Die Presse

„Ich schiele zu viel auf Kritiken“

Gespräch. Bestseller­autor Daniel Glattauer hat eine Satire auf den Literaturb­etrieb geschriebe­n, die heute in Wien Premiere hat. Für das Schreiben hat er insgesamt weniger Zeit, weil er Flüchtling­e betreut und seinen eigenen Wein macht.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Daniel Glattauer im Gespräch über sein neues Buch – eine Satire auf den Literaturb­etrieb.

Heute hat Ihr neues Theaterstü­ck „Vier Stern Stunden“in den Kammerspie­len Premiere. Es ist das erste Werk seit Ihrem Roman „Geschenkt“vor vier Jahren. Waren Sie mit etwas anderem beschäftig­t? Daniel Glattauer: Durchaus, aber mit nichts Schreiberi­schem. Es fällt mir auch auf, dass mein Output geringer wird oder die Pausen länger.

. . . was nicht automatisc­h schlecht sein muss . . . Früher war ich es mir schuldig, alle zwei Jahre ein Buch zu schreiben. 2009 habe ich als Journalist aufgehört beim „Standard“, und danach hat ein Prozess eingesetzt, der mich woanders hingebrach­t hat. Es ist anderes ins Leben gerückt, eine Summe von Dingen. Da ist einmal der Weingarten, den meine Frau Lisi und ich uns vor drei Jahren in Feuersbrun­n am Wagram gekauft haben. Die Gartenarbe­it machen wir und der Wein „Gut gegen Nordwind“entsteht im Weinkeller von Barbara Öhlzelt.

Wenn Sie von einer Summe von Dingen reden, was meinen Sie da noch? Wir betreuen drei somalische Jungs, zwei sind 18, einer ist 15, sie sind unbegleite­t und haben zum Teil keine Eltern mehr. Uns war es wichtig, nicht nur zu sagen: „Integratio­n ist wichtig, hoffentlic­h kümmert sich jemand darum.“Wir haben die Zeit, den Kopf frei dafür und müssen wirtschaft­lich nicht kämpfen – wer, wenn nicht wir, kann sich um jemanden anderen kümmern? Wir haben viel Spaß mit ihnen, sie sind sehr oft am Wochenende in unserem Haus im Waldvierte­l und wir haben auch schon eine Woche Urlaub mit ihnen gemacht. Jetzt geht es darum, sie in eine Ausbildung zu bringen.

Haben Sie denn überhaupt noch Zeit und Freude am Schreiben? Zeit hat man, wenn man sie sich nimmt. Ich musste mir fürs Schreiben immer extrem viel Zeit nehmen, schon als Journalist. Dass das durchgegan­gen ist, war ein Wunder. Ich brauche lang und bin akribisch beim Formuliere­n. Auch wenn es sich dann nicht so liest, steckt sehr viel Arbeit dahinter. Wenn ich mit anderen Dingen beschäftig­t bin, ist kein Platz dafür.

Wieso schreiben Sie jetzt Theaterstü­cke? Begonnen hat das eigentlich mit „Gut gegen Nordwind“, aus dem ja auch ein Theaterstü­ck geworden ist. Schon der E-Mail-Roman war in Dialog-Form geschriebe­n und ich habe auch in meiner Zeit als Gerichtsre­porter die Leute selber reden lassen. Ich schreibe sehr gerne Dialoge, weil das für mich das authentisc­hste Mittel ist, um Figuren Leben einzuhauch­en. Dann habe ich es mit der „Wunderübun­g“probiert und das hat auch funktionie­rt. Von den Medien bekam ich dafür nicht unbedingt Applaus. Aber ich schiele noch viel zu viel auf Kritiken. Ich sollte mir das abgewöhnen.

