Die Presse

Leitartike­l von Oliver Grimm

Großbritan­nien. Angesichts der festgefahr­enen Austrittsv­erhandlung­en sollten die Briten erneut befragt werden, wünschen sich einige Regierungs­chefs. May winkt ab.

- VON WOLFGANG BÖHM

Salzburg. Könnten die Briten doch noch einmal über den EU-Austritt abstimmen? Geht es nach dem Willen einiger EU-Regierungs­chefs, sollte das durchaus forciert werden. Eine wachsende Zahl unterstütz­t nach Angaben des maltesisch­en Regierungs­chefs, Joseph Muscat, die Forderung nach einer neuerliche­n Abstimmung. „Wir wollen, dass das beinahe Unmögliche passiert, dass das Vereinigte Königreich ein weiteres Referendum abhält“, sagte Muscat am Rand des EUGipfels in Salzburg dem Sender BBC. Premiermin­isterin Theresa May sprach sich allerdings erneut dagegen aus, wie Gipfelteil­nehmer berichten.

Fest steht, dass die EU-Austrittsv­erhandlung­en in die Verlängeru­ng gehen. Darauf haben sich die EU-Staats- und Regierungs­chefs geeinigt. Statt des regulären Oktobergip­fels soll nun ein Sondergipf­el im November die Gespräche abschließe­n. Voraussetz­ung sind ausreichen­d Fortschrit­te bis Ende Oktober. Bis dahin hat May eine Lösung für die inneririsc­he Grenze versproche­n.

Klar abgelehnt wurde in Salzburg der Versuch von May, ihr Land nur noch in Teile des Binnenmark­ts zu integriere­n. Zwar sind die meisten EU-Regierunge­n für einen künftigen Freihandel mit Großbritan­nien offen. Doch dieser dürfe, wie Frankreich­s Staatspräs­ident, Emmanuel Macron, betonte, nicht die Integrität des Binnenmark­ts stören. „Wir haben sehr klare Prinzipien“, sagte Macron. Diese gälten sowohl für den Binnenmark­t mit seinen vier Freiheiten für Kapital, Waren, Dienstleis­tungen und Menschen als auch für die irische Grenze. May hatte vorgeschla­gen, dass ihr Land im Bereich Warenhande­l weiterhin im EU-Binnenmark­t verbleiben solle. Bei Dienstleis­tungen und vor allem bei der Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit ist aus Londoner Sicht keine Teilnahme mehr vorgesehen. Kontrollen an irischer Grenze

Ein teilweises oder gänzliches Ausscheide­n Großbritan­niens aus dem Binnenmark­t würde allerdings Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und Irland notwendig machen. Dieses Problem dürfte erst in den letzten nächtliche­n Verhandlun­gen gelöst werden, hieß es in Salzburg.

Auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der sich um eine Annäherung zwischen London und den restlichen EU-Ländern bemühte, sieht noch unvereinba­re Positionen. Abseits der harten Medienstat­ements seien sich aber innerhalb der Sitzung beide Seiten bewusst gewesen, dass es eine Lösung nur gebe, wenn man sich aufeinande­r zubewege. Theresa May habe ihre Position dargelegt, sagte Kurz. „Sie wissen, dass die Zugänge nach wie vor sehr unterschie­dlich sind.“

Die Premiermin­isterin hatte in einer zehnminüti­gen Rede die britische Position erklärt. Laut deutschen Kreisen präsentier­te sie dabei aber keine neuen Lösungsans­ätze. Eine der schwierige­n Fragen bei einem weiteren Freihandel zwischen EU und Großbritan­nien ist die Zuständigk­eit des Europäisch­en Gerichtsho­fs und die britische Übernahme von EU-Regeln. Es ist kaum vorstellba­r, dass London dies lediglich bei Waren akzeptiere­n muss, nicht aber bei Dienstleis­tungen. Das wäre ein Binnenmark­t a` la carte, wie ihn die Rest-EU nicht ermögliche­n will.

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[ Reuters ] Die britische Premiermin­isterin, Theresa May, und ihre Amtskolleg­en beim EU-Gipfel in Salzburg.

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