Hier spinnen selbst die Maschinen
Serie. Die neue Netflix-Produktion „Maniac“mit Emma Stone und Jonah Hill entführt in ein retrofuturistisches Gehirnlabor: Ein irres, aber raffiniertes Serienexperiment.
„Maniac“, die neue Netflix-Produktion mit Emma Stone und Jonah Hill – ein raffiniertes Experiment.
Vertrauenerweckend wirkt das alles ja nicht. „No more mistakes“, raunen sich die Mitarbeiter des Forschungslabors zu, während sie ihre Probanden in eine Art Tiefschlaf versetzen. Dazu verabreichen sie ihnen bunte Pillen und klappen ihnen Metallplatten um den Kopf, die aussehen wie verbrannte Bügeleisen und Mikrowellen aussenden – mit dem Ziel, psychische Erkrankungen ein für allemal zu heilen. Eine Stimme zählt von zehn herunter, dazu flackert das Licht, und die vielen Knöpfe des Supercomputers, aus dem an allen Enden bundweise Kabel rausstehen, blinken wie wild. Hinter ihnen verbirgt sich eine künstliche Intelligenz, die ausgeklügeltste, die man je erfunden hat. So ausgeklügelt, dass sie Gefühle hat, Poesie mag, weinen kann – und gerade selbst auf dem Weg ist, in eine Depression zu schlittern.
Das klingt futuristisch – doch das Setting, in dem die neue Netflix-Serie „Maniac“angesiedelt ist, erinnert eher an die Zukunft, wie man sie sich vor ein paar Dekaden vorstellte: In einer trostlosen Metropole, die aussieht, als hätten sich das New York und Tokio der 1980er gepaart, rollen Roboter über die Gehsteige und sammeln Hundekot ein. In Restaurants und der U-Bahn kann man statt mit Geld mit seiner Aufmerksamkeit zahlen: Ein „Ad Buddy“, der unablässig Werbebotschaften vorliest, weicht einem dann nicht von der Seite. Ein fragwürdiges Pharma-Biotech-Unternehmen ist nah dran, die Gehirne der Menschen umzuprogrammieren. Aber: Von High Definition sind die Bildschirme hier weit entfernt, aus den Druckern kommt perforiertes Endlospapier wie anno dazumal und zur Erwachsenenunterhaltung gibt es anschnallbare Virtual-Reality-Sexmaschinen, doch die Lustwelten, in die diese entführen, sind ziemlich verpixelt. Traumwelten von Noir bis Fantasy
Es ist eine detailreiche, rätselhafte und vor allem ästhetisch faszinierende Welt, die Cary Fukunaga (Regisseur von „True Detective“, „Beasts of No Nation“und – wie gerade bekannt wurde, s. u. – dem nächsten James-Bond-Film) und Autor Patrick Somerville da entworfen haben. Eine Welt, in der auch die Protagonisten der Serie, die von einer gleichnamigen norwegischen Produktion inspiriert ist, nicht ganz zuhause sind: Emma Stone spielt eine kaltschnäuzige, impulsive Frau, die von Tabletten abhängig ist, die ihr den schlimmsten Tag ihres Lebens immer wieder vor Augen führen. Jonah Hill einen Mann, der an Schizophrenie und dem Druck seiner reichen Familie leidet. Mentale Instabilität ist ein Kernthema der Serie, doch die Macher behandeln es auf verspielte Art und mit absurdem Humor: Die beiden Protagonisten melden sich als Probanden für besagte Gehirnstudie, wo sie unter der Aufsicht strenger Forscher (darunter eine kettenrauchende, abgebrühte Neurowissenschaftlerin und ein zwanghafter Laborboss, gespielt von Justin Theroux) in imaginierte Paralleluniversen geschickt werden. Natürlich läuft das nicht ganz wie geplant . . .
Diese Traumepisoden erweitern den irren Genre- und Stilmix der Serie, deren Rahmenhandlung schon irgendwo zwischen Mystery-Psychodrama und Science-FictionGroteske oszilliert. Sie reichen von der eleganten 40er-Jahre-Noir-Raubgeschichte zur Elfen-Fantasy a` la „Game of Thrones“. Auch wenn alles raffiniert zusammenhängt – mehr als einmal hat man das Gefühl, dass es den Machern vor allem darum ging, sich kreativ auszutoben. Das Ergebnis zieht nichtsdestotrotz in seinen Bann: wie eine Halluzination, aus der man noch nicht geweckt werden will.