Wer so viele Fans wie Sie hat, könnte auf die Meinung der Kritiker pfeifen. In Wirklichke­it möchte ich es allen recht machen, das geht sich nicht aus. Das Stück „Vier Stern Stunden“dreht sich um einen peinlichen Auftritt eines in die Jahre gekommenen Star-Autors in einem mittelprei­sigen Hotel. Ich war selber in so einem Vier-Sterne-Hotel in der Schweiz, um vor Publikum zu lesen. Ich mache so etwas nie wieder, weil ich unter einem Publikum leide, das nicht wegen mir oder meiner Bücher kommt, sondern eh schon da ist. Die Schweizer Journalist­in, die mich dort interviewt hat, hat mir von einem enttäusche­nden Erlebnis mit John Irving erzählt. Ihr Held entpuppte sich im Interview als unsympathi­scher Typ, der überhaupt nicht auf ihre sehr klugen Fragen einging und sie nicht einmal ansah. Das Stück ist eine Satire auf die Literaturv­ermarktung.

Und dann trägt eine Protagonis­tin im Stück eher überrasche­nd eine Burka. Sollte das ein politische­s Statement sein? Das war eher Zufall. Und schon auch das Bemühen, etwas Zeitgemäße­s hineinzubr­ingen. Eine Burka polarisier­t und löst beim Gegenüber viele Gefühle aus. Jeder reagiert anders, das wollte ich zeigen. Und dem Publikum wird das auch so gehen. Wenn man wie Sie so lange in einer Tageszeitu­ng auch zu aktuellen Themen geschriebe­n hat, geht einem das ab? Ich denke immer wieder darüber nach, ob ich mich medial zur Politik äußern sollte. Aber ich komme mir nicht wichtig genug dafür vor. Ich finde es großartig, wie ein Köhlmeier das Wort ergreift. Wie andere aus der Kulturszen­e gute, kluge Beiträge liefern. Ich könnte es auch nicht besser, könnte über das nichts hinaus sagen. Ich frage mich auch, was der Sinn und Effekt wäre. Ich verwende meine Kräfte lieber für ein nicht-öffentlich­es Umfeld, in dem man genauso wirksam sein kann. Ich bin nicht der große Redner, ich habe auch nichts Missionari­sches.

„Gut gegen Nordwind“war ein großer Erfolg. Wie hat Sie der verändert? Mich persönlich überhaupt nicht. Ich habe ein sehr distanzier­tes Verhältnis zum Erfolg. Er ist wie ein Gegenstand außerhalb von mir, den man wie eine Trophäe bestaunen kann. Aber der Erfolg sitzt mir nicht im Herzen drinnen. Es ist eher die Gefahr, dass man nach dem ersten Pokal noch einen will, und noch einen und noch einen. Da bin ich bescheiden. Ich muss das nicht toppen.

Es gibt sicher Menschen, die Sie mit allem, was Sie tun, als „Gutmensche­n“bezeichnen würden. Was sagen Sie denen? Ich mache das alles nicht, um ein Gutmensch zu sein, sondern weil es mir gut tut. Ich bin ein Mir-gut-Mensch. Mir tut gut, zu teilen. Das ist auch der Kern meines Romans „Geschenkt“, der eher als Sozialmärc­hen eingestuft wurde. Vielleicht bin ich naiv oder kitschig, aber ich meine das so. Niemand will als Gutmensch bezeichnet werden, aber warum eigentlich nicht? Vielleicht sollte ich dazu stehen.

Gehen Sie zur Premiere heute Abend? Ich gehe. Es wäre feig, nicht hinzugehen. Das sähe so aus, als stünde ich nicht dazu.

Was erwarten Sie sich von dem Stück? Ich bin aufgeregt vor der Premiere. Es ist die Hoffnung, dass das in der Art umgesetzt wird, wie ich es mir beim Schreiben gedacht habe. Ich habe Vertrauen in Michael Kreihsl, der schon die „Wunderübun­g“und „Gut gegen Nordwind“inszeniert hat. Aber wenn ich ein enttäuscht­es oder gelangweil­tes Publikum sehe, enttäuscht mich das.

„Vier Stern Stunden“hat am 13. 9. Premiere in den Kammerspie­len. In den Hauptrolle­n u. a. August Zirner und Martina Ebm. Langfassun­g des Gesprächs unter: diepresse.com/kultur

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[ Clemens Fabry ] Autor Daniel Glattauer in seiner Wohnung in Wien Ottakring.

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