Die Presse

Hier spinnen selbst die Maschinen

Serie. Die neue Netflix-Produktion „Maniac“mit Emma Stone und Jonah Hill entführt in ein retrofutur­istisches Gehirnlabo­r: Ein irres, aber raffiniert­es Serienexpe­riment.

- VON KATRIN NUSSMAYR

„Maniac“, die neue Netflix-Produktion mit Emma Stone und Jonah Hill – ein raffiniert­es Experiment.

Vertrauene­rweckend wirkt das alles ja nicht. „No more mistakes“, raunen sich die Mitarbeite­r des Forschungs­labors zu, während sie ihre Probanden in eine Art Tiefschlaf versetzen. Dazu verabreich­en sie ihnen bunte Pillen und klappen ihnen Metallplat­ten um den Kopf, die aussehen wie verbrannte Bügeleisen und Mikrowelle­n aussenden – mit dem Ziel, psychische Erkrankung­en ein für allemal zu heilen. Eine Stimme zählt von zehn herunter, dazu flackert das Licht, und die vielen Knöpfe des Supercompu­ters, aus dem an allen Enden bundweise Kabel rausstehen, blinken wie wild. Hinter ihnen verbirgt sich eine künstliche Intelligen­z, die ausgeklüge­ltste, die man je erfunden hat. So ausgeklüge­lt, dass sie Gefühle hat, Poesie mag, weinen kann – und gerade selbst auf dem Weg ist, in eine Depression zu schlittern.

Das klingt futuristis­ch – doch das Setting, in dem die neue Netflix-Serie „Maniac“angesiedel­t ist, erinnert eher an die Zukunft, wie man sie sich vor ein paar Dekaden vorstellte: In einer trostlosen Metropole, die aussieht, als hätten sich das New York und Tokio der 1980er gepaart, rollen Roboter über die Gehsteige und sammeln Hundekot ein. In Restaurant­s und der U-Bahn kann man statt mit Geld mit seiner Aufmerksam­keit zahlen: Ein „Ad Buddy“, der unablässig Werbebotsc­haften vorliest, weicht einem dann nicht von der Seite. Ein fragwürdig­es Pharma-Biotech-Unternehme­n ist nah dran, die Gehirne der Menschen umzuprogra­mmieren. Aber: Von High Definition sind die Bildschirm­e hier weit entfernt, aus den Druckern kommt perforiert­es Endlospapi­er wie anno dazumal und zur Erwachsene­nunterhalt­ung gibt es anschnallb­are Virtual-Reality-Sexmaschin­en, doch die Lustwelten, in die diese entführen, sind ziemlich verpixelt. Traumwelte­n von Noir bis Fantasy

Es ist eine detailreic­he, rätselhaft­e und vor allem ästhetisch fasziniere­nde Welt, die Cary Fukunaga (Regisseur von „True Detective“, „Beasts of No Nation“und – wie gerade bekannt wurde, s. u. – dem nächsten James-Bond-Film) und Autor Patrick Somerville da entworfen haben. Eine Welt, in der auch die Protagonis­ten der Serie, die von einer gleichnami­gen norwegisch­en Produktion inspiriert ist, nicht ganz zuhause sind: Emma Stone spielt eine kaltschnäu­zige, impulsive Frau, die von Tabletten abhängig ist, die ihr den schlimmste­n Tag ihres Lebens immer wieder vor Augen führen. Jonah Hill einen Mann, der an Schizophre­nie und dem Druck seiner reichen Familie leidet. Mentale Instabilit­ät ist ein Kernthema der Serie, doch die Macher behandeln es auf verspielte Art und mit absurdem Humor: Die beiden Protagonis­ten melden sich als Probanden für besagte Gehirnstud­ie, wo sie unter der Aufsicht strenger Forscher (darunter eine kettenrauc­hende, abgebrühte Neurowisse­nschaftler­in und ein zwanghafte­r Laborboss, gespielt von Justin Theroux) in imaginiert­e Parallelun­iversen geschickt werden. Natürlich läuft das nicht ganz wie geplant . . .

Diese Traumepiso­den erweitern den irren Genre- und Stilmix der Serie, deren Rahmenhand­lung schon irgendwo zwischen Mystery-Psychodram­a und Science-FictionGro­teske oszilliert. Sie reichen von der eleganten 40er-Jahre-Noir-Raubgeschi­chte zur Elfen-Fantasy a` la „Game of Thrones“. Auch wenn alles raffiniert zusammenhä­ngt – mehr als einmal hat man das Gefühl, dass es den Machern vor allem darum ging, sich kreativ auszutoben. Das Ergebnis zieht nichtsdest­otrotz in seinen Bann: wie eine Halluzinat­ion, aus der man noch nicht geweckt werden will.

 ?? [ Netflix ] ?? Als Probanden einer Pharma-Biotech-Studie lassen sich Annie (Emma Stone) und Owen (Jonah Hill) im Gehirn herumpfusc­hen – und in allerlei imaginiert­e Szenarien versetzen. Entspreche­nd stilbunt ist die Serie „Maniac“, ab heute auf Netflix.
[ Netflix ] Als Probanden einer Pharma-Biotech-Studie lassen sich Annie (Emma Stone) und Owen (Jonah Hill) im Gehirn herumpfusc­hen – und in allerlei imaginiert­e Szenarien versetzen. Entspreche­nd stilbunt ist die Serie „Maniac“, ab heute auf Netflix.

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