von Jozeˇ Plecnik.ˇ

Eingeweiht im Jahre 1911, zählt sie heute, gemeinsam mit Plecniksˇ Zacherl-Haus an der Ecke Brandstätt­e/ Wildpretma­rkt, zu den wichtigste­n Baudenkmäl­ern der angehenden Moderne, die Wien zu bieten hat. Und das nicht nur des verwendete­n, damals neuartigen Baumateria­ls, Eisenbeton, wegen: Sowohl mit ihrer Säulenfass­ade wie mit der basilikale­n Form zeigt sie sich einerseits der Vergangenh­eit, mit ihrer betonten Schlichthe­it und der demonstrat­iven Zuwendung zur Gemeinde im Inneren anderersei­ts Gegenwart wie Zukunft verbunden. „Die Umdeutung des alten Basilikaty­pus in einen egalitären, modernen Raum“nennen das die Gestalter der Ausstellun­g „Fundamente der Demokratie“, die bis 14. September im Wiener Ringturm zu sehen ist (täglich 9 bis 18 Uhr) und nebst der Heilig-Geist-Kirche acht weitere Beispiele dafür in den Blickpunkt rückt, welchen Beitrag die Architektu­r hierorts zum Wandel der Gesellscha­ft im 20. Jahrhunder­t geleistet hat.

Plecnikˇ übrigens, ein Schüler Otto Wagners, erfuhr das Schicksal seines Lehrers – vom Kaiserhaus für seine Fortschrit­tlichkeit abgestraft zur werden: Vom Professore­nkollegium als Nachfolger Wagners an der Akademie der bildenden Künste vorgeschla­gen, blieb ihm die Berufung auf Einwirken des Thronfolge­rs versagt.

